Kriminalität

Das deutsche Zweitregister und die Bareboat-Charter

Legale Wirtschaftskriminalität?


Von EPHK Uwe Jacobshagen, Hamburg1

Im Rahmen der sog. Panama-Papers-Affäre, die auf der Grundlage der Unterlagen des panamaischen Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca die legalen Strategien der Steuervermeidung, aber auch Steuer- und Geldwäschedelikte, den Bruch von UN-Sanktionen sowie andere Straftaten belegen, stellte der Spiegel die Fragen: Was sind eigentlich Briefkastenfirmen, mit welchem Ziel werden sie eingerichtet und ab wann ist das verwerflich oder sogar illegal?

Briefkastenfirmen sind im Grundsatz bloße Hüllen mit einem offiziellen Eintragungsdatum und Firmennamen, hinter denen keine oder nur eingeschränkte wirtschaftliche Aktivität steckt. Letztlich haben sie nur die Aufgabe, ein Vermögen zu verwalten. Sehr häufig sind sie in fernen Regionen in sog. Steueroasen wie auf den Bahamas oder den British Virgin Islands beheimatet, deswegen werden sie auch „Offshore-Firmen“ genannt. Dort sind nur sehr wenige Steuern fällig, Geschäfte können dort diskret und relativ unbeobachtet abgewickelt werden.2

Als Paradebeispiel für legal genutzte Briefkastenfirmen muss besonders eine Branche herhalten: die deutsche Schifffahrtsbranche. Reeder seien auf solche Briefkastenfirmen angewiesen, sagen Kemmer und Kubicki unisono. Sie hätten dafür „gute rechtliche Gründe“. Tatsächlich nutzen viele deutsche Reedereien Briefkastenfirmen zum sogenannten Ausflaggen ihrer Schiffe – also dazu, die Nationalflagge zu wechseln, ohne dass sich die Eigentumsverhältnisse am Schiff ändern. Hauptgrund dafür: Personalkosten sparen.3

1 Die Ausflaggung des deutschen Flaggschiffs


Die „MS Deutschland“ ist eine schwimmende Legende. Die weiße Lady der Weltmeere ist das letzte noch unter deutscher Flagge fahrende Kreuzfahrtschiff. Am Heck des durch die Fernsehserie berühmt gewordenen „Traumschiffs“ prangt unter dem Schiffsnamen noch der des Heimathafens: Neustadt in Holstein. Doch geht es nach dem Willen des neuen Besitzers, dem Finanzinvestor Aurelius, wird der Schriftzug der kleinen Hafenstadt an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste bald übergepinselt und durch Valetta ersetzt werden. Der Ort auf der Mittelmeerinsel Malta soll die neue Heimat für das traditionsreiche Schiff der Reederei Peter Deilmann werden. Grund für die Ausflaggung sind seit Längerem geplante Sparmaßnahmen. Denn die 260 Mitarbeiter arbeiten mit deutschen Arbeitsverträgen. Ein angeblich teurer Anachronismus: Fährt dagegen ein Schiff unter einer Billigflagge, lassen sich Sozialabgaben, Lohnnebenkosten und Ausbildungsförderung einsparen. Andere bekannte Kreuzfahrtschiffe wie „Mein Schiff“, die gesamte Aida-Flotte und sogar die „MS Europa“ segeln längst unter fremder Flagge. Dabei bleibt die Bordsprache weiterhin Deutsch. Doch für eine Ausflaggung der „MS Deutschland“ ist die Überführung der Besatzung erforderlich, wie es in der Sprache der Juristen heißt.4

2 Statistik der Deutschen Handelsflotte


Im März 20195 befuhren 2094 deutsche Schiffe mit mehr als 100 BRZ Vermessungsgröße die Weltmeere. Von diesen Schiffen führen lediglich 306 die deutsche Flagge und davon sind 166 Schiffe im sogenannten „Internationalen Schiffsregister“ – auch als Zweitregister bezeichnet – eingetragen. Der gesamte Rest, also 1788 Schiffe, die unter deutscher Verwaltung betrieben werden und in ein deutsches Schiffsregister eingetragen sind, fahren somit befristet unter einer fremden Flagge – einer „Billigflagge“. Diese zeitweise „Ausflaggung“ wird als Bareboat-charter bezeichnet und stellt eine Besonderheit im deutschen Steuer- und Tarifrecht dar.

Die hauptsächlich verwendeten Flaggen sind Antigua und Barbuda (562), Liberia (521) und Portugal (273). Der Rest verteilt sich auf Flaggen wie Malta, Zypern, Marshallislands oder Gibraltar. Selbst unter den Flaggen von St. Vincent und die Grenadinen, Estland und Portugal fahren deutsche Schiffe. Unter diese Statistik fallen dann nicht die Schiffe, die klassisch ausgeflaggt wurden und nicht mehr in einem deutschen Schiffsregister eingetragen sind.

Über die ursprünglich geplante Ausflaggung der „MS Deutschland“, dem Wechsel von der deutschen zur maltesischen Flagge wurde viel spekuliert. Die Reederei Peter Deilmann hielt lange an Plänen fest, die „MS Deutschland“ aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr unter deutscher Flagge fahren zu lassen und musste sich dafür heftige Kritik aus der Politik, von der Besatzung und selbst von ZDF-Traumschiff-Produzent Wolfgang Rademann gefallen lassen. Aber was genau bedeutet „Ausflaggung“ eigentlich?6

3 Möglichkeiten der Ausflaggung


Grundsätzlich müssen Kauffahrteischiffe und sonstige Seeschiffe, deren Eigentümer Deutsche sind und ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben, die Bundesflagge führen.7

Bestand der deutschen Handelsflotte ab BRZ 100 2018 - 20198

Als Bundesflagge ist hier die Flagge gemeint, die in Art. 22 Abs. 2 GG definiert ist – also schwarz-rot-gold. Andere deutsche Nationalitätsflaggen, wie z.B. die Bundesdienstflagge, dürfen dann nur unter bestimmten Bedingungen geführt und gezeigt werden.9 Der Begriff des Kauffahrteischiffes ist nicht gesetzlich definiert. Es handelt sich um Seeschiffe, die zum Erwerb durch Seefahrt bestimmt sind oder dem Erwerb durch Seefahrt dienen. Dafür sind 3 Elemente entscheidend: Schiffseigenschaft, Bestimmung für die Seefahrt und gewerblicher Einsatz.

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