Kriminalitätsbekämpfung

Clankriminalität in Deutschland

Eine Bestandsaufnahme (Teil 2)

Von Patrick Rohde M.A., Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl und Prof. Dr. Sonja Labryga, Essen/Mülheim

Das BKA hat im Herbst 2019 erstmals Clankriminalität im Bundeslagebild Organisierte Kriminalität für das Berichtsjahr 2018 unter „ethnisch abgeschotteter Subkulturen“ gesondert ausgewiesen. In diesem wurde neben dem ermittelten Schaden von etwa 16 Mio. Euro in insgesamt 45 Verfahren auf die Gefährlichkeit von gesellschaftlichen Parallelstrukturen hingewiesen.1 Auch die Innenminister der Länder verwiesen in diesem Kontext bereits im Sommer auf die Notwendigkeit effektiver Bekämpfungsmaßnahmen, für die sie Impulse während der Landesinnenminister-Konferenz in Kiel festlegten. Zeitgleich mit Erscheinen des Bundeslagebildes OK wurde der Bericht der „Bosbach-Kommission“2 vorgelegt, die einen 21-Punkte-Plan enthält. Während dessen gehen Sicherheitsbehörden bereits neue Wege, um Clankriminalität zu bekämpfen.

5 Konzepte der Polizei


In NRW wird die Bekämpfung der Clankriminalität im derzeit gültigen Koalitionsvertrag der CDU/FDP-geführten Landesregierung als politisches Ziel definiert.3 Im Grundsatz wird eine offen kommunizierte Strategie der „kleinen Nadelstiche“ seitens der staatlichen Institutionen verfolgt. Im Rahmen der sogenannten Ruhrkonferenz, die zur Stärkung des Ruhrgebiets als lebenswerten Standort geschaffen wurde, wird bei einem von mehreren möglichen Themenforen die Bekämpfung der Clankriminalität behandelt. Daraus wird deutlich, dass die Clankriminalität in NRW eine starke Priorität erfährt.4 Neue Wege geht bereits das stark betroffene Polizeipräsidium Essen, das inmitten des Ruhrgebiets gelegen, die meisten arabischen Großfamilien nach Berlin zählt und einen Brennpunkt der kriminellen Handlungen darstellt. Mit dem „Aktionsplan Clan“ wurde ein seit Dezember 2018 geschaffenes Konzept in den Strukturen einer BAO mit verschiedenen Einsatzabschnitten zur Bekämpfung der Clankriminalität geschaffen. Die ergriffenen Maßnahmen sind auf mehrere Jahre ausgerichtet.5 Dies ist aufgrund verfestigter krimineller Clanstrukturen, die über Jahre entstanden sind und aufgebrochen werden müssen, ein wichtiger Ansatz, um schnellen Erfolgen zu Nachhaltigkeit zu verhelfen.6 Dabei ist die Übertragung der Aufgaben auf eine für gewöhnlich nur kurzzeitig angelegte BAO in eine mittelfristige notwendig, um den komplexen OK-Verfahren, die zuweilen eine Verfahrensdauer von durchschnittlich gut 1,5 Jahren haben, Rechnung zu tragen.7 Der „Aktionsplan Clan“ und seine langfristige Ausrichtung verdeutlichen ebenfalls, dass es sich bei der Bekämpfung der Clankriminalität nicht um eine kurzfristige politische Stimmungsmache handelt. Wie sich der Essener Ansatz auf das Phänomen Clankriminalität vor Ort auswirkt, muss beobachtet werden.8

Auch in Niedersachsen existiert seit März 2018 die Landesrahmenkonzeption zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen, die von der dortigen Landesregierung formuliert wurde.9 Schon vor diesem Konzept befasste sich die niedersächsische Polizei im Rahmen einer Schwerpunktsetzung seit dem Jahr 2013 mit der Clankriminalität. In das Curriculum der Polizeiakademie Niedersachsen ist das Thema Clankriminalität aufgenommen worden. Die Akademie schafft so in Zusammenarbeit mit dem LKA Niedersachsen eine bedarfsorientierte Aus- und Fortbildung in diesem Bereich.10 In Berlin wurde Ende 2018 ein sogenanntes 5-Punkte Programm vorgestellt, mit dem die Clankriminalität beispielsweise verstärkt mit den Möglichkeiten des 2017 novellierten Gesetzes zur Vermögensabschöpfung11 bekämpft werden soll.12 Die Beschlagnahme von 77 Immobilien in Berlin durch die Staatsanwaltschaft steht in diesem Zusammenhang. Die Ansätze des 5-Punkte-Programms ähneln stark denen aus Niedersachsen und NRW und reichen von einer „Null-Toleranz-Strategie“ gegenüber Clanmitgliedern über den Aufbau spezialisierte Dienststellen bis zur behördenübergreifenden Zusammenarbeit.

6 Empfehlungen der Regierungskommission


Der Ansatz konsequenter Vorgehensweisen wird unter anderem auch von der Regierungskommission „Mehr Sicherheit für Nordrhein-Westfalen“ empfohlen, die von der Landesregierung NRW eingesetzt wurde, und einen „Zwischenbericht [...] zum Thema ‚Bekämpfung der Clankriminalität‘ durch Prävention und Strafverfolgung“13 vorgelegt hat. Die sog. Bosbach-Kommission, die im Rahmen ihres Auftrages Sicherheitsdefizite analysiert, hat auch das Phänomen Clan-Kriminalität betrachtet und zu dem empfohlenen administrativen Ansatz weitere 20 Empfehlungen zusammengetragen. Bemerkenswert bei der Analyse der Kommission und den dargelegten Empfehlungen sind (neben bereits bekannter) die praktischen und sehr konkret formulierten Forderungen nach verbesserter technischer Ausstattung der Polizei. Um bereits rechtlich vorhandene Maßnahmen durchführen zu können kommt die eingesetzte Kommission zu dem Schluss, dass u.a. die Mobilen Einsatzkommandos (MEK) besser ausgestattet werden müssen und in diesem Zug auch die Ausweitung der Nutzung von IMSI-Catchern14 anzustreben sei, zudem plädiert sie für eine Datenbank zur verbesserten Nutzung der Funkzellenauswertung.15 Normierte theoretische Eingriffsbefugnisse könnten dementsprechend auch praktisch besser genutzt werden.

Weiterhin ist ein neuer und bisher nicht beachteter, durchaus auch auf andere Kriminalitätsphänomene übertragbare, Aspekt in den Empfehlungen der Kommission und somit an prominenter Stelle zu finden. Die Problematik mit den Strafverfolgungsstatistiken. Sowohl die PKS, als auch die staatsanwaltliche Statistik werden mitunter als Arbeitsnachweise gesehen und nicht zuletzt als quantitativer Maßstab erfolgreicher Ermittlungsarbeit.16 Allerdings dokumentieren sie weder Zusammenhänge noch die Arbeitsintensität der jeweiligen Vorgänge. Entsprechend könnten überregionale Verfahren bei den regionalen Behörden aufgrund fehlender statistischer Zurechnung zu Motivationsproblemen führen.17 Geforderte Neuerungen in den statistischen Fallerfassungen sind ein erster Schritt die Strafverfolgungsstatistiken von dem Stigma des Arbeitsnachweises zu befreien.

Diese von Vorgaben befreite und dennoch sehr nahe an den Behörden analysierende Regierungskommission spricht in ihrem Papier Optimierungsbedürfnisse an, die schon länger Gegenstand polizeilicher Forderungen für eine effektivere Bekämpfung von Organisierter Kriminalität sind. Entsprechend gespannt darf man auf die Umsetzung einzelner Ansätze nicht nur in Nordrhein-Westfalen blicken.

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