Innere Sicherheit und Lebensqualität

Massenveranstaltungen in Zeiten realer terroristischer Bedrohungen

7 Qualifizierung für Veranstaltungsordnungsdienste – Abgrenzung von Ordnung und Sicherheit

Die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung von Veranstaltungen wird ein immer wichtigeres Aufgabengebiet für private Sicherheitsdienste. Die Zunahme von Großveranstaltungen und vor allem auch das immer höhere Konflikt- und Risikopotenzial sind große Herausforderungen für die Unternehmen. Im Interesse unserer Mitgliedsunternehmen hat der BDSW einen Arbeitskreis Veranstaltungsordnungsdienst (VOD) gegründet mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit der Unternehmen nachhaltig zu steigern. Aufgrund der widersprüchlichen Rechtslage war es zunächst wichtig, eine klare Definition und eine Trennung der ordnungsdienstlichen und sicherheitsrelevanten Tätigkeiten vorzunehmen. Wir haben Vorschläge für eine realisierbare und effiziente Ordnungstätigkeit auf Veranstaltungen erarbeitet – immer vorausgesetzt, dass Ordnungs- und Sicherheitsaufgaben von kompetenten Unternehmen durchgeführt werden, die mit professionell geschultem und eingewiesenem Personal arbeiten.

Der Gesetzgeber verlangt zwar in der Muster-Versammlungsstättenverordnung den Einsatz von Ordnungsdiensten, hat diese aber nicht ausreichend definiert. In der Praxis werden die Begriffe „Ordnung“ und „Sicherheit“ häufig synonym verwendet. Dabei werden die gewerberechtlichen Grundlagen ausgeblendet. Es muss klargestellt werden, dass es sich bei reinen Ordnungsdienstaufgaben nicht um Sicherheitstätigkeiten handelt, sie daher nicht den gewerberechtlichen Grundlagen des § 34a GewO unterliegen. Der BDSW hat aus diesem Grund eine punktgenaue Definition des VOD erarbeitet: „Veranstaltungsordnungsdienst führt durch, wer als Mitarbeiter eines Bewachungsunternehmens gemäß § 34a der Gewerbeordnung eine der folgenden Tätigkeiten im Rahmen einer Veranstaltung ohne die Übertragung des Hausrechts durch den jeweiligen Veranstalter durchführt und dabei nicht selbstständig handelt, sondern engmaschig durch einen Supervisor/Bereichsleiter geführt wird und nicht einer Erlaubnis nach § 34a Gewerbeordnung bedarf. Umfasst sind die folgenden Tätigkeiten:

  • Kartenabriss und Platzanweisung
  • Ansprache zum Freihalten von Gängen in Stuhlreihen oder Mundlöchern
  • Kartenkontrolle an Zuschauer-Blöcken/-Bereichen
  • Kontrolle von Akkreditierungen (Zutrittsberechtigung ähnlich Ticket)
  • Steuerung von Menschenströmen durch Information
  • Zufahrtskontrolle auf Akkreditierung
  • Evakuierungshelfer
  • Mengenkontrolle der Bereiche
  • Bergen von hilfsbedürftigen Personen
  • Lenkung des ruhenden und fließenden Verkehrs auf dem Veranstaltungsgelände
  • Freihalten von Flucht- und Rettungswegen“

Vor dem Hintergrund dieser Definition wird deutlich, dass die Mitarbeiter im VOD nicht der Unterrichtung oder Sachkundeprüfung nach dem Gewerberecht bedürfen. Stattdessen muss eine tätigkeitsspezifische, einheitliche und vergleichbare Qualifizierung geschaffen werden, damit die Mitarbeiter auf ihre Tätigkeit ausreichend vorbereitet werden.

Die auf VOD spezialisierten Mitgliedsunternehmen des BDSW verfügen über eine außergewöhnlich große Erfahrung in der Betreuung von verschiedenen Events aller Größenordnungen. Dabei geht es um Einsätze in den drei Fußballligen, bei großen Open-Air-Festivals mit internationalen Top Acts oder um Stadtfeste, Umzüge oder exklusive VIP-Events. Die Dienstleister für VOD unterstreichen ihren eigenen hohen Anspruch an die Qualität der Serviceleistungen durch regelmäßige Weiterbildungen und spezielle Trainingseinheiten. Durch die größtenteils eigenverantwortlich organisierte Ausbildung ist es so möglich, eine große Zahl an veranstaltungserfahrenen und gut ausgebildeten Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen. Für die sicherheitsrelevanten, aber auch für die zur Veranstaltungsbetreuung erforderlichen Service- und Ordnertätigkeiten finden zudem regelmäßige Schulungen unter Berücksichtigung gesetzlicher Vorgaben statt. Die hausinternen Schulungen stellen sicher, dass die Mitarbeiter im VOD auf die verschiedenen Tätigkeiten optimal vorbereitet sind. Dazu gehört auch, dass auf Schlüsselpositionen in der Veranstaltungsbetreuung mehrsprachiges Personal eingesetzt wird. Grundsätzlich werden die Mitarbeiter während der Veranstaltungen von sehr gut ausgebildeten Einsatzleitern eng geführt und können auf modernste Einsatzmittel zugreifen.

Da es sich aber um unternehmensinterne, nicht normierte Schulungen handelt, ist nicht sichergestellt, dass alle Unternehmen diese in gleichem Umfang und mit den gleichen inhaltlichen Schwerpunkten durchführen. Wenn man aber davon ausgeht, dass die Mitarbeiter, wie oben dargestellt, nicht unter die bewachungsrechtlichen Regelungen fallen und daher nicht den Zulassungsvoraussetzungen unterliegen, muss eine einheitliche Qualifizierung geschaffen werden, damit alle Mitarbeiter in diesem Bereich auf dem gleichen Stand sind.

Dies betrifft, wie bereits festgestellt, nicht die Mitarbeiter im Veranstaltungssicherheitsdienst, da diese unter den Bereich der Bewachungsdienstleistungen fallen, die gesetzlich durch den § 34a GewO in Verbindung mit der Bewachungsordnung geregelt werden. Der VOD dagegen umfasst eine Vielzahl von speziellen Tätigkeiten, die sich auf die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Veranstaltungen beziehen.

Im Mittelpunkt einer solchen Qualifizierung müssen daher veranstaltungsspezifische Inhalte stehen, wie die Dynamik von Menschenmassen, Psychologie zur Führung von größeren Menschengruppen, Deeskalation von Menschenmassen und das Zusammenwirken von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten und anderen am Logistikprozess einer Veranstaltung beteiligten Organisationseinheiten. Solche Inhalte werden im Rahmen der Unterrichtung gemäß § 34a GewO nicht behandelt. Wegen der inhaltlichen Unterschiede und der sehr speziellen Inhalte ist die Integration des VOD in den § 34a GewO auch nicht angeraten.

Etablierte VOD-Dienstleister mahnen schon seit Jahren, dass Veranstaltungsdienstleistungen zukünftig nicht weiter auf Sicherheitstätigkeiten gemäß des § 34a GewO reduziert werden dürfen. Sie haben deshalb, wie oben erwähnt, begonnen, eigene Qualifizierungsmaßnahmen zu entwickeln und diese nun unter dem Dach des AK VOD des BDSW zu einer eigenen Systematik zusammenzubringen. Hier werden die Tätigkeitsbereiche der einzelnen Mitarbeiter bei einer Veranstaltung definiert und aus den firmenspezifischen Qualifizierungsmaßnahmen die Kenntnisse, Erfahrungen und das komplexe Wissen zusammengeführt. Im Ergebnis wurde ein Schulungs- und Weiterbildungskonzept als Alternative zu § 34a GewO in Qualifizierung und Zertifizierung von Mitarbeitern entwickelt. Das so vermittelte und nachweislich geprüfte Wissen dient in Verbindung mit der Praxiserfahrung der vor Ort eingesetzten Mitarbeiter dem Wohl der Veranstaltungsbesucher.

Im Gegensatz zum Unterrichtungsverfahren nach § 34a GewO wird dieses Schulungskonzept für VOD-Dienste praxisnah und auf die jeweilige Tätigkeit zugeschnitten sein. Das Qualifizierungs- und Zertifizierungskonzept sieht die Vermittlung von allgemeinem Know-how sowie speziellem Fachwissen für die verschiedenen Tätigkeitsbereiche auf einer Veranstaltung vor. Dadurch ist gewährleistet, dass alle eingesetzten Mitarbeiter über die notwendigen Kenntnisse und das Wissen der Abläufe einer Veranstaltung verfügen und dieses auch entsprechend umsetzen können.Damit können die teilnehmenden VOD-Dienstleister nachweislich sowohl im VOD als auch in sicherheitsrelevanten Positionen jeweils passend qualifiziertes und geschultes Personal einsetzen. Die Umsetzung des Qualifizierungskonzepts wird derzeit vom AK VOD vorangetrieben. Eine entsprechende Online-Plattform wurde bereits erarbeitet, auch die Inhalte stehen größtenteils fest. Über die rechtliche Umsetzung und die Finanzierung wird der AK VOD im Laufe dieses Jahres entscheiden.

8 Beiträge der Sicherheitsforschung

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert im Rahmen seines Sicherheitsforschungsprogramms (www.sifo.de) mehrere Projekte, die sich explizit mit dem Schutz von Veranstaltungen beschäftigen. Das von der Hochschule der Polizei initiierte Projekt SiKomFan unter Leitung von Thomas Kubera soll die Kommunikation der beim Schutz von Fußballspielen beteiligten Sicherheitsakteure verbessern. Langfristig sollen die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl der Besucher von Fußballspielen verbessert werden. Das Praxishandbuch „Sicherheit und Kommunikation bei Fußballgroßveranstaltungen - Praxishandbuch für Akteure im Netzwerk der Sicherheitsgewährleistung“ ist vor kurzem im Richard Boorberg Verlag in Stuttgart erschienen.Die Ergebnisse von SikomFan sind in das Projekt des DFB „Leitfaden für die Arbeit und Übung mit Koordinierungsgruppen“ eingeflossen. Dieser Leitfaden wurde erstmals im August 2017 den Sicherheitsbeauftragten der ersten drei Ligen vorgestellt.

Der Lehrstuhl von Prof. Fiedrich für Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit an der Bergischen Universität Wuppertal beschäftigt sich seit einigen Jahren mit dem Gefahrenpotenzial von Großveranstaltungen. Im Verbundprojekt „BaSiGo – Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen“ (2012 – 2015) wurden unter Einbeziehung sämtlicher bedeutsamer Akteure die sicherheitsrelevanten Schwachstellen über den gesamten Veranstaltungszyklus identifiziert, um bessere Lösungen zu finden und auch eher weniger erfahrenen Veranstaltern und anderen Akteuren im Eventbereich Unterstützung bieten zu können. Ein herausragendes Projektergebnis aus drei Jahren Forschungs- und Entwicklungsarbeit ist der „BaSiGo-Guide“2. Dieser Guide stellt den aktuellen Wissensstand zur Sicherheit bei Großveranstaltungen dar und soll den Bevölkerungsschutz in diesem Bereich deutlich voranbringen.

An der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bad Neuenahr-Ahrweiler wird seit einigen Jahren regelmäßig das Seminar „Interdisziplinäre Grundlagenausbildung zur Sicherheit bei Großveranstaltungen“ angeboten. Damit soll der inzwischen erreichte Wissensstand an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vermittelt und diskutiert werden.