Innere Sicherheit und Lebensqualität

Massenveranstaltungen in Zeiten realer terroristischer Bedrohungen

5 Der Schutz von Bundesligaspielen

Die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland im Jahr 2006 hat zu einem nachhaltigen Umdenken beim Schutz von Bundesligaspielen geführt. Zu unterschiedlich und teilweise wenig professionell waren vorher die Anforderungen an die Sicherheitskräfte durch die Bundesligavereine. Die FIFA als Veranstalter der WM 2006 forderte eine einheitliche Qualifizierung der Ordner in allen WM-Stadien, diese musste vom DFB umgesetzt werden. Es wurde deutlich, dass der Schutz von Fußballspielen auch von privaten Sicherheitskräften erfolgreich geschützt und dadurch die Polizei wirksam entlastet werden kann.

Der Schutz von Fußballspielen hat durch die Attentate in Paris während des Länderspiels zwischen Frankreich und Deutschland 2015 leider eine unerwartete Dimension erlangt. Die wenig später erfolgte Absage des Länderspiels gegen die Niederlande in Hannover zeigte die Unsicherheit der Polizei und der Veranstalter. Beim Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und England am Ostersamstag 2016 im Olympiastadion in Berlin waren über 1 200 Polizisten und 1 000 private Sicherheitskräfte im Einsatz. Erstmals kamen Körperscanner wie an den Verkehrsflughäfen zum Einsatz.

Es ist den Bundesligavereinen überlassen, ob sie vereinseigene Ordner oder private Sicherheitskräfte einsetzen. Daraus ergeben sich deutliche Kostenunterschiede. Die vereinseigenen Ordner sind nicht verpflichtet, den Nachweis über die Teilnahme am Unterrichtungsverfahren einer Industrie- und Handelskammer zu erbringen. Dies verzerrt den Wettbewerb, weil bei den privaten Sicherheitsdiensten das Unterrichtungsverfahren bzw. die Sachkundeprüfung zwingend vorgeschrieben ist. In den meisten Stadien sind inzwischen zwar private Sicherheitsdienste im Einsatz, häufig gibt es aber „Mischmodelle“. Vereine, die grundsätzlich auf eigene Ordnungskräfte setzen, müssen häufig bei „Risikospielen“ ergänzend auf private Sicherheitsdienste zurückgreifen. Die Bundesligavereine von Hannover 96 und Werder Bremen haben gemeinsam mit einem örtlichen privaten Sicherheitsdienstleister eine rechtlich selbstständige Sicherheitsgesellschaft gegründet. Damit ist eine besonders enge Verzahnung zwischen Verein und Sicherheitsunternehmen gegeben.

Fußballspiele der drei Bundesligen können heute ohne den Schutz durch private Sicherheitsdienste nicht mehr durchgeführt werden. Dieses Geschäftsfeld hat in den letzten zehn Jahren eine immer wichtiger werdende Bedeutung für spezialisierte Mitgliedsunternehmen des BDSW erhalten. Bis zu 13 000 private Sicherheitskräfte pro Spieltag sorgen in den ersten drei Bundesligen für Schutz und Sicherheit der Besucher in den Bundesligastadien. Hinzu kommen ca. 5 000 vereinseigene Sicherheits- und Ordnungsdienstmitarbeiter, für die die gewerberechtlichen Voraussetzungen nicht gelten. Die Sicherheits- und Ordnungskräfte schützen pro Jahr über 21 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer in den Stadien, damit diese das Spiel genießen können. In den letzten fünf Jahren hat sich das Anforderungsprofil an die Ordnungsdienste stark verändert. Dazu haben die Sicherheitslage in und um die Stadien sowie die politischen Rahmenbedingungen entscheidend beigetragen. Unter Leitung des Sicherheitsbeauftragten des DFB, Hendrik Große Lefert, wurden die DFB-Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesligaspielen in den letzten Jahren deutlich verändert. Aber auch der DFB ist an seine satzungsgemäßen Aufgaben gebunden und kann nicht autonom entscheiden.

Um die Qualität von Sicherheits- und Ordnungsdiensten weiter zu verbessern, haben in einer Projektgruppe von DFB und BDSW Vertreter der Vereine und von qualifizierten Sicherheitsdiensten ein einheitliches Qualifizierungskonzept für private Sicherheitsdienste entwickelt. Damit soll die Sicherheit in Stadien weiter verbessert und der aktuellen Gefährdungslage angepasst werden. Unser gemeinsames Ziel ist es, mit dieser veranstaltungsspezifischen Qualifizierung das völlig untaugliche Unterrichtungsverfahren in den Unterrichtungsräumen einer Industrie- und Handelskammer zu ersetzen.


Einlasskontrollen durch Einsatzkräfte der Sicherheitswirtschaft.

In den letzten Jahren wurden vielfältige Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheitslage in den Bundesligastadien ergriffen. Die Leistungsfähigkeit der eingesetzten privaten Sicherheitsdienste wird sukzessiv verbessert und entlastet damit auch die Polizei. Der Schutz von Fußballspielen ist immer ein Zusammenspiel vieler Akteure. Dazu gehören der Veranstalter, die kommunalen Ordnungsbehörden, die Rettungsdienste, die Fangruppen, die Polizeien der Länder und des Bundes aber auch private Sicherheitsdienste.

6 Innenministerkonferenz zum Schutz von Veranstaltungen

Die Innenministerkonferenz (IMK) hat in der Fortschreibung des Programms „Innere Sicherheit“ 2008/2009 erstmals eindeutig darauf hingewiesen, dass private Sicherheitsdienste ein wichtiger Bestandteil der Sicherheitsarchitektur in Deutschland sind. Gleichzeitig wurde eine verbindliche Zertifizierung von privaten Sicherheitsdiensten gefordert. Zur Konkretisierung dieser Überlegungen wurde eine Projektgruppe „Zertifizierung von Unternehmen im privaten Sicherheitsgewerbe“ beauftragt. Die im Abschlussbericht gemachten Vorschläge waren jedoch unzureichend und wurden auch nicht weiter verfolgt. So wird z. B. zwischen Veranstaltungen und Großveranstaltungen mit mehr als 5 000 Besucherplätzen unterschieden. Die Anforderungen an Sicherheitsdienstleistungen müssen sich an den von der Veranstaltung ausgehenden Gefahren und Risiken orientieren. Diese können bei einer kleinen Veranstaltung mit brisantem politischen Hintergrund oder risikobehafteten Personen größer sein als bei einem friedlichen Pop-Konzert mit 6 000 Besuchern. Im Rahmen einer Gefahrenanalyse sollte daher im Vorfeld geklärt werden, welchen Umfang die Sicherheitsmaßnahmen haben sollten. Dabei ist zu unterscheiden zwischen „unkritischen“ und „kritischen“ Veranstaltungen. Die geforderte Vorhaltung zusätzlicher Kräfte in Führungs- und Einsatzmittel als Reserve ist für private Sicherheitsdienste ungeeignet. Wenn es sich um eine kritische Veranstaltung handelt, so müssen durch entsprechende Vorgaben durch die Veranstalter private Sicherheitsdienstleister mit ausreichendem Personal von Beginn der Veranstaltung an vorhanden sein. Private Sicherheitsdienste sind nicht mit polizeilichen Einsatzkräften vergleichbar. Bei (Groß-)Veranstaltungen kommen die privaten Sicherheitskräfte aus einem Umkreis von bis zu 100 km. Sollte sich im Laufe der Veranstaltung die Notwendigkeit einer Zuführung von Ressourcen erweisen, so ist dies nicht möglich. Durch Vorgaben und Auflagen muss der Auftraggeber bereits vor Beginn der Veranstaltung verpflichtet werden, eine entsprechende Personalstärke für eine sichere Veranstaltung anzufordern.

Außerdem fordert die Projektgruppe, dass über 50 % der Beschäftigten mindestens zehn Verwendungen bei Veranstaltungen bzw. Großveranstaltungen nachweisen müssen. Dies ist für uns nicht praktikabel und würde zu einem bürokratischen Mehraufwand führen. Wie sollen diese Verwendungen des einzelnen Mitarbeiters nachgewiesen werden? Ein Mitarbeiter kann bei Großveranstaltungen in den unterschiedlichsten Verwendungen eingesetzt werden, die aber nicht zwangsläufig auf einen Einsatz mit Personenkontakten im Ordnungsdienst vorbereiten. Dies ist weder sachgerecht noch praktikabel. Im Unterschied dazu halten wir die Vorgabe, dass Führungskräfte bei einer entsprechenden Verantwortung mindestens bei zehn Großveranstaltungen bzw. Veranstaltungen eingesetzt waren, für sachgerecht und auch notwendig.

Auch nach der Vorlage des genannten Abschlussberichts hat sich die IMK mehrfach mit der Qualifizierung der Sicherheits- und Ordnungsdienste in den Stadien beschäftigt. Die Vereine bzw. die Deutsche Fußballliga wurden mehrfach aufgefordert, die Qualität der Ordnerdienste nachhaltig zu verbessern. Dies hat dazu geführt, dass alle Profivereine inzwischen hauptamtliche Sicherheitsbeauftragte haben. Das Lizenzierungsverfahren definiert Anforderungen an deren Qualifikation und verlangt regelmäßige Teilnahmen an Fortbildungsmaßnahmen.

Auf der 198. Sitzung am 4. und 6. Dezember 2013 in Osnabrück forderte die IMK in ihrer Beschlussniederschrift, dass der Ordnerdienst bei Großveranstaltungen Gegenstand des Sachkundenachweises von dort eingesetztem Sicherheitspersonal werden muss. Es wird weder zwischen Ordnungs- und Sicherheitsdiensten noch zwischen vereinseigenen Ordnern/Sicherheitskräften und denjenigen von privaten Sicherheitsdiensten unterschieden.

Außerdem ist die IMK der Auffassung, dass die DIN-Norm 77200 „Sicherungsdienstleistungen – Anforderungen“ die Grundlage einer qualitätssichernden Zertifizierung privater Sicherheitsunternehmen bilden kann und öffentliche Auftraggeber künftig grundsätzlich nur noch Unternehmen beauftragen sollten, die von akkreditierten Zertifizierungsstellen zertifiziert worden sind. Eine gesetzlich geforderte Zertifizierung, zumal einer deutschen Norm, ist rechtlich nicht zulässig. Leider muss festgestellt werden, dass die mehrfache Beschäftigung der Innenminister von Bund und Ländern mit privaten Sicherheitsdiensten und dem Schutz von Veranstaltungen äußerst oberflächlich und teilweise auch falsch war. Der BDSW hat sich in den letzten Jahren intensiv mit dieser Thematik beschäftigt. Wir wollen die Leistungsfähigkeit der eingesetzten privaten Sicherheitskräfte weiter erhöhen, um damit der aktuellen Gefährdungslage gerecht zu werden.