Kriminalität

Die Tatortuntersuchung

3.6 Kriminaltechnische Spurensicherung

Die kriminaltechnische Spurensicherung und Sicherstellung von Beweisgegenständen erfolgt zeitlich nach der verbalen Beschreibung und der fotografischen Sicherung.11 Ziel ist es, die Einzelspur in Abhängigkeit von ihrer Art und Größe, der Art des Spurenträgers mit dem günstigsten, ihren Informationsgehalt am ehesten bewahrenden kriminaltechnischen Verfahren zu sichern. Die Sicherungsart und Sicherungsverfahren sind zu dokumentieren. Man unterscheidet die Spurensicherungsverfahren allgemein in: 12

  • Abformungsverfahren (z.B. zur Sicherung von Schuheindruckspuren, von Werkzeugspuren),
  • Folienabzüge (z.B. zur Sicherung von daktyloskopischen Spuren, Schuhabdruckspuren, Faserspuren),
  • Fotografische, videografische Sicherungsverfahren,
  • Sicherung im Original durch Mitnahme (z.B. Beweisgegenstände, Sicherung mit dem Spurenträger).

3.7 Verpackung und Beschriftung

Die Verpackung der Spur erfolgt mit dem Ziel, sie für das Beweisverfahren vorzuhalten und so zu kennzeichnen, dass sie eindeutig zugeordnet werden kann. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wird die Spur zur Auswertestelle versandt. Zu beachten ist:

  • Die Verpackung der gesicherten Spuren hat so zu erfolgen, dass eine Spurenzerstörung oder -veränderung ausgeschlossen ist. Dies ist besonders bei Spuren zu berücksichtigen, die einer natürlichen Veränderung (z.B. Fäulnis, Verwesung, chemische Reaktionen bei Substanzen) unterliegen.
  • Die Verpackung ist eindeutig zu beschriften (z.B. mittels Barcode, Strichcode). Als Angaben müssen enthalten sein:
    • die Vorgangsnummer,
    • die Spurennummer (die in allen Protokollen, Zeichnungen und Skizzen dieselbe ist),
    • die Art der Spur,
    • der Tatort und der Fundort der Spur,
    • Datum, Uhrzeit, Name des Spurensichernden,
    • der Name von Geschädigten oder Beschuldigten,
    • die sachbearbeitende Dienststelle.
  • Jede Spur ist separat zu verpacken.
  • Der Transport der Spuren ist so vorzunehmen, dass keine Beschädigungen auftreten und dass die Spuren untereinander nicht in Kontakt kommen können.

3.8 Beschaffen von Vergleichsmaterial

In Abhängigkeit von den gesicherten Spuren ist festzustellen, ob und von wem, welches Vergleichsmaterial gewonnen werden muss. Ziel der Abnahme von Vergleichsmaterial ist es, durch eine kriminaltechnische Untersuchung gesicherte Spuren dem Ereignis zuzuordnen bzw. sie als irrelevant zu klassifizieren.

Vergleichsmaterialien können sich auf die am Tatort vorgefundenen Bedingungen (z.B. Sicherung von Bodenspuren als Vergleichsmaterial) und auf Personen, die als Spurenverursacher in Frage kommen (z.B. Schuhabdruckspuren, daktyloskopische Spuren von tatortberechtigten Personen, Blut vom Opfer) beziehen. Als rechtliche Grundlage für die Abnahme von Vergleichsmaterial von Personen gelten die §§ 81a - h StPO.

  • Methodisch ist wie folgt vorzugehen:
  • Die Sicherung des Vergleichsmaterials ist zu dokumentieren. Es ist festzuhalten:
    • die Art des Vergleichsmaterials,
    • der Zeitpunkt der Sicherung des Vergleichsmaterials,
    • der Ort der Abnahme des Vergleichsmaterials,
    • von wem das Vergleichsmaterial stammt,
    • der die Abnahme durchführende Ermittlungsbeamte.
  • Das Vergleichsmaterial ist nach den gleichen Grundsätzen wie das Spurenmaterial zu sichern, zu verpacken und zu beschriften. Verwechselungsmöglichkeiten des Vergleichsmaterials untereinander oder mit Spurenmaterial müssen ausgeschlossen werden.
  • Es ist nicht immer erforderlich, Vergleichsmaterial unmittelbar am Tatort zu nehmen. Eine spätere erkennungsdienstliche Behandlung der in Frage kommenden Personen wie Tatortberechtigte, Zeugen, hilfeleistende Personen, eingesetzte Ermittlungsbeamte oder auch Beschuldigte kann den Untersuchungszweck ebenso erfüllen. Hier zeigt sich die Wichtigkeit der Forderung, dass die Identität aller am Tatort anwesenden Personen festzustellen ist.
  • Die gesicherten Spuren und das Vergleichsmaterial sind mitzunehmen und über die Tätigkeit am Tatort ist eine entsprechende Dokumentation zu fertigen.

3.9 Übergabe an eine Auswertungsstelle

In Abhängigkeit von der kriminaltechnischen Auswertungsmöglichkeit und der Nutzbarkeit als Beweismittel im Verfahren werden die Spuren der jeweiligen Untersuchungsstelle (z.B. LKÄ, gerichtsmedizinische Institute) zugeleitet. Es erfolgt eine Beantragung auf eine kriminaltechnische Untersuchung des Spurenmaterials.

4 Operative Spurenauswertung

Die operative Spurenauswertung ist Bestandteil der Tatortuntersuchung. Inhalt ist die zusammenhängende Beurteilung der Informationen und sachlichen Beweismittel, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen über die Vorbereitung und die Planung der Tat sowie das Tatgeschehen und den Handlungsablauf.

Der Charakter der Spurenauswertung13 ist

  • diagnostischer Natur, das bedeutet, dass die Gruppenzugehörigkeit eines Objektes und individuelle Merkmale festgestellt werden und
  • identifikatorischer Natur, das bedeutet, dass erste Identifizierungsaufgaben (z.B. Ausschluss Tatortberechtigter) gelöst werden.

Die Ziele der Spurenauswertung bestehen darin:

  • die vorgefundenen sachlichen Beweismittel hinsichtlich ihrer Relevanz zu prüfen,
  • Widersprüche in den sachlichen Beweismitteln erkennen und ihre Ursachen feststellen,
  • Anhaltspunkte für Versionsbildung und Untersuchungsplanung zu finden,
  • Anhaltspunkte für die Feststellung weiterer Spuren zu gewinnen,
  • Anhaltspunkte für die Beschaffung von Vergleichsmaterial zu erhalten,
  • Anhaltspunkte für den Ausschluss von Tatortberechtigten festzustellen,
  • Präzisierungen der Sachverständigenanforderung vorzunehmen,
  • neue Ermittlungsrichtungen festzulegen,
  • Anhaltspunkte für fahndungsrelevante Informationen zu gewinnen.

Ergeben sich aus dieser operativen Spurenauswertung keine weiteren Anhaltspunkte, so ist die Tatortuntersuchung vorläufig zu beenden, die Vorläufigkeit bezieht sich auf Ergebnisse der Ermittlungen im Wahrnehmbarkeitsbereich, die u.U. neue Ansatzpunkte für die Tatortuntersuchung bringen können.

Anmerkungen

  1. Prof. Dr. Holger Roll lehrt im Fachbereich Polizei der FHöVPR des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Der vorliegende Beitrag baut auf den Fachaufsätzen „Grundlagen der kriminalistischen Tatortarbeit“ in der „Kriminalpolizei“ 4/2017, S. 8 ff. und „Methodische Grundlagen der Tatortarbeit in der „Kriminalpolizei“ 1/2018, S. 11 ff. auf.
  2. Vgl. (Ackermann, Clages, & Roll, Handbuch der Kriminalistik, 4. Auflage, 2011), S. 120.
  3. Vgl. (Ackermann, Clages, & Roll, Handbuch der Kriminalistik, 4. Auflage, 2011), S. 121.
  4. Vgl. (Leonhardt, Roll, & Schurich, 1995), S. 97/98.
  5. (Leonhardt, Roll, & Schurich, 1995), S. 103.
  6. Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 100.
  7. (Roll, 2013), S. 104.
  8. Vgl. (Ackermann, Clages, & Roll, Handbuch der Kriminalistik, 4. Auflage, 2011), S. 128.
  9. Vgl. Arnd 2006, S. 198 oder Weiß, Rösner, 2006, S. 212.
  10. Vgl. (Roll, 2013), S. 107.
  11. An dieser soll keine ausführliche Darstellung der möglichen Spurensicherungsverfahren erfolgen. Verwiesen wird auf entsprechende Fachliteratur, z.B. (Frings & Rabe, Grundlagen der Kriminaltechnik I, 2011); (Frings & Rabe, Grundlagen der Kriminaltechnik II, 2011) oder die Standards der sichernden KT (abrufbar über die landespolizeilichen Informationssysteme).
  12. An dieser Stelle soll keine ausführliche Darstellung der möglichen Spurensicherungsverfahren erfolgen. Verwiesen wird auf entsprechende Fachliteratur, z.B. (Frings & Rabe, Grundlagen der Kriminaltechnik I, 2011); (Frings & Rabe, Grundlagen der Kriminaltechnik II, 2011); (Zirk & Vordermaier, 1998).
  13. Vgl. (Leonhardt, Roll, & Schurich, 1995), 1995, S. 33.
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