Kriminalität

Die Tatortuntersuchung

3.1 Erkennen von Spuren

Das Erkennen von Spuren beruht auf den psychologischen Grundlagen der Wahrnehmung und der gedanklichen Verarbeitung der Wahrnehmungsinhalte. Vorrangig sind es optische, akustische und u.U. Geruchswahrnehmungen, die für der Tatortarbeit von Bedeutung sind. Diese Wahrnehmungen sind abhängig von der Kenntnis über den Entstehungsmechanismus der jeweiligen Spur (Erkennen von spurentragenden Bereichen in Abhängigkeit von der Begehungsweise) und von der Wahrnehmungsfähigkeit. Um die Wahrnehmungsfähigkeit zu erhöhen empfiehlt es sich, Hilfsmittel (z.B. optische Geräte, Licht) zu verwenden, insbesondere um latente Spuren sichtbar zu machen. Mit dem Erkennen von Spuren erfolgen eine Relevanzprüfung der Spur und ein Einordnen/Zuordnen in den Tatzusammenhang. Durch das Wahrnehmen und Erkennen der Spuren wird eine erste Einteilung in tatrelevant bzw. tatirrelevant vorgenommen.

3.2 Fotografie der unbeeinflussten Spur

Die fotografische Aufnahme der unbeeinflussten Spur ist durchzuführen, um zu dokumentieren, wie die Spur vor der Anwendung von Sicherungsverfahren aussieht und welche Eigenschaften sie widerspiegelt. Es besteht durch die Anwendung von Sichtbarmachungsverfahren und der kriminaltechnischen Sicherung die Gefahr, dass eine Spur beschädigt oder vernichtet wird. Mit einer fotografischen Aufnahme vor der eigentlichen Sicherung, wird die Möglichkeit geschaffen, auch bei anschließender Zerstörung der Spur diese auszuwerten.

3.3 Kennzeichnung/Nummerierung der Spur

Die erkannte Spur wird mittels Nummerntafel gekennzeichnet.

Methodisch gilt es dabei Folgendes zu beachten:

  • Eine einmal gewählte Kennzeichnung ist konstant beizubehalten, d.h. in den Dokumenten der Tatortarbeit (z.B. Spurensicherungsbericht, Tatortbefundbericht, Antrag auf kriminaltechnische Untersuchung) ist ein und dieselbe Bezeichnung zu nutzen.
  • Die Kennzeichnung der Spuren kann mit fortlaufender Nummer erfolgen. Bei größeren Tatorten empfiehlt es sich, eine Strukturierung des Tatortes vorzunehmen. Die einzelnen Bereiche des Tatortes sind zu bezeichnen (z.B. numerisch, alphanumerisch) und dieser Bezeichnung ist dann die jeweilige Spurennummer zuzuordnen.
  • Alle gekennzeichneten Spuren sind zu fotografieren (Übersichts-, Teilübersichts-, Spurenaufnahmen).

3.4 Verbale Erfassung/Beschreibung

Die Beschreibung der einzelnen Spur erfolgt nach den gleichen Grundsätzen wie die Tatortbeschreibung insgesamt.

Für die Beschreibung der Spur gilt es folgende Parameter zu erfassen:

  • die Nummer der Spur,
  • die Art der Spur,
  • der Auffindeort,
  • der Spurenträger,
  • äußere Merkmale der Spur (z.B. Größe, Form, Farbe),
  • Besonderheiten (z.B. Lage der Spur, Fremdsubstanzen in der Spur).

Diese Beschreibung ist dann auch Grundlage für die Speicherung der Informationen im anzufertigenden Spurensicherungsbericht oder Tatortbefundbericht. Die Beschreibung wird wie folgt durchgeführt:

  • Die Spuren sind in ihrer Lage zueinander und zu am Tatort vorhandenen Objekten zu vermessen.
  • Die Erfassung kann schriftlich oder per Tonaufzeichnung erfolgen, die später in eine Protokollform übertragen wird.
  • Die Beschreibung der Spur kann durch eine Zeichnung oder Skizze dieser ergänzt werden. Diese Form der Aufzeichnung hat ausschließlich Hinweischarakter z.B. für Such- und Fahndungsmaßnahmen.

3.5 Fotografieren/Videografieren

Die Fotografie/Videografie ist eine erste Dokumentations- und Sicherungsmethode von Spuren. Sie erfolgt so, dass die Spur, die entsprechende Kennzeichnung und der Maßstab auf der jeweiligen Abbildung erkennbar sind. Maßstab und Kennzeichnung müssen für alle Dokumente einheitlich erfolgen. Maßstab und Spuren haben sich bei der fotografischen Aufnahme auf einer Ebene zu befinden. Alle Spuren sind zu fotografieren. In Ausnahmefällen können Spuren auch gezeichnet oder skizziert werden. Die Gesamtspurensituation ist zu dokumentieren. Man unterscheidet in der Tatortfotografie8 folgende Aufnahmen:

  • Orientierungsaufnahmen: Sie geben einen Überblick über die Lage des Tatortes zu seiner Umgebung. Eine solche Orientierungsaufnahme ist bei großflächigen Tatorten auch aus der Luft möglich. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass beim Einsatz eines Hubschraubers in geringer Höhe durch Luftwirbel eine Veränderung der Spurensituation am Tatort möglich ist. Denkbar wäre auch ein Einsatz von „Drohnen“ zur Anfertigung von Orientierungsaufnahmen.
  • Übersichtsaufnahmen: Sie erfassen den eigentlichen Tatort in seinem gesamten Umfang. Abgebildet wird hier auch die gesamte Spurenlage.
  • Teilübersichtsaufnahmen: Sie werden gefertigt, um einen präzisen Überblick über Teilbereiche des Tatortes zu erhalten.
  • Spuren-/Detailaufnahmen: Dies sind Aufnahmen einzelner relevanter Spuren und Gegenstände oder Ausschnitte von ihnen, die im Zusammenhang mit dem Ereignis bestehen. Es empfiehlt sich von diesen Detailaufnahmen zwei zu fertigen, um die Lage der Spur auf dem Spurenträger zu dokumentieren und die Spur selbst abzubilden.

Neuere Aufnahmeverfahren9 ermöglichen den Tatort als Gesamtheit (360° oder 180°-Aufnahmen) zu fotografieren (z.B. 3-D-Scannen des Tatortes oder andere technische Bildmessverfahren).10 Nach Beendigung der Tatortarbeit steht somit ein „virtueller“ Tatort zur Verfügung.

Neben diesen Aufnahmeverfahren wird auch die Videografie zur Dokumentation der Tatortsituation eingesetzt. Von Vorteil ist, dass durch die Videoaufzeichnung die Dynamik des Tatortgeschehens (z.B. bei Bränden und Explosionen, schweren Schadensereignissen, Straftaten gegen die Umwelt) festgehalten werden kann. Ebenso ist es günstig, dass neben der Bild- auch eine sofortige Tonaufzeichnung erfolgen kann. Damit werden verbale Beschreibung und Bildaufzeichnung kombiniert. Neben der Funktion des Beweismittels der Videoaufzeichnung erfolgt gleichzeitig auch eine Einsatzdokumentation.

Bildmessverfahren, 3-D-Scannverfahren oder die Videografie ermöglichen im Nachhinein, dass bei Feststellung anderer als der bisher angenommenen relevanten Fakten, diese aktuellen Ermittlungserkenntnisse mit der Situation am Tatort in Beziehung gesetzt werden können. Voraussetzung ist, dass eine allumfassende Dokumentation der Ereignisortsituation erfolgte.