Kriminalität

Die Tatortuntersuchung

2.1 Subjektive Methode

Subjektiv geht man vor, wenn im Ergebnis der Tatortbesichtigung Versionen/Hypothesen zum Tatgeschehen vorhanden sind. Das Ergebnis der gedanklichen Rekonstruktion der Begehungsweise und des Ereignisses muss eine hohe Wahrscheinlichkeit aufweisen, dass sich das Ereignis auch tatsächlich, so wie angenommen, vollzogen hat. Anhand der Version zum Modus operandi wird die Spurensuche auf mutmaßliche spurentragende Bereiche konzentriert.

Unabdingbare Voraussetzungen für die Anwendung dieser Methode sind, dass Kenntnisse vorliegen über:

  • die Anzahl der Täter, die am Tatort gehandelt haben,
  • die psychischen Voraussetzungen des Täters,
  • die Ausführung der Tat,
  • mögliche Zu- und Abgangswege,
  • vorgenommene Veränderungen,
  • spurentragende Bereiche,
  • mögliche latente Spuren und an welchen Orten sie auftreten könnten.

Diese Methode weist Vorteile auf, wie z.B. ihre Effektivität, der geringe Kräfte- und Zeitaufwand, die ganzheitliche Beurteilung der Spurenlage, die Konzentration auf Tat- und Täterspuren, die Möglichkeit, dass Mikrospuren und latente Spuren festgestellt werden können. Nachteile dieser Methode bestehen darin, dass bei Zugrundelegung einer fehlerhaften Version die Gefahr besteht, dass Spuren in falschen Bereichen gesucht und vorhandene Spuren vernichtet werden können. Nicht geeignet ist die Methode, wenn in einem räumlich sehr eng begrenzten Bereich nach Spuren gesucht werden soll. Als Gefahr ist einzuschätzen, dass der Ermittlungsbeamte seine Erfahrungen, sein Wissen zugrunde legt und die Vorstellung eine Rolle spielt, wie er selbst in dieser spezifischen Tatortsituation gehandelt hätte. Diese eigenen Vorstellungen können jedoch völlig verschieden von der tatsächlichen Vorgehensweise des Täters sein, da diese sehr individuell und perönlichkeitsspezifisch sind. „Es genügt also landläufig nicht, sich als Ermittler einfach in die Situation des Täters hineinzudenken, sondern man muss dies tun unter Berücksichtigung der eigenen Psyche und Intelligenz, der eigenen moralischen Intentionen und einer andersartig strukturierten Persönlichkeit. Das setzt voraus, dass der Ermittlungsbeamte Angaben über diese Persönlichkeit im Sinne relativ stabiler Merkmale auch tatsächlich besitzt oder vermutet sowie die situativen psychischen Bedingungen und Abläufe kennt. Dann ist es ihm möglich, die Handlungsziele und -motive des Täters zu erkennen, die sich ihm bietenden Handlungsmöglichkeiten und -alternativen zu analysieren, um daraus Erkenntnisse über das tatsächliche Handeln zu erlangen.“5

Für das Vorgehen nach der subjektiven Methode ist zu beachten:

  • Der Beginn der Spurensuche sollte, an dem Ort erfolgen, den der Täter als erstes betreten hat (Zugangsweg). Als Orientierung für die weitere Suche von Spuren gilt das gedankliche Nachvollziehen der Handlungsweise des Täters. Sollte das nicht möglich sein, empfiehlt es sich den Beginn der Spurensuche zum Abgangsweg zu verlegen und dann rückvollziehend die Spurensuche vorzunehmen.
  • Die Spurensuche erfolgt dort, wo der Täter sicher oder mit hoher Wahrscheinlichkeit gehandelt hat.
  • Durch die gedankliche Rekonstruktion bestehen Kenntnisse zum möglichen Ablauf der Spurenentstehung. Aus diesem Grund sollte auch nach latenten Spuren und Mikrospuren gesucht werden.
  • In den Suchbereich angrenzenden Gebieten dürfen keine Veränderungen vorgenommen werden, damit sie notfalls (falls im Rahmen der Spurensuche sich die zugrunde gelegte Version als falsch erweist) in die Spurensuche mit einbezogen werden können.
  • Abschließend sollten auch andere Bereiche des Tatortes auf weitere Spuren abgesucht werden.

2.2 Objektive Methode

Die Spurensuche erfolgt schematisch nach einem jeweils vorgegebenen Prinzip. Diese Vorgehensweise findet ihre Anwendung dann, wenn verschiedene Faktoren in Kombination oder einzeln gegeben sind. Dazu gehören:

  • sehr wenige Erkenntnisse zum Tatablauf,
  • keine Version zur Vorgehensweise des Täters,
  • relativ große Ausdehnung des Tatortes,
  • konkrete Bewegungskomponenten des Täters sind am Ort nicht nachvollziehbar,
  • Suche ist ausgerichtet ist auf das Auffinden von Gegenständen (z.B. Tatwerkzeuge, Tatmittel, Tatbeute).

Man unterscheidet verschiedene Formen6 der objektiven Vorgehensweise:

  • Spiralförmiges zentripetales Vorgehen: Es erfolgt eine spiralförmige Absuche von der Peripherie zum Zentrum des Tatortes.
  • Spiralförmiges zentrifugalesVorgehen: Die Vorgehensweise beginnt im Zentrum und endet an der Peripherie des Tatortes.
  • Linienförmiges Vorgehen: Das Vorgehen beinhaltet ein sukzessives bzw. paralleles Absuchen in festgelegten Bahnen.
  • DiagonalesVorgehen: Es ist eine Absuche in festgelegten Bahnen von verschiedenen Seiten mit Überkreuzung.
  • Sektorales Vorgehen: Es wird eine Unterteilung des Tatortes in mehrere Abschnitte vorgenommen, in denen nach Spuren gesucht wird. Die Vorgehensweise folgt meist der natürlichen Struktur des Ortes, wobei innerhalb der Abschnitte wieder zentripetal, zentrifugal, linienförmig oder diagonal gesucht werden kann.

Vorteilhaft bei den objektiven Methoden der Spurensuche ist, dass der Tatort sehr gründlich nach Spuren abgesucht wird und somit auch sehr viele Spuren gefunden werden. Das kann sich aber auch nachteilig auswirken, denn es werden durch diese Methode auch Trugspuren erfasst. Hinzu kommt, dass die Spurensuche mit einem relativ hohen Zeit- und Kräfteaufwand verbunden ist. Die Gefahr der Vernichtung von Mikrospuren besteht, da keine Kenntnisse zum Modus operandi vorhanden sind. Methodisch lassen sich für die objektive Suchmethode folgende Hinweise ableiten:

  • zuerst Zuweisung der einzelnen Suchbereiche an die eingesetzten Kräfte,
  • die Suchbereiche sind überlappend festzulegen, um Spurenverluste zu vermeiden,
  • die abgesuchten Bereiche sind eindeutig zu kennzeichnen, um später bei der Dokumentation die nötige Exaktheit zu gewährleisten.

Beide Suchmethodiken werden häufig miteinander kombiniert, um eine optimale Spurensuche zu gewährleisten. Die Methoden sind der jeweiligen Tatortsituation anzupassen.

3 Die Spurensicherung

Die Spurensicherung umfasst einen Prozess vom Erkennen bis zur operativen Nutzung bzw. der Auswertung der Spur. Ziel der Spurensicherung ist es, Sachbeweise so zu sichern, dass sie für das Verfahren nutzbar gemacht werden können und ihr Beweiswert in das Verfahren eingebracht werden kann.