Deutsche Dschihad-Bräute und IS-Kriegerinnen
Von Prof. Dr. Herbert Csef, Würzburg
1 Neue Rekrutierungsstrategien des IS
Die Zahl der IS-Kämpfer ist zwischen 2011 und 2014 massiv angestiegen. Nach Schätzungen waren es im Jahr 2011 noch 4000 IS-Kämpfer, Mitte 2014 bereits 80 0001. Mittlerweile hat sich die Rekrutierungsstrategie des IS geändert. Gefragt ist nun das weibliche Geschlecht, wobei minderjährige Mädchen aus Europa offensichtlich sehr begehrt sind. In der jetzigen Phase bemüht sich der IS vermehrt um den Aufbau als Staatsgebilde, also um die Etablierung des gepriesenen neuen Kalifats. Für diese Aufbauarbeiten haben europäische Mädchen und Frauen eine wichtige Funktion als Ehe- und Sexualpartnerinnen, Mütter für den IS-Nachwuchs, stützende Kräfte in sozialen Berufen (Ärztinnen, Krankenschwestern, Lehrerinnen), Expertinnen in Organisation und Verwaltung, treibende Kräfte der IS-Propaganda-Maschinerie und als aktive Kämpferinnen in den IS-Frauenbrigaden. Für die Anwerbung des weiblichen Geschlechts hat der IS seine Rekrutierungsstrategie deutlich geändert: Sie führte weg von den persönlichen Kontakten zum Internet. Die Rekrutierung europäischer Mädchen und Frauen erfolgt nach Einschätzung von Expertinnen zu 95 % über das Internet2.
2 Epidemiologie des weiblichen Exodus
Etwa 20 % der deutschen Dschihadisten sind weiblichen Geschlechts3. In Frankreich ist der Anteil der ausgereisten Dschihadistinnen wesentlich größer. Er liegt dort bei 35 %4. Die Zahl der deutschen Mädchen und Frauen, die nach Syrien und in den Irak zum IS ausgereist sind, liegt also etwa bei 150 Personen. Nach den Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist über die Hälfte der ausgereisten weiblichen Personen zum Ausreisezeitpunkt jünger als 25 Jahre alt. Bei Claudia Dantschke, der Leiterin der Berliner Beratungsstelle Hayat, waren etwa 15 % der ausgereisten weiblichen Personen minderjährig. Im Verlauf der letzten zwei Jahre seien die ausgereisten Mädchen immer jünger. Die ausgereisten Minderjährigen seien jetzt oft zwischen 12 und 15 Jahre alt5.
Das „Beuteschema“ oder die begehrte Zielgruppe für IS-Ausreisewillige ist beim weiblichen Geschlecht deutlich verschieden zum männlichen. Die männlichen IS-Kämpfer sind mehrheitlich aus prekären und kriminellen Milieus der Unterschicht.
Ganz anders sind die Verhältnisse beim weiblichen Geschlecht. So die französische IS-Expertin Dounia Bouzar: „Großmehrheitlich entstammen sie der Mittel- und Oberschicht und sind atheistisch, nur wenige haben einen maghrebinischen Hintergrund. Dass die radikale islamische Indoktrinierung nur sozial benachteiligte muslimische Einwandererfamilien betrifft, ist ein Irrglaube. Unter den Opfern finden sich Christen und Juden, Töchter und Söhne von Ärzten und Professoren, Vorzeige-Schülerinnen und Studentinnen von Eliteuniversitäten.“6
3 Die Verlockungen und Verheißungen für potenzielle Dschihad-Bräute im Internet
Die Rekrutierer der Terrormiliz IS verführen und umgarnen die Mädchen und jungen Frauen sehr geschickt, indem sie zuerst deren Bedürfnisse, Sehnsüchte und Hoffnungen intensiv erkunden. Genau in dieser Richtung machen sie dann Versprechungen. Nach Dounia Bouzar7 ist ein häufiges weibliches Motiv, ein Leben an der Seite eines starken Kriegers führen zu wollen. Etwa zwei Drittel dieser Mädchen und Frauen sind nach Ansicht der Expertin früher Opfer einer Vergewaltigung gewesen, die weder juristisch noch psychologisch aufgearbeitet wurde.
Die meist weiblichen Werberinnen und Propagandistinnen explorieren sehr geschickt, welche Funktion die Mädchen oder jungen Frauen beim IS gerne einnehmen würden – sei es ein romantisches Leben an der Seite eines mutigen heiligen Kriegers, sei es die staatstragende Funktion einer Ärztin, Krankenschwester oder Lehrerin oder reizt sie gar der aktive Kampf mit Waffen oder das Ende als Selbstmord-Attentäterin. Das „Objekt der Begierde“, das geheimnisvolle Verlangen, das verborgene Ideal, die Utopie oder Illusion – geschickt spüren die Rekrutiererinnen, was bei potenziellen „Opfern“ ankommt.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz fasste die aktuelle Rekrutierungsstrategie für das weibliche Geschlecht wie folgt zusammen: „Die Frauen agieren als Propagandistinnen anders als Männer. Sie stellen zumeist nicht sich selbst oder ihre Familie in den Mittelpunkt, sondern berichten über den Alltag im Einflussgebiet des IS. Damit verbreiten sie vor allem das Bild des funktionierenden ‚Sozialstaates IS‘, in dem ein organisiertes und somit sorgloses Leben möglich sei. Es scheint, als ob die Frauen mit Eintritt in das Einflussgebiet des IS die Verantwortung für ihr Leben zunächst an die Organisation und danach an ihre Ehemänner abgeben. Die Berichte über die angeblichen Sozialleistungen des IS sollen den Eindruck eines unbeschwerten, beinahe schon luxuriösen Lebens vermitteln.“
Darüber hinaus wird die Heirat mit einem Jihadisten als das romantische Lebensziel einer jeden gläubigen Muslimin verklärt und der Jihadist nicht nur als idealer Ehemann, sondern auch mutiger Held stilisiert. Insofern ergibt sich aus der Propaganda insbesondere der Frauen bzw. jugendlichen Mädchen ein Gegenbild zu ihrem offenbar als kompliziert, unwägbar und anstrengend empfundenen Leben in Deutschland.8
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