Linksextremistische Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg
4 Ausblick
Der G20-Gipfel von Hamburg hat die Prognosen der Sicherheitsbehörden über das Auftreten gewaltbereiter Linksextremisten in erschreckender Art und Weise bestätigt. Die Gewaltintensität übertraf alle Befürchtungen und stellt eine neue Dimension linksextremistischer Gewalt dar. Dabei kam der autonomen Szene der Austragungsort des Gipfels zur Hilfe. In der Hansestadt befand sie sich in einem ihr vertrauten Umfeld. Als urbane Szene verfügte sie dort nicht nur über die für sie notwendige Infrastruktur, um sich vollständig entfalten zu können, sondern auch über den erforderlichen Agitations- und Rückzugsraum, ohne den sie kaum handlungsfähig ist. Zudem konnte sie sich seit mehr als einem Jahr generalstabsmäßig auf dieses Gipfeltreffen vorbereiten. Diese für sie „idealen“ Bedingungen ermöglichten es ihr, militante und klandestine Aktionen in einem ganz anderen quantitativen und qualitativen Ausmaß zu planen und durchzuführen als beispielsweise beim G7-Gipfel in Elmau 2015.
Ob die gewalttätigen Proteste eine Niederlage für die postautonomen Bündnisse IL und uG in der Auseinandersetzung mit den „klassischen“ Autonomen, d.h. den organisations- und hierarchiefeindlichen und eher ideologiefernen Linksextremisten bedeuten, bedarf noch der weiteren Klärung. Zwar wertete die IL die durchgeführten Aktionen als Erfolg. Dennoch kann sie nicht leugnen, dass die inhaltliche Kritik an dem Gipfeltreffen ebenso wie die eher friedlicher verlaufenden Proteste unter postautonomer Regie wie die Hafen- und Innenstadtblockade durch die exzessive Gewalt der „klassischen“ Autonomen nahezu vollständig überdeckt wurden. Die Gewalt von Hamburg dürfte daher nicht im Sinne der auf die Vermittelbarkeit ihrer Taten bedachten postautonomen Gruppierungen gewesen sein. Vor allem die IL muss nun damit rechnen, dass ihr Ansatz, durch den taktischen Verzicht auf autonomen Habitus und Gewalt den Brückenschlag ins demokratische Spektrum zu schaffen, zumindest momentan einen Rückschlag erlitten hat.
Zumindest für den Moment scheint der „klassische“ Autonome in der innerautonomen Auseinandersetzung im Vorteil zu sein. Er – und nicht die IL oder das uG – bestimmte die Gewaltintensität und dominierte dadurch die Bilder. Vor allem sich als Insurrektionalisten verstehende Autonome setzten auf eine „Propaganda der Tat“. Dieser aus anarchokommunistischen und individualanarchistischen Elementen bestehende „aufständische Anarchismus“ steht für Klassenkampf, kompromisslose Opposition und permanente Attacken auf den sozialen und politischen Gegner. Insbesondere die Differenzen zwischen den Postautonomen und den Autonomen insurrektionalistischer Ausprägung könnte die innerautonome Diskussion um deren künftige Ausrichtung weiter befeuern. Die IL hat bereits angekündigt: „Über das politische Konzept des Insurrektionalismus wird kritisch zu reden sein.“
Für die Sicherheitsbehörden gilt es, die Entwicklung der autonomen Szene aufmerksam zu beobachten und zu analysieren, um präventiv und repressiv auf sie reagieren zu können. Vor allem die Rolle ausländischer Linksextremisten bedarf der näheren Aufklärung. Wie schon bei Protesten der vergangenen Jahre spielten auch diesmal wieder vor allem Skandinavier und Italiener eine nicht unbedeutende Rolle. Das linksextremistische Spektrum muss national und international weiter aufgeklärt werden. Der harte Kern der Szene, insbesondere an Brennpunkten, sollte bereits im Wege der polizeilichen Gefahrenabwehr in seinem Aktionsradius gezielt eingeschränkt und der Versuch unternommen werden, dass Sympathisanten-Umfeld vom gewaltbereiten Kern zu trennen.
Gefordert sind aber auch Politik und Gesellschaft. Sie müssen mit einem klaren Handlungskonzept der linksextremistischen Gewalt entgegentreten. Gewalt, von wem auch immer sie ausgeht, muss politisch und gesellschaftlich geächtet werden. Rechtsfreie Räume darf es nicht geben. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Großveranstaltungen wie den G20 Gipfel in Metropolen, erst recht in solchen mit einer ausgeprägten linksalternativen Klientel, muss diskutiert werden.
Um den gewaltbereiten Linksextremismus künftig Herr zu werden, bedarf es eines ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes, in dem Prävention, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung miteinander verzahnt werden. In diesem Punkt sollte Einigkeit zwischen allen demokratischen Parteien herrschen.
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