Linksextremistische Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg
Wie schon bei den gewaltsamen Protesten gegen die Eröffnung der EZB, so begann auch der 7. Juli in den frühen Morgenstunden mit der Bildung von Aktionsgruppen, sogenannter Finger, die Aktionen und Blockaden durchführten. Im Mittelpunkt stand zunächst der Versuch des uG, Teile des Hamburger Hafens zu blockieren, um die Lieferwege zu verzögern und so den „kapitalistischen Normalvollzug“ zu unterbrechen. Zugleich versuchten G20-Gegner, die Anfahrtstrecke der Gipfelteilnehmer zu blockieren. Dabei kam es immer wieder zu Angriffen auf Polizeibeamte. In Altona wurden die Station der Bundespolizei und das dortige Rathaus von Autonomen mit Steinen und Molotowcocktails angegriffen; mehr als 30 Autos gingen an der Elbchaussee in Flammen auf. Gegen 15.00 Uhr setzte dann die zweite Welle der Blockadeversuche mit mehreren tausend Teilnehmern mit dem Ziel ein, die Elbphilharmonie, in der am Abend für die Staatsgäste ein Konzert stattfand, zu blockieren. In deren Verlauf kam es zu stundenlangen Straßenschlachten zwischen Autonomen und der Polizei im Umfeld der Landungsbrücken. Der Abend ging schließlich in erneute schwerste Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und dem autonomen Spektrum über. Eine Welle der Zerstörung brach über das Schanzenviertel herein, in deren Verlauf Geschäfte geplündert, Autos angezündet und Anwohner durch Marodeure bedroht wurden. Als die Polizei anrückte, standen nach deren Aussage auf den Dächern Autonome, um die Polizisten mit Molotowcocktails, Metallkugeln, Eisenstangen und Gehwegplatten zu attackieren.
Auf die lange Nacht der Gewalt folgte am Samstag die von einem Vertreter der Partei Die Linke angemeldete internationale Großdemonstration des „No-G20-Bündnis“ unter dem Motto „G20 – not welcome“. An ihr nahmen auch Anhänger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und türkische linksextremistische Gruppierungen teil. Entgegen den vorherigen Erwartungen, die von bis zu 100.000 Teilnehmern ausgingen, kamen nach Angaben des Veranstalters nur 76.000 Personen, nach Polizeiangaben sogar nur 50.000. Zwischenzeitlich griffen vermummte Teilnehmer Polizeibeamte mit Fahnenstangen u.a. Gegenständen an; in den Abend- und Nachtstunden kam es abermals zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Den Abschluss der Gipfelproteste bildete am 9. Juli eine aufgrund der starken Polizeipräsenz ohne besondere Vorkommnisse verlaufene Demonstration des „Bündnisses gegen Repression“ unter dem Motto „Nobody forgotten, Nothing forgiven“ mit etwa 1.000 Teilnehmern an der Gefangenensammelstelle (GeSa), einer für die vorübergehende Ingewahrsamnahme während des G20-Gipfels umgebauten Lebensmittel-Großmarkthalle in Hamburg-Harburg.
3 G20-Proteste und die Rolle der Gewalt
Zahlreiche Anwohner, darunter Kleinverdiener, Familien und Arbeitslose, verloren während der gewaltsamen Proteste gegen den G20-Gipfel ihr Auto, diverse klein- und mittelständische Unternehmer ihre Geschäfte und möglicherweise ihre Existenz. Vor allem militante Kleingruppen schienen sich an keinen Aktionskonsens zu halten und sind wahllos marodierend durch Hamburg gezogen. Nur dem Zufall war es geschuldet, dass es keine Todesopfer gab. Dass Teile der autonomen Szene den Tod von Polizisten zumindest einkalkulierten, zeigt vor allem ihr Vorgehen im Schanzenviertel. Die linksextremistische Gewalt ließ zudem den friedlichen Protest nahezu vollständig in den Hintergrund treten.
Unübersehbar spielte Gewalt vor und während der Gipfelproteste eine zentrale Rolle. Bereits die Mobilisierungsphase für die Gipfelproteste wurde durch eine militante Kampagne begleitet, in deren Verlauf es bis zum Gipfelbeginn zu 142 Resonanzstraftaten vor allem in Berlin und Hamburg kam. Diese Vorkommnisse verwundern wiederum nicht, kennzeichnet doch Autonome ein hohes Maß an Gewaltbereitschaft. Auch wenn nicht alle von ihnen selber Gewalt ausüben, so befürworten sie den Einsatz von Gewalt. Als Militanter gilt daher nicht nur der aktiv Handelnde, sondern auch derjenige, der Gewalt in Kauf nimmt bzw. mit gewaltsamen Aktionen sympathisiert. Autonome Gewaltbereitschaft versteht sich durchaus auch als politisch. Sie basiert auf einem klaren Feindbild, zu dessen tragenden Säulen der Staat und seine Repräsentanten sowie die sie nach autonomer Auffassung stützenden Rechtsextremisten zählen. Um diese zu bekämpfen, halten Autonome alle Widerstandsformen bis hin zum Einsatz von Gewalt für legitim und notwendig. Vor allem gegenüber Polizisten und Rechtsextremisten ist kaum mehr eine Hemmschwelle zur Gewaltanwendung vorhanden.
Als Vorbilder für die gewaltsamen Proteste von Hamburg dienten vor allem die gewalttätigen Ausschreitungen vom Dezember 2013 in Hamburg, als das Gerücht umging, die Räumung der „Roten Flora“ stünde unmittelbar bevor, und die Krawalle während der EZB-Eröffnung. Auch diesmal spielten die postautonomen Bündnisse bei Planung und Choreografie der Proteste wieder eine zentrale Rolle. Sie dominierten die Vorbereitungen der Proteste und blockierten an den Gipfeltagen die Zufahrtswege zu dem Gipfelorten und banden so die Polizeikräfte. Dadurch schufen sie den Raum für autonome Gewalttaten in den Teilen von Hamburg, die von der Polizei kaum mehr zu schützen waren. Vor allem die IL bemühte sich, extremistische und demokratische Organisationen gezielt in die Mobilisierung zu integrieren.
Auch im Nachhinein haben sich die IL und das uG weder von den Gewalttaten distanziert noch die daran beteiligten Gruppierungen verurteilt. So heißt es in einer Stellungnahme der IL zum G20-Gipfel zwar mit Blick auf die gewalttätigen Aktionen: „Es waren nicht unsere Aktionen“. Zugleich betont sie: „Wir haben schon vorher gesagt, dass wir uns nicht distanzieren werden und dass wir nicht vergessen werden, auf welcher Seite wir stehen.“ Das uG kommt gar zu dem Schluss, „ohne militante Aktionen an anderer Stelle, die viel Polizei gebunden haben, wären wohl weder die Blockadefinger noch die Hafenblockade so relativ erfolgreich gewesen.“
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