Polizei

„Die Kolleginnen und Kollegen haben Herausragendes geleistet!“

Gespräch mit dem Polizeiführer des G20-Gipfeleinsatzes Hartmut Dudde

Hartmut Dudde (54) hat im Juli 2017 den G20-Gipfeleinsatz in Hamburg geführt. Unser verantwortlicher Redakteur Prof. Hartmut Brenneisen traf sich mit dem Leitenden Polizeidirektor im Hamburger Polizeipräsidium und sprach mit ihm über den Einsatz, die rechtlichen, taktischen und logistischen Rahmenbedingungen, die besonderen Probleme und Belastungen sowie über die kriminalpolizeilichen Ansätze.

Kriminalpolizei: Sehr geehrter Herr Dudde, Sie gelten als ein sehr kompetenter und erfahrener Polizeiführer. Gab es für Sie grundlegende Unterschiede zwischen dem G20-Einsatz im Juli 2017 und früheren Großeinsätzen?


Hartmut Dudde: Zunächst bedanke ich mich für dieses Gespräch und nein, diese gab es eigentlich nicht. Der einzige Unterschied zu anderen Großeinsätzen bestand in den Dimensionen, d.h. insbesondere im Kräfteansatz und vorhandenen Protestpotenzial. Wir haben uns bei der BAO und allen Planungen stets davon leiten lassen, dass G20 ein Einsatz wie jeder andere auch ist. Ein Einsatz, der sich an unseren Strukturen und der PDV 100 abbilden lassen muss. Klar war allerdings auch, dass der Einsatz nicht für Experimente geeignet ist, dass wir nichts „ausprobieren“, was sich in ähnlich gelagerten Einsätzen noch nicht bewährt hat. Wir mussten das uns zur Verfügung stehende Handwerkszeug benutzen und auf die konkrete Lage anwenden. Dabei sind Dimensionen immer relativ, denn es gab auch bereits Castor-Einsätze mit rund 18.000 Einsatzkräften und durchaus ähnlichen Problemen. Es gibt in Deutschland viel Expertise im polizeilichen Einsatzgeschehen, so dass man sich stets Rat und Hilfe bei anderen einsatzerfahrenen Polizeien holen kann. Das Format G20 gab es so zwar bisher noch nicht, wir konnten jedoch zum Beispiel auf die vorliegenden Erfahrungen mit dem G8-Einsatz in Heiligendamm sowie dem G7-Einsatz in Elmau zurückgreifen und auf den dort gewonnenen Erkenntnissen sehr gut aufbauen.

Kriminalpolizei: Bei einem Einsatz dieser Größenordnung besteht naturgemäß bei den politischen Verantwortungsträgern ein besonderes Informationsbedürfnis. Gab es in diesem Zusammenhang auch Vorgaben, die Sie bei Ihren taktischen Überlegungen eingeengt haben?

Hartmut Dudde: Es gab ein großes Informationsbedürfnis, weil alle Bereiche der Hamburger Polizei unmittelbar betroffen waren. Dabei ging es natürlich auch um Investitionen und Fragen der Nachhaltigkeit. Außerdem wurde regelmäßig hinterfragt, was konkret zu erwarten ist und welche Konzepte wir dagegen setzen wollen. Es ist selbstverständlich, dass der Politik erklärt wird, was wir als Polizei vorhaben und wie der Einsatz gestaltet werden soll. Taktische Vorgaben haben wir aber nicht bekommen. Es war von vornherein klar, dass wir nicht vergleichbar zu Heiligendamm Zäune durch Hamburg ziehen wollen und friedliche Versammlungen zuzulassen sind. Eine besondere Herausforderung war es indes, in einer eng bebauten Großstadt die Sicherheit der Staatsgäste zu gewährleisten und dabei die Bürger nicht über Gebühr zu beeinträchtigen. Zusammenfassend kann ich sagen: Die Politik hat sich interessiert und informiert, aber niemals Einfluss auf polizeiliche Entscheidungen genommen.

Brennende Barrikaden bei den G20-Krawallen im Hamburger
Schanzenviertel.

Kriminalpolizei: Wie viel Polizeikräfte waren in den Spitzenzeiten zeitgleich eingesetzt?

Hartmut Dudde: Wir hatten unter meiner Führung etwas über 23.000 Polizeikräfte im Einsatz. In Spitzenzeiten waren davon innerhalb von 24 Stunden bis zu 21.779 Beamtinnen und Beamte eingesetzt. An dieser Stelle möchte ich betonen: Die Kolleginnen und Kollegen haben Herausragendes geleistet! Dabei haben sie sich auch – Arbeitszeitregelungen und dienstzeitrechtlichen Vorgaben zum Trotz – in besonderer Art und Weise dem Einsatz gestellt. Das rechne ich den Einsatzkräften hoch an und dafür bin ich sehr dankbar.



Kriminalpolizei: Sie haben im Rahmenbefehl taktische Ziele formuliert. Welchen Stellenwert hatte dabei der Schutz unbeteiligter Bürger im Verhältnis zum Schutz der hochrangigen Gäste?

Hartmut Dudde: Als grundlegendes Fundament unserer Gesellschaftsordnung steht der Bevölkerungsschutz als stetige Aufgabe aller Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben im Fokus der Betrachtung und bedarf daher keiner besonderen Erwähnung bei Regelungen zu Einzelfällen. Der Schutz der Bürger der Freien und Hansestadt Hamburg ist ständiger Auftrag der Hamburger Polizei. Obwohl diese Grundaussage, die ich wörtlich zitiert habe, in jedem Befehl vor der Klammer steht, haben wir in den Zielen noch einmal besonders darauf hingewiesen, dass die Beeinträchtigungen für die Bürger so gering wie möglich zu halten sind. Insofern gab es auch keine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Allerdings ist klar, dass sehr stark gefährdete Personen wie z.B. der amerikanische, russische oder türkische Präsident unbedingt geschützt werden müssen. Aus diesem Grund musste jedoch kein Hamburger länger auf den Streifenwageneinsatz warten als in normalen Zeiten.

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