Recht und Justiz

Müssen sich Einsatzkräfte bei Durchsuchungen fotografieren und filmen lassen?

Von Dr. Karsten Webel, LL.M. (Indiana), Hamburg1

1 Einleitung

Bei strafprozessualen Durchsuchungen kommt es immer wieder dazu, dass die von der Durchsuchung Betroffenen die Einsatzkräfte bei der Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit fotografieren oder sogar filmen wollen. Aufgrund der Allgegenwärtigkeit von Mobiltelefonen mit entsprechenden technischen Möglichkeiten ist die Anzahl dieser Situationen in den letzten Jahren deutlich gestiegen.

Da durch soziale Medien darüber hinaus die Möglichkeit besteht, entsprechende Aufnahmen in kürzester Zeit einer nicht mehr überschaubaren Anzahl von Personen zugänglich zu machen, bestehen auf Seiten der Einsatzkräfte nicht nur bei Maßnahmen im Bereich der organisierten Kriminalität erhebliche Bedenken gegen die Anfertigung solcher Aufnahmen. Deshalb ist es für die anwesenden Einsatzkräfte wichtig zu wissen, unter welchen Bedingungen und wie sie eine entsprechende Dokumentation der Durchsuchung unterbinden können bzw. im Umkehrschluss, wann sie zulässig ist.

2 Die beteiligten Interessen

Ausgangspunkt für die Beurteilung im Einzelfall sind die jeweils beteiligten Interessen.

2.1 Die Einsatzkräfte

Auf Seiten der fotografierten oder gefilmten Einsatzkräfte ist das verfassungsrechtlich garantierte allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts am eigenen Bild betroffen, da schon in der Herstellung eines solchen Bildes ohne Einwilligung des Abgebildeten ein unzulässiger Rechtseingriff liegt.2 Einfachgesetzlich ist dieses Recht geschützt durch § 823 Abs. 1 BGB.

Im Hinblick auf die Schutzintensität des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Form des Rechts am eigenen Bild unterscheidet die Rechtsprechung zwischen verschiedenen Sphären, die unterschiedlich stark geschützt werden:

  • Die Öffentlichkeitssphäre ist der Bereich, in dem der Einzelne sich der Öffentlichkeit bewusst zuwendet, z.B. wenn er bewusst an die Öffentlichkeit tritt und sich öffentlich äußert. Diese Sphäre genießt den schwächsten Schutz.
  • Die Sozialsphäre ist der Bereich, in dem sich der Mensch als „soziales Wesen“ im Austausch mit anderen Menschen befindet. Hierzu zählt insbesondere auch die berufliche Tätigkeit, so dass durch bei einer Durchsuchung angefertigte Aufnahmen in die Sozialsphäre der beteiligten Einsatzkräfte eingegriffen wird. Diese Sphäre ist relativ schwach geschützt.
  • Deutlich stärker geschützt ist die Privatsphäre, die sowohl räumlich (Leben im häuslichen Bereich, im Familienkreis, Privatleben) als auch inhaltlich (Sachverhalte, die typischerweise privat bleiben) definiert ist. Eingriffe in diese Sphäre sind in der Regel unzulässig, wenn nicht ausnahmsweise Umstände hinzutreten, die die gegenläufigen Interessen überwiegen lassen (z. B. bei Presseveröffentlichungen aus dem Privatleben von Politikern, wenn ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse besteht).
  • Eingriffe in die Intimsphäre sind hingegen stets unzulässig.

Die einfachgesetzlichen Regelungen bezüglich der Verbreitung oder Zurschaustellung der Aufnahmen finden sich in den §§ 22, 23 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KunstUrhG). Gem. § 22 Satz 1 KunstUrhG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Ausnahmen davon gelten gem. § 23 Abs. 1 KunstUrhG, wenn es sich um Personen der Zeitgeschichte handelt (Nr. 1) oder die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen (Nr. 2).3 Eine Verbreitung oder Zurschaustellung ist hingegen in jedem Fall gem. § 23 II KunstUrhG ausgeschlossen, wenn berechtigte Interessen des Betroffenen verletzt werden.

Maßgeblich für die Frage der zeitgeschichtlichen Bedeutung ist der zeitgeschichtliche Charakter des Dokumentierten, nicht des Dokuments.4 Es kann somit durchaus ein entsprechendes Interesse an Bildern bestehen, die ein bestimmtes Ereignis in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken, das mit der Person des Abgebildeten verbunden ist.5 In diesem Sinne sind jedoch weder Polizeibeamte im Einsatz während einer Veranstaltung6 noch Richter und Staatsanwälte bei normaler Berufsausübung7 Personen der Zeitgeschichte. Insoweit ist vielmehr zu berücksichtigen, dass allenfalls die dienstliche Maßnahme von zeitgeschichtlicher Bedeutung sein kann. Es besteht mithin in aller Regel kein zeitgeschichtliches Interesse daran, wer die jeweilige Maßnahme durchgeführt hat, sondern nur daran, dass sie durchgeführt wurde.8 Ausschließlich die dienstliche Funktion der Einsatzkräfte ist maßgeblich, die einzelnen Einsatzkräfte sind hingegen unter zeitgeschichtlichen Gesichtspunkten austauschbar.

Der einzelne Beamte kann folglich erst in dem Augenblick eine Person der Zeitgeschichte werden, in dem er z.B. an besonderen Ereignissen und Handlungen – z.B. Tätlichkeiten – teilnimmt.9 Es ist ferner zu berücksichtigen, dass die Beweislast für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes des § 23 KUG grundsätzlich bei demjenigen liegt, der das jeweilige Bild verwendet.10

Auch der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG, nach dem die Verbreitung und/oder Zurschaustellung von Aufnahmen zulässig ist, wenn die abgebildeten Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen, ist im Rahmen strafprozessualer Durchsuchungen nicht einschlägig. Nicht die jeweilige Örtlichkeit prägt solche Aufnahmen, sondern ihre Relevanz liegt in der amtlichen Tätigkeit der abgebildeten Einsatzkräfte, die mithin nicht nur „Beiwerk“ darstellen.