Kriminalitätsbekämpfung

Islamismus – Die Herausforderungen einer Weltanschauung



Muslime in Europa – Europa und seine Muslime


Die Islam-Diaspora durchläuft in den meisten westlichen Gesellschaften einen Konsolidierungsprozess. Die Menschen sind dabei, sich in der sie umgebenden Gesellschaft zu positionieren. Diese Prozesse beeinflussen sich gegenseitig und werden von den lokalen, regionalen und globalen Ereignissen massiv gelenkt. Geprägt sind Muslime von einer islamischen Weltanschauung oder zumindest einer den Werten des Islams entsprungenen Erziehung. Heute können wir beobachten, dass sowohl die Mehrheitsgesellschaft, als auch die muslimischen Migranten in Krisenzeiten überfordert sind. Es werden jeweils Solidargemeinschaften definiert, die ihre Eigeninteressen vertreten und um begrenzte Ressourcen wie Sozialleistungen, Wohnungen oder Arbeitsplätze konkurrieren. Das stört natürlich den inneren Frieden, denn Feindbilder und Verschwörungstheorien gewinnen an Bedeutung, während die innergesellschaftliche Solidarität schwindet. Aus der Perspektive der Sicherheitspolitik stellt sich hier die Frage, wie sich Muslime im „Kampf der Weltanschauungen“ verhalten und wie sich die Mehrheitsgesellschaft positioniert. Der Islamismus als Exklusivideologie instrumentalisiert in diesem Zusammenhang die fehlende soziale und wirtschaftliche Integration der Islam-Diaspora und nistet sich in ihren ghettoähnlichen Wohnvierteln ein, so in Paris oder Brüssel. Selbstethnisierung sowie Diskriminierung von außen werfen Fragen nach der Identität der Muslime in Europa sowie nach der Lebensqualität für Muslime und Europäer auf. Hierbei ist die Verteufelung der Muslime genauso gefährlich für die Integration wie die Ausbreitung eines militanten Islamismus.
Der Islam ist eine soziale Realität in Europa. Diese Feststellung verlangt von der Gesellschaft im Kontext des neuen sicherheitspolitischen Umfeldes eine neuartige Strategie, die einerseits den Djihadismus vehement bekämpft, anderseits die Muslime im Westen für die zivilisatorischen Errungenschaften der Aufklärung gewinnt. Dabei hilft nur eine Integrationspolitik, die eine verbindliche Werteorientierung bietet.
Die Säkularisierung war ein europäisches Phänomen. Für die Mehrheit der Weltbevölkerung wurde die Trennung von Staat und Religion nicht vollzogen. Nun leben Menschen in Europa, für die die Religion Teil der Inszenierung ihrer Identität ist. Religion fördert ihre Gemeinschaftsbildung, wobei normative Gewissheiten neu vergegenwärtigt werden. Die weltweite Konfrontation des Islamismus mit dem Westen wirkt sich auf diesen Gemeinschaftsbildungsprozess aus. Aus den Mitgliedern einer verunsicherten Islam-Community können von den gut aufgestellten Islamisten leicht Djihadisten rekrutiert werden. Problematisch ist, dass den meisten sicherheitspolitischen Akteuren die Religiosität der Muslime völlig fremd ist. Der Zusammenhang zwischen der Funktion des Religiösen und der Artikulation des Politischen wird nicht in die soziopolitische Analyse einbezogen. Umso mehr ist man überrascht, dass Konflikteskalation und Gewaltausbrüche nicht rechtzeitig erkannt bzw. verstanden werden. Daher muss man in der Strategie Toleranz gegenüber dem offenen europäischen Islam; wehrhafte Demokratie gegenüber dem Islamismus die Kenntnisse, des Islam und seiner Geschichte erweitern. Die Differenzierung sollte Teil der Strategie sein.
Es redet sich leicht von „dem Islam“, doch ist dieser umso schwieriger zu bestimmen, da der Islam nicht Subjekt seiner selbst ist. Wer also soll sich welche Werte zu eigen machen? Besser ist es, vom „Islam in Deutschland“ zu sprechen. Den besten Beitrag zu dem gesellschaftlichen Frieden und der inneren Sicherheit in Deutschland kann daher ein Islamverständnis leisten, das die säkularen Werte unterstützt. Ein solches Islamverständnis ist schon vorhanden. Es bedarf lediglich der Stärkung seiner Rolle in der deutschen Gesellschaft.
Langfristig ist es unerlässlich, dass sich unter den Muslimen ein Säkularisierungskonzept durchsetzt. Die Loslösung von tradierten Weltbildern, die heute die Grundlage der islamistischen Weltanschauung darstellen, ist die Grundlage eines europäischen Islam, der sich mit den Werten Europas vereinbaren lässt. Diese Transformation muss innerhalb des Islam stattfinden und europäische Werte enthalten, die islamisch begründet sind. Eine reformerische Interpretation des Islam, die ihn mit Europa verbindet, basiert auf den Werten:

  • Säkularisierung
  • Demokratie
  • Menschenrechte religiöser und kultureller Pluralismus
  • Zivilgesellschaft.

Die Beheimatung des Islam und die deutsche Gesellschaft


Dieser deutsche Islam kann durchaus von außen gefördert werden, indem die europäische Zivilisation zu ihren demokratischen, liberalen Werten als Orientierung steht und diese verteidigt sowie die Wertebeliebigkeit jenseits des demokratischen Bewusstseins zurückweist. Eine sich an diesem Konzept orientierende Integrationspolitik ist weit erfolgversprechender und verhält sich im Kampf gegen den Terrorismus komplementär zum militärischen und polizeilichen Vorgehen. Die Gesellschaft muss sich prinzipiell auf zwei Szenarien vorbereiten, an denen sich die Frage der Integration entscheidet:

  • Islam im Sinne von Djihadismus
  • säkulare Islamkultur

Die Politik, der Staat und die Gesellschaft müssen durch Dialog auf die zweite Form hinarbeiten, denn ein djihadistischer Islam in Europa gefährdet die Identität Europas und führt in eine europäische Katastrophe. Zwischen der westlichen und der islamischen Weltanschauung gibt es große Unterschiede, die handfeste Wertekonflikte produzieren. Setzt sich der Islamismus durch, so führt dies zur kompletten Entkoppelung der Muslime von der europäischen Mehrheitsgesellschaft.
Für den Identitätsbildungsprozess vieler in Deutschland lebender Muslime heißt das, dass im Rahmen der Bekämpfung des Islamismus die persönliche Identität der Muslime als wirkender Bestandteil der Gesellschaft gewährleistet wird. In diesem Sinne muss die Integration neben der Anerkennung der Werte der Verfassung seitens der Muslime identitätsbildende Elemente beinhalten, die es den Muslimen ermöglichen, faktisch als Muslim und deutscher Bürger existieren zu können. Eine etwaige gefühlte offensive Bekämpfung der muslimischen Identität wird naturgemäß bei jedem noch nicht integrierten Muslim eine für den Integrationsprozess kontraproduktive Abwehrhaltung bewirken. Solange die neuen Werte der Aufnahmegesellschaft noch nicht verinnerlicht worden sind, wird der Bruch mit alten Werten nicht vollzogen werden können. Wenn dies krampfhaft geschieht, so vergrößert sich die Gefahr, in Extremideologien abzurutschen.
Kann der Islam zum gesellschaftlichen Frieden in Deutschland und Europa beitragen? Grundsätzlich ja. Aber dazu bedarf es einer stärkeren Einbindung von Muslimen in die Diskussion um einen religiösen und lebensanschaulichen Pluralismus, sowie um die Rolle der Religionen in einem säkularen, demokratischen Rechtsstaat. Die Vorzüge einer freiheitlichen Verfassung sollten allen Bürgern deutlich gemacht werden. Muslime und Nicht-Muslime müssen erkennen können, dass die freiheitlich liberale Grundordnung der Bundesrepublik durchaus Entfaltungsoptionen bietet, die durch die verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte wirken. Erst durch die Pluralität des Politischen kann Stabilität erzeugt werden und Stärke von Gewalt radikal getrennt werden. Damit wird die Dominanz der Mehrheit relativiert und Raum geschaffen anzuerkennen, dass die Vielfalt der Gesellschaft die Rechte von Minderheiten schützt und nicht gefährdet. Dabei impliziert die Freiheit das potenzielle „Sich irren“. Freiheit kann nur sein, wenn man zwischen grundlegend verschiedenen Optionen wählen kann. Damit ist Pluralismus eine Grundvoraussetzung des Freiheitlichen.
Zum Frieden kommt es erst, wenn sich der Islam in eine säkulare Wertordnung fügt. Das so überaus häufig angeführte Zitat des Verfassungsrechtlers Ernst-Wolfgang Böckenförde „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“ behält daher seine Gültigkeit.
Bestimmte Islamverständnisse sind mit der Werteordnung einer säkularisierten Gesellschaft schlicht nicht vereinbar. Diese manifestiert sich in konkreten Errungenschaften wie beispielsweise der Achtung von Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit. Der Säkularismus ist zudem nicht grundlos entstanden, die Religionskriege im Mittelalter haben wesentlich zur Lernkurve des europäischen Kontinents beigetragen. Der Aufklärungsglaube, dass die Religionen Überflüssig würden, hat sich jedoch als falsch herausgestellt.
Die kulturelle Substanz säkularisierter Gesellschaften bildet der Humanismus. Eine Synthese von Religion und Humanismus ist möglich und sogar wünschenswert, sie darf jedoch nie auf Kosten des Pluralismus gehen. Wenn religiöse Überzeugungen humanistische Werte dann für sich hervorbringen, so ist das ein Gewinn für die Gesellschaft.
Die „Menschenwürde“, vor allem die Anerkennung des anderen in seiner Andersheit, muss in den Mittelpunkt der Religiosität rücken. Muslime in Deutschland und in Europa sollten die Freiheiten eines demokratischen Rechtsstaats und die Offenheit der Zivilgesellschaft nutzen, um das humane Potential des Islam zur Geltung zu bringen und auf beispielhafte Weise zu einer spirituellen Erneuerung einer noch toleranteren Gesellschaft beizutragen. Es müssen gemeinsame Narrative entstehen. Daran muss sich der Beitrag der Muslime, aber auch des Islam insgesamt, zu einer gerechten Friedensordnung in der Welt messen lassen. Ohne die Beteiligung des Islam an einer gemeinsamen Wertebasis, bleiben die Muslime auf Dauer von einer offenen, pluralistischen Zivilgesellschaft ausgeschlossen.
Dass der Islamismus „bekämpft“ werden muss, mag manchen zu schroff erscheinen. Es gilt jedoch, eine klare Position gegenüber dem Islamismus als einer Spielart eines religiösen Radikalismus einzunehmen. Jugendliche interessiert nicht, was Islamismus eigentlich bedeutet; sie fühlen sich von bestimmten Positionen, Themen und Symbolen angezogen. Für manche muslimische Jugendliche ist Islamismus weniger eine Denkschule als vielmehr eine Erlebniswelt. Als solche bildet sie einen Gegenentwurf zur deutschen säkularen Mehrheitsgesellschaft. Hier muss aber auf Seiten der Mehrheitsgesellschaft Klarheit darüber bestehen, dass der Islamismus auch in seiner gewaltlosen Variante extremistisch ist, insofern als er langfristig auf eine grundsätzliche Umgestaltung der Gesellschaft nach vermeintlichen islamischen Normen abzielt.
Gegenüber der Intoleranz darf keine Toleranz praktiziert werden. Toleranz gegenüber gewalttätigen Fanatikern, die sich gegen das Grundgesetz und die Religionsfreiheit stellen, ist inakzeptabel. Das gilt auch für jene Extremisten, die glauben, dass sie im Namen des Islam Unschuldige töten dürfen. Jene, die von sich behaupten, dem einzig wahren Glauben und der einzig wahren Religion zu folgen, begehen einen Denkfehler. Denn die Annahme, dass sie den Koran wortwörtlich befolgen, ist falsch. Auch sie interpretieren die Heilige Schrift und zwar oftmals einseitig in einem gewalttätigen, menschenverachtenden und äußerst beschränkten Sinne.
Eine Bekämpfung islamistischer Radikalisierung darf die Versöhnung nicht außer Acht lassen. Eine zivile Konfliktbearbeitung und ein Eintreten für einen weltoffenen Islam sind die Methoden der Wahl.
Eine Auseinandersetzung mit den Sorgen und Ängsten muslimischer Jugendlicher tut not. Diese müssen in der Schule gezielt angesprochen werden. In diesem Zusammenhang müssen säkulare Werte kommuniziert und heikle Themen in den Schulen auf eine differenzierte Art diskutiert werden. Jugendliche müssen durch Gegenfragen zum Nachdenken gebracht werden. Präventive Strukturen in der Schule müssen gestärkt werden, sodass nicht immer erst dann reagiert wird, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Die Prävention muss bei den Eltern bzw. bei der Familie beginnen und darf nicht allein den Lehrern aufgetragen bleiben.