Auslandseinsatz in der EU Mission - EULEX Kosovo
Überblick – Einblicke – Erfahrungen
Von Alban Ragg, Kriminaldirektor, Hochschule der Polizei, Rheinland-Pfalz
Vorwort
Im ZeitraumFebruar 2014 bis September 2015 war ich in der European Rule of Law Mission (EULEX Kosovo) als Polizeibeamter mit zwei Führungsfunktionen betraut. Die Rechtstaatlichkeitsmission EULEX ist die größte zivile Mission der EU mit aktuell ca. 1500 Mitarbeitern, unterstützt von allen 28 EU Mitgliedstaaten sowie Kanada, Norwegen, Schweiz, Türkei und USA. Im Februar 2014 habe ich meinen Auslandseinsatz als Chief of Staff (Leiter Führungsstab) im Special Police Department (Direktion Einsatz) im Norden des Kosovos in Mitrovica begonnen. Im August 2014 bis September 2015 habe ich die Funktion des Head of Executive Police (Leiter Polizeieinsatz) und damit die Leitung der Polizeikomponente innerhalb EULEX in Pristina, Hauptstadt des Kosovo, übernommen.
Dem Head of Executive Police ist das Special Police Department (Direktion Einsatz), das Executive Criminal Investigation Department (Direktion Ermittlungen) sowie das Witness Security Department (Direktion Zeugenschutz) nachgeordnet. Bedeutsam zu wissen, hinter dem Begriff Executive Police verbirgt sich rechtlich die Ausstattung der internationalen Polizeibeamten mit polizeilichen Eingriffsbefugnissen im Kosovo.
Die Leitung aller mit hoheitlichen Befugnissen internationalen Polizeikräfte zählt zu den schönsten Herausforderungen in meinem bisherigen dienstlichen Werdegang. Grundsätzlich unterscheidet sich die Aufgabe hinsichtlich der täglichen Anforderungen wie Personalführung, operativer und strategischer Planung sowie Einsatzbewältigung kaum von vergleichbaren Leitungsaufgaben in der Polizei Rheinland-Pfalz. Die Besonderheit ergibt sich aus Einsatzraum und Lage sowie der Zusammenarbeit mit der Führung der kosovarischen Polizei und der Einsatzkomponente des internationalen Militärs (KFOR).
1. Einleitung
In Begegnungen zu Hause werde ich bisweilen nach dem Nutzwert des EU Engagements im Kosovo gefragt. Meine Antwort ist gleichförmig, Frieden auf dem Balkan. Es wird leicht vergessen, dass die 90er von einem blutigen Krieg in Teilen der Balkanregion (siehe Abb. 1) insbesondere in Kroatien und Bosnien dominiert waren.
Der Konflikt im Kosovo eskalierte erst Ende der 90er und wurde 1999 mit dem Einmarsch von NATO Truppen sowie der Bombardierung von Belgrad beendet. Dies leitet zur Frage über, wie stabil der Frieden heute auf dem Balkan eigentlich ist.
Nach meiner persönlichen Einschätzung ist die Situation im Kosovo selbst wegen der Spannungen zwischen der albanischen und serbischen Ethnie nicht gesichert stabil. Diese interethnischen Differenzen sind mittlerweile innerhalb des Kosovo zwar regional oder lokal eingrenzbar, beinhalten jedoch immer auch ein gewisses Potenzial zur landesweiten Eskalation. Die letzten massiven landesweiten Unruhen ereigneten sich im März 2004 ausgelöst durch die Verbreitung einer falschen Information zum Ertrinken von drei albanischen Kindern. So wurde behauptet, die Kinder seien von Personen serbischer Herkunft in den Fluss Ibar getrieben worden. Im Rahmen dieser Unruhen wurde die serbische Bevölkerung massiv angegriffen. Darüber hinaus wurden serbische Kulturdenkmäler darunter 35 serbisch-orthodoxe Kirchen zerstört.
Abb. 1 Balkanregion
Diese Ereignisse schlagen sich noch heute in Misstrauen und Angst der serbischen Minderheit nieder und sind insbesondere im Norden Kosovos in der Region Mitrovica virulent.
Darüber hinaus besteht angesichts der in Serbien und in Mazedonien in Grenznähe zum Kosovo ansässigen albanischen Minderheiten ein übergreifendes Potenzial zur Eskalation ethnischer Spannungen. Solidarisierungseffekte von Teilen der dortigen albanischen Bevölkerung insbesondere aus den Reihen von Mitgliedern der früheren Kosovo Liberation Army (KLA) mit nationalistisch orientierten Gruppierungen im Kosovo sind leicht vorstellbar.
Neben der eingangs erwähnten Fragestellung wird oft der Befund zur kosovarischen Polizei hinterfragt. Auf einen Nenner gebracht, würde ich die kosovarische Polizei als professionell bezeichnen, was mit großer Sicherheit auch ein Verdienst der hier tätigen internationalen Polizeibeamten ist.
Dies bestätigt auch eine aktuelle Umfrage, wonach knapp 70% der kosovarischen Bevölkerung ihrer Polizei das Vertrauen schenken. Ein Wert der auf dem Westbalkan im Vergleich als herausragend gelten darf.
Sicher besteht bei einer solch jungen Organisation auch Potenzial zur Fortentwicklung, das naturgemäß höher liegen mag, als in einer über mehr als fünfzig Jahre etablierten Polizeiorganisation. Hinzukommen die besonderen Umstände einer Nachkriegsgesellschaft in der Akteure im Kriegsgeschehen heute maßgeblich politische Verantwortung tragen. Die Verbindung zu den Herausforderungen bei der Bekämpfung organisierter Kriminalität und der Korruption lässt sich leicht erahnen. Leider wird der Erfolg polizeilicher Arbeit von einer wenig dynamischen agierenden Justiz mit wenig akzeptablen Bearbeitungszeiten einhergehend mit einem ausgesprochen hohen Verfahrensrückstau geschmälert.
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