Wissenschaft  und Forschung

Banker zwischen Bestrafung und Bewährung

Schlussbemerkungen


Ende Mai 2015 wurde bekannt, dass sich sechs der weltgrößten Banken mit dem Justizministerium in Washington und weiteren amerikanischen sowie britischen Behörden wegen ihres rechtswidrigen Verhaltens beim Handel mit Devisen auf die Zahlung von zusammen rund 5,8 Milliarden Dollar geeinigt haben. Diese „Geldbußen“ sind den Strafen hinzuzurechnen, die in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar schon im November 2014 in den USA, Großbritannien und der Schweiz verhängt worden waren.
Die Banken hoffen, dass sie mit diesen exorbitant hohen Zahlungen einen weitgehenden Schlussstrich unter die seit 2013 laufenden Ermittlungen im Devisenmarkt ziehen konnten. Citigroup, JP Morgan Chase, Barclays und RBS haben sich schuldig bekannt, die Wechselkurse von Euro und Dollar manipuliert zu haben. Zwischen Dezember 2007 und Januar 2013 trafen Devisenhändler dieser Banken in einem nur für Mitglieder zugänglichen elektronischen „Chatroom“ illegale Absprachen zur Beeinflussung der Devisenkurse. Erstaunlicherweise ist die Deutsche Bank an den jüngsten „Vergleichen“ (noch) nicht beteiligt, obschon sie einer der größten Devisenhändler der Welt ist. Immerhin wurden schon einige ihrer Mitarbeiter wegen Fehlverhaltens aus dem Devisenhandel entlassen. Dennoch ist die Bank von den Aufsichtsbehörden bisher noch nicht in die erste Reihe der Verdächtigen befördert worden. Nun ermittelt aber die Bankenaufsicht von New York seit Dezember 2014 wegen des Verdachts, dass auf den Handelsplattformen ein Algorithmus eingesetzt wurde, der „Tricksereien“ erleichtern konnte. Dieser Verdacht trifft allerdings nicht nur die Deutsche Bank, sondern auch Barclays.
Die Briten haben sich im Devisenfall bereit erklärt, 2,3 Milliarden Dollar zu zahlen, der bislang höchste Tribut. Zudem müssen sie 115 Millionen Dollar für Manipulationsversuche im Geschäft mit Zinsswaps („Isdafix“) berappen und sich von insgesamt acht Mitarbeitern trennen.
Die Schweizer (USB) müssen eine Strafe von insgesamt 545 Millionen Dollar bezahlen. Im November 2014 hatten sie bereits 800 Millionen Dollar herausrücken müssen. Von der neuen Geldbuße wegen der Manipulationen am Devisenmarkt fließen 342 Millionen Dollar an die amerikanische Notenbank.
Unter all den Strafzahlungen war jene für die Manipulation am Devisenmarkt zwar nicht die höchste (die Rede ist von neun Milliarden Dollar). Unter all den Betrügereien der Banken war diese Manipulation dafür aber sicher die unverschämteste. Dabei haben Händler einzelne Kunden mit großer Kaltschnäuzigkeit herausgepickt und in den Verlust manövriert. Sie hatten den besten Überblick über die Auftragslage am Markt zumal sie sich – aus mehreren Banken kommend – verständigten. Diese organisiert operierenden kriminellen Banker gruppierten Kundenaufträge über den Tag so, dass der Preis, zu dem das Devisengeschäft für einen besonders großen Kunden abgerechnet wurde, systematisch in die für diesen Kunden verlustreiche Richtung gedrückt wurde. Im Falle einer Vorbereitung besonderer Gegengeschäfte seitens der Kunden, die so potenzielle Verluste begrenzen wollten, führten die Händler sogar die Verluste gezielt herbei, um beim nun fälligen Gegengeschäft abzukassieren. Hier taten sich die Gangster der Bank of America, von Barclays, J. P. Morgan, RBS und UBS besonders hervor. Angeblich gehörte die Deutsche Bank aber nicht zu diesem „erlauchten“ Kreis. Der Betrug lief über Jahre fast täglich, auch nachdem die Manipulation des Geldmarktzinses Libor aufgeflogen war, die Banken Besserung gelobt und einen „Kulturwandel“ beschworen hatten. Manipulierte Wechselkurse, getürkte Zinssätze, Beihilfe zur Geldwäsche und Steuerhinterziehung sind Teile eines langen „Sündenregisters“ zahlreicher Geldhäuser. Neueren Berechnungen von Analysten der amerikanischen Bank Morgan Stanley zufolge werden die 25 größten Institute in Europa und den USA in den Jahren 2015 und 2016 über die genannten Zahlen hinaus weitere 70 Milliarden Dollar (ca. 59 Milliarden Euro) für Strafen und Entschädigungszahlungen aufwenden müssen. Damit würden die Gesamtkosten seit 2009 auf 300 Milliarden Dollar steigen.
In Europa steht die Deutsche Bank indessen in anderer Hinsicht an vorderster Front. Neben den britischen Konkurrenten Barclays und Royal Bank of Scotland hat sie nach Einschätzung der amerikanischer Analysten die höchsten ungedeckten Rechtsrisiken. Ihr drohen bis 2016 weitere Rechtskosten von 5,1 Milliarden Dollar, zusätzlich zu den bisher schon aufgelaufenen 8,5 Milliarden Dollar. Neben den 6000 - 7000 Rechtstreitigkeiten ist die größte deutsche Bank in 180 aufsichtsrechtliche Untersuchungen verwickelt. Allein im dritten Quartal 2014 entstand ihr dadurch ein Aufwand von 894 Millionen Euro, der sie in die Verlustzone drückte. Ihre nicht auszuschließende Verwicklung in die Manipulation von Devisenkursen zählt zu den großen Unwägbarkeiten. Im November 2014 hatten immerhin schon sechs andere Banken wegen organisierter und systematischer „Tricksereien“ im Währungshandel Geldbußen in Milliardenhöhe gezahlt. In diesem Bereich ist die Deutsche Bank einer der globalen Marktführer! Neueren Pressemeldungen zufolge wächst im Skandal um die weitreichenden Manipulationen am Devisenmarkt der Druck auf die Deutsche Bank. Der New Yorker Anwalt Michael Hausfeld teilte Mitte August 2015 mit, dass andere Marktteilnehmer die Deutsche Bank als einen der Beteiligten an unerlaubten Absprachen genannt haben. Die Identität der Belastungszeugen wollte Hausfeld aber (noch) nicht preisgeben. Wie üblich war die Deutsche Bank zunächst nicht bereit, die neuen Vorwürfe zu kommentieren. Allerdings hat sich die Bank seit Bekanntwerden des Skandals von einer Reihe von Währungshändlern getrennt.39Neben dem Fehlverhalten bei den Devisenkursen und dem Zinssatz Libor werden die Geschäfte mit Hypothekenpapieren für die Bankbranche zukünftig jedenfalls noch teurer werden. In Europa und Amerika rechnet man wegen der genannten Rechtsrisiken bis 2016 mit Kosten von mehr als 30 Milliarden Dollar. Die juristischen Probleme im Hypothekenmarkt haben die Banken bis Ende 2014 schon rund 90 Milliarden Dollar gekostet. Der größte Anteil entfiel auf die amerikanischen Institute „Bank of America“, „Merill Lynch“ und „JP Morgan“. Es kursieren Zahlen, wonach sich die Strafzahlungen für all den Lug und Trug, den sich die Banken über viele Jahre geleistet haben, mittlerweile auf mehr als 230 Milliarden Dollar summieren.40 Diese Beträge kommen für die Stärkung des Eigenkapitals und für Kreditvergaben nicht mehr in Betracht.
Nach der jüngsten jährlichen Studie des britischen Instituts „CCP Research Foundation“ sind den 16 größten Banken der Welt zwischen 2010 und 2014 für Strafzahlungen, Vergleiche sowie andere Rechtsfälle Kosten in Höhe von 205,6 Milliarden Pfund (214 Milliarden Dollar) entstanden. Das entspricht im Vergleich zur Vorjahresstudie einer Steigerung von fast 20 Prozent. Vor diesem Hintergrund sind Zweifel an der These aufgekommen, dass es sich bei den Strafzahlungen nur um Nachwehen der Finanzkrise handelt. Die Bank of America und JP Morgan Chase stemmen mit 100 Milliarden bzw. 50 Milliarden Dollar fast die Hälfte der Gesamtsumme.
Diese Zahlen offenbaren eine Symptomatik, die daran zweifeln lässt, dass sich das Verhalten der Banken zum Besseren verändert hat. Im Gegenteil: Die nächsten Wellen rollen heran.41 Wie auch immer: Die Zukunft der Deutschen Bank ist in ein diffuses Licht getaucht. Gerade ist es politisch fast unmöglich, etwas Gutes über diese Bank zu sagen, weil sie mit ihren Affären und Prozessen die Erinnerung an die Zockerei vor der Finanzkrise wachhält. Ökonomisch ist kaum ein positives Urteil zu fällen, weil sie an der Börse stagniert und viele Belastungen vor sich hat.42 Die Deutsche Bank ist in einem schlechten Zustand und droht abhandenzukommen. Das versetzt diejenigen in Sorge, die der Überzeugung sind, dass Deutschland eine Bank von Weltrang braucht. Fraglich ist aber, ob gerade die Deutsche Bank mit dem gegenwärtigen Zuschnitt die bestehenden Bedürfnisse befriedigen kann. Zu den damit verbundenen Fragen wird man eine politische Haltung entwickeln müssen, in der sich ausnahmsweise einmal Kompetenz und Gemeinwohlorientierung verbinden. Geduld ist schon deshalb vonnöten.

Derzeit sind nur einige allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen:
Die anhaltende Finanzkrise ist auch die Folge eines strategischen Versagens, das in Gestalt klientelorientierter Deregulierung der Finanzmärkte etlichen Akteuren der Finanzindustrie zahllose Gelegenheiten für organisierte kriminelle Taten eröffnet hat, die von den gegebenen Governance- und Compliance-Strukturen nicht verhindert werden konnten.
In durch Inkompetenz korrumpierten Bereichen der Politik haben Amtsträger ein Milieu der Gefälligkeit geschaffen, in dem die Gemeinwohlorientierung verloren ging.
Die sich über viele Jahre hinziehenden Verstöße gegen wichtige Vorschriften in zahlreichen großen Geldinstituten überall auf der Welt haben dazu geführt, dass sich systematischer Rechtsbruch in ein kommerzielles Prinzip verwandelt hat.
Auch die Floskeln politischer Korrektheit und eine mit Anglizismen gespickte verniedlichende Sprache können nicht verdecken, dass in vielen privaten und öffentlichen Banken eine Erosion der rechtlichen Gesinnung stattgefunden hat, an der das modische Geschwätz über „Governance“ und „Compliance“ natürlich nichts ändert.
Angebliche Finanzexperten haben etwas geschafft, wozu nicht einmal die abgefeimtesten Wirtschaftskriminellen in der Lage sind, nämlich die Bedrohung der gesamten marktwirtschaftlichen Ordnung durch selbstsüchtiges und riskantes Verhalten.
Die natürliche Intelligenz von Gangstern ist der vieler Banker überlegen, soweit sie verstanden haben, dass man eine Ordnung nicht zerstören darf, wenn man weiter Gewinne aus ihr ziehen möchte.
Die Bedrohungen und Gefahren für die globale Marktwirtschaft kommen nicht aus ärmlichen sizilianischen Schafställen, sondern aus großen Gebäuden aus Stahl und Glas, wo Begriffe wie Governance und Compliance ganz langsam und in angemessener Lautstärke auf jeder Etage vorzulesen und nötigenfalls in eine Sprache zu übersetzen sind, die jeder versteht.
Banken verstehen aber nur die Sprache des Geldes, weshalb weniger philologische Kleinkrämerei als vielmehr der Einsatz des einzig wirksamen Hebels, also des Eigenkapitals nötig ist, um die von angeblich „systemrelevanten“ Banken ausgehenden Gefahren zu verkleinern.
Während in der Industrie eine hohe Eigenkapitalquote als Ausweis von Solidität gilt und Banken von ihren Kunden bei Kreditgeschäften ein Fünftel Eigenkapital verlangen, war die Deutsche Bank bis jetzt immer wieder erfolgreich darum bemüht, dem Rest der Welt weiszumachen, sie müsse mit etwa 97 Prozent Fremdkapital arbeiten, weil sie in einer besonderen Branche angeblich besonders gut sei.
Eine Bank ist eine Bank. Eine kriminelle Vereinigung ist kriminell. Die Tatsache, dass die Deutsche Bank eine Bank ist, bedeutet nicht, dass sich die Usancen in manchen ihrer Geschäftsbereiche von den Handlungsmustern organisierter Krimineller immer hinreichend deutlich unterscheiden lassen.
Inkompetenten wie gestaltungsunfähigen Politikern und asozialen wie raffgierigen Finanzverbrechern gelingt es immer wieder, ihre gemeinsamen Interessen zum Schaden der Allgemeinheit und außerhalb der Reichweite von Polizei und Justiz zu koordinieren und durchzusetzen.
Mittlerweile dürften die meisten „Capos“ jedweder Mafia-Organisation bewundernd zu manchen Finanzverbrechern in der Deutschen Bank und in vielen anderen Geldhäusern aufschauen.
Polizei und Justiz werden der in der Deutschen Bank und in vielen anderen Geldhäusern auf den Führungsetagen verbreiteten Unfähigkeit und kriminellen Energie bis auf weiteres nicht wirksam entgegentreten, weil sie sich in dem weiten Feld zwischen Versagen und Verbrechen nicht orientieren können.
Angesichts des in der Deutschen Bank und in der Finanzbranche insgesamt erreichten Niveaus professionellen Könnens, des ethischen Standards und der zu Tage getretenen kriminellen Energie, wird es höchste Zeit, endlich auch in Deutschland die Bestrafung juristischer Personen zu ermöglichen.
Vor allem müssen die Bankaufsichtsbehörden unverzüglich weiter ertüchtigt und unterstützt werden, damit sie rechtzeitig die notwendigen personellen Maßnahmen treffen können.