Kriminalität

Mit Nigerianischem Voodoo-Zauber ans Bordell gefesselt

Vom harten Leben der Verzauberten als Prostituierte in Deutschland, vom Profit der sie ausbeutenden „Madames“, Menschenhändler und Schleuser, von Ermittlungsarbeit und von Statistiken

Lebenswirklichkeit und Alltag der nigerianischen Prostituierten in Deutschland


Die jungen nigerianischen Frauen in Deutschland haben Angst. In Nigeria wird man für fünf Euros von korrupten Polizisten umgebracht; das weiß dort jede und jeder. Entsprechend groß ist die Angst vor der Polizei auch in Deutschland. Außerdem haben die Mädchen Angst vor Weißen, Angst vor Behörden aller Art, besonders vor Ausländerbehörden, denn sie fürchten die Abschiebung. Die Mädchen arbeiten oft rund um die Uhr, um ihre Schulden schnell abbezahlen zu können. Eine von ihnen erzählt, dass sie ihr Bordell in Köln, in dem sie arbeitete, neun Monate lang nicht verlassen hat. Sie ist nicht ein einziges Mal vor die Tür gekommen. Ihre Madame hat ihr Essen, die notwendige Kosmetik und was sie darüber hinaus brauchte, gebracht. Und sie hat am Fließband Freier empfangen, einen nach dem anderen, rund um die Uhr.



Ein anderes Mädchen hat innerhalb von neun Monaten 40.000 Euro an „seine Madam“ zurückgezahlt. Bedenkt man die Kosten für Miete, Essen, Kleidung und so weiter, weiß man, dass sie rund 80 000 Euro verdient haben muss – in neun Monaten!

Ermittlungen wegen Menschenhandels


Bei einem bundesweiten Nigeria-Kontrolltag, zu dem das BKA aufgerufen hatte, nahm die Polizei in Saarbrücken ein schwarzes Mädchen in einem Bordell fest. Die junge Frau gab zunächst an, aus Togo zu stammen. Andere Hinweise deuteten aber auf den Namen einer aus anderen Verfahren bekannten nigerianischen „Madame“ hin und diese Tatsache legte nahe, dass die junge Frau aus Nigeria stammte.
Die Polizei nahm Kontakt mir der Ausländerbehörde auf und erreichte eine dreimonatige Frist für die Vernehmung der jungen Frau. Sie wurde in Kontakt mit einer Frauenorganisation untergebracht und die Ermittler bemühten sich darum, das Vertrauen der jungen Frau zu gewinnen.
Nach und nach machte diese dann ihre Aussage: Sie war eingeschleust worden und erinnerte sich an den Namen, der auf dem Pass stand, mit dem sie eingeschleust worden war. Dieser Name stand im Zusammenhang mit einer in Berlin ansässigen Schleuserorganisation. Am gleichen Tag waren bundesweit zwei weitere Mädchen mit Bezug zur gleichen „Madame“ festgenommen worden. Die drei Verfahren wurden in Saarbrücken zusammengefasst; Ermittlungen gegen die „Madame“ wurden, unter anderem mit TkÜ-Maßnahmen, eingeleitet.
Dabei erfuhr man, dass die betreffende „Madame“ gerade bei der Berliner Schleuser-Bande ein neues „Mädchen“ aus Nigeria bestellt hatte. Die Polizei hätte am liebsten dessen Einschleusung beobachtet, um anschließend handfeste Beweise gegen alle an diesem Menschenhandel Beteiligten in der Hand zu haben. Damit konnte das Auswärtige Amt sich allerdings nicht einverstanden erklären; so war dieser Weg blockiert.
Auch ohne die neue Schleusung zu beobachten, gelang es, genügend Beweise für eine Anklage gegen die „Madame“ und die Schleuser zusammenzutragen. Ein Verfahren gegen sie wurde 2012 beim Landgericht Berlin eröffnet.

Polizeiliches Ermittlungsverfahren wird von Berlin übernommen


Allerdings musste letztlich das polizeiliche Ermittlungsverfahren von Saarbrücken nach Berlin abgegeben werden. Die „Madame“, gegen die ermittelt wurde, wohnte in Bremen. Die Schleuser wohnten in Berlin. Da passte es schlecht in das Konzept der Umstrukturierung der saarländischen Polizei, dass ausgerechnet in Saarbrücken, wo lediglich eine der Zeuginnen des Verfahrens festgenommen worden war, die Ermittlungen geführt wurden. Schließlich entstehen bei diesen Ermittlungen erhebliche Kosten, unter anderem alleine deshalb, weil fast alle relevante abgehörten Gespräche und alle Vernehmungen nigerianischer Zeuginnen von einem Dolmetscher übersetzt werden müssen.
Die Kollegen bei der Berliner Polizei taten sich zunächst schwer mit der Entscheidung, ob bei den Ermittlungen das Delikt „Schleusung“ oder das Delikt „Menschenhandel“ im Vordergrund steht. Letztlich übernahm dann die das Bundespolizeipräsidium das Ermittlungsverfahren gegen die Schleuserorganisation und eröffnete zusätzlich ein Verfahren gegen die Angestellten der Deutschen Botschaft in Nigeria wegen des Verdachts, falsche Pässe und Visa ausgestellt zu haben. Zunächst wurde das Verfahren wegen Menschenhandel weiterhin in Saarbrücken geführt.
Die zusammenfassende Konsequenz aus diesem Bericht soll Klaus Hiller überlassen bleiben, der als Präsident des BKA Baden-Württemberg in einem Vortrag schon 2006 bei der BKA-Herbsttagung feststellte: „Die Bekämpfung des Menschenhandels als besonders menschenverachtende Form der Schleusungsfolgekriminalität verdient ... eine strategische Schwerpunktsetzung. Ich glaube, dass dies und die damit verbundenen langfristigen Auswirkungen nicht wirklich wahrgenommen werden.

  • Menschenhandelsverfahren sind schwierig, zeitlich und personell aufwändig und teuer. Die Abläufe des Menschenhandels tangieren jeweils Teilzuständigkeiten von Bundespolizei, Landespolizei und FKS. Diese Voraussetzungen zwingen zu einer Bündelung unserer Ressourcen bei der Bekämpfung dieses Kriminalitätsfeldes.
  • Fachberatungsstellen für Menschenhandelsopfer sind konsequent einzubinden. Nur durch deren begleitende Maßnahmen kann eine Verbesserung des Schutzes von Menschenhandelsopfern erreicht werden.
  • Die Aufnahme der Grundtatbestände des Menschenhandels in den Katalog des § 100a StPO und die Wiedereinführung des mit dem Prostitutionsgesetz 2002 abgeschafften Tatbestandes der „Förderung der Prostitution“ sollte aufgrund der vor Ort gemachten Erfahrungen angestrebt werden.
  • Deshalb ist es wichtig, das Bund und Länder die Rechtstatsachensammelstelle (RETASAST) beim Bundeskriminalamt nachhaltig unterstützen. Hier müssen die Erfahrungen aus der Praxis dokumentiert und zusammengefasst werden.“

Hillers Vortrag „Herausforderungen und Problemlagen bei konkreten Ermittlungsverfahren – Handlungserfordernisse im Bereich Menschenhandel / Schleusung“ ist in Kurzfassung in der Dokumentation der BKA-Herbsttagung auf der BKA-Webseite nachzulesen. Seine Forderungen haben unverändert Gültigkeit.

Mehr Informationen:


Der Film „Ware Frau“ berichtet über nigerianische Zwangsprostituierte in Deutschland. Er ist abrufbar in der ARD-Mediathek: www.ardmediathek.de/wdr-fernsehen/die-story/die-story-ware-frau-als-zwangsprostituierte-in
Der Vortrag von Klaus Hiller bei der BKA-Herbsttagung 2007 sowie das zitierte Urteil sind als PDF-Dateien unter diesem Artikel hinterlegt.

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