Weibliche Selbstmordattentäter in den Palästinensergebieten
Gesellschaftliche Resonanz und sicherheitspolitische Bedeutung.
„Und glaubt nicht, dass diejenigen, die um Gottes willen getötet worden sind, wirklich tot sind. Nein, sie sind lebendig und werden bei ihrem Herrn versorgt.“ (Sure 3, Vers 169) Am Morgen des Tages, an dem sich die Palästinenserin Darin Abu Aisha an einem israelischen Checkpoint in die Luft sprengte, forderte sie ihre Schwester auf, diesen Koranvers vorzutragen. Wenig später sprach ein Großteil der palästinensischen Gesellschaft von der Märtyrerin Darin Abu Aisha. Märtyrerin, weil sie sich für die Religion „geopfert“ hatte und islamisches Land von der israelischen Besatzung befreien wollte. So wurde Darins Selbstmordattentat von palästinensischer Seite interpretiert. Als Märtyrerin sei sie nun im Paradies, bei Gott, wie die genannte Sure, betont. Der vorliegende Beitrag will sich dem Phänomen der weiblichen Märtyrer widmen, fragen, inwiefern die Frauen mit ihren Selbstmordattentaten in der palästinensischen Gesellschaft Anerkennung gefunden haben. Zudem soll skizziert werden, welche Bedeutung dieses Phänomen für die Sicherheitsbehörden in dieser Region hat und was wir daraus lernen können. Die hier vorgestellten Ergebnisse sind zu einem großen Teil Produkt einer Feldforschung, die ich in der palästinensischen Stadt Nablus durchgeführt habe.
Britt Ziolkowski
Islamwissenschaftlerin
Doktorandin an der
Universität Hamburg
Märtyrerkultur
Bis vor wenigen Jahren herrschte in den Palästinensergebieten eine regelrechte Märtyrerkultur. Ihre Anfänge gehen zurück bis in die 1930er Jahre, als es die ersten großen Kämpfe zwischen der palästinensischen Bevölkerung und den jüdischen Siedlern gab. Die Palästinenser, die im Laufe der jahrzehntelangen Auseinandersetzungen mit den jüdischen Siedlern und später dem israelischen Staat getötet wurden, feierte man fortan als Märtyrer. Über ihren Tod wurde gedichtet und ihr Heldentum besungen, Schulen und Plätze erhielten ihre Namen, später kamen Poster mit ihren Konterfeis und Urkunden der verschiedenen militanten Organisationen hinzu. Ein wichtiges Dokument, mit dem der Märtyrerkultur Ausdruck verliehen wurde, stellen die so genannten Martyrologien dar. Dabei handelt es sich um Verzeichnisse, die Angaben zu den Lebens- und Todesumständen der Märtyrer liefern. Diese Register gewannen vor allem seit der Ersten Intifada an Popularität. Hier werden diejenigen aufgelistet, die von israelischen Soldaten getötet wurden und diejenigen, die – wie Darin Abu Aisha – ein Selbstmordattentat ausführten. Der Betrachter findet hier vor allem männliche Namen, doch hin und wieder gab es auch Frauen, die den Märtyrertod starben und in die Verzeichnisse aufgenommen wurden.1
Intifada
Das arabische Wort Intifada bedeutet wortwörtlich Erhebung oder Abschüttelung. Im palästinensischen Kontext sind damit die beiden Volksaufstände gemeint. Die Erste Intifada brach im Dezember 1987 aus. Die Zweite Intifada (auch al-Aqsa-Intifada genannt) im September 2001. Die Aufstände dauerten jeweils mehrere Jahre und werden von palästinensischer Seite als Ausdruck für die große Verzweiflung und Wut gewertet, jahrzehntelang unter israelische Besatzung zu leben und keine Aussicht auf einen eigenen Staat zu haben. Während der Zweiten Intifada wurden Selbstmordattentate zu einem wichtigen Instrument der militanten palästinensischen Organisationen.
Rolle der Frau im palästinensischen Widerstand
Denn die Beteiligung der palästinensischen Frauen am Widerstand ist so alt, wie der Widerstand selbst. Seit den 1920er Jahren engagierten sie sich zunächst im Rahmen von Demonstrationen, sie verteilten Flugblätter, organisierten Streiks, versorgten und versteckten die palästinensischen Kämpfer. Zudem gab es immer wieder Frauen, die sich selbst am Kampf beteiligten – doch scheint diese militante Form des Widerstandes nicht so verbreitet gewesen zu sein wie die oben angeführten Tätigkeiten. Vor allem jedoch in den späten 1960er und in den 1970er Jahren machten einige Frauen mit ihrer Militanz auf sich Aufmerksam. Darunter die Palästinenserin Laila Khaled, die 1969 und 1970 durch zwei Flugzeugentführungen bekannt wurde. Khaled legte in ihrer Biografie dar, welch weit reichende Konsequenzen ihr Beitritt in den Widerstand für sie persönlich hatte: „Wenn eine Frau sich für diese Phase der Revolution entschied, hieß das endgültigen Abbruch mit ihrer Vergangenheit. Privatleben und Wünsche waren nur noch zweitrangig.“2 Geehrt wird auch noch heute eine junge Frau namens Dalal Mughrabi, die 1978 einen israelischen Bus entführte. Durch einen Bombenanschlag tötete sie sowohl die Gruppe im Bus als auch sich selbst.
Dann blieb es zwei Jahrzehnte ruhig um die militanten Palästinenserinnen. Zu Beginn der Ersten Intifada stellten die jungen Frauen etwa die Hälfte der Aktivisten auf der Straße. Sie warfen Steine auf die israelischen Soldaten und wurden von den männlichen Aktivisten als gleichberechtigt angesehen. Im Laufe der Intifada verschob sich der Fokus der Beteiligung allerdings wieder auf „Hilfsarbeiten“ und gewaltfreie Tätigkeiten. Erst im Rahmen der Zweiten Intifada tauchte eine Reihe von Frauen auf, die mittels der Selbstmordattentate eine neue Form der Gewaltbereitschaft an den Tag legte. Doch auch hier spielten die Frauen nur eine marginale Rolle vor dem Hintergrund der männlichen Dominanz auf diesem Feld: Seit 1993 führten weit mehr als 100 palästinensische Männer einen Selbstmordanschlag aus. Die erste palästinensische Frau kann erst auf das Jahr 2002 datiert werden, danach folgten ihr neun weitere Palästinenserinnen.
Selbstmordattentäterinnen in den Palästinensergebieten
Die Aqsa-Märtyrer-Brigaden rekrutierten fünf weibliche Selbstmordattentäter. Vier der Frauen führten ihre Taten im Jahr 2002 durch, die fünfte über zwei Jahre später. Wafa Idris tötete bei ihrem Anschlag, der in einem Schuhgeschäft in Jerusalem stattfand, sich selbst und einen Israeli. Über 100 weitere Passanten wurden verletzt. Darin Abu Aisha tötete sich und ihre beiden palästinensischen Begleiter, als sie – noch vor Erreichen des angepeilten Ziels – ihre Bombe an einem israelischen Checkpoint zündete. Ayat al-Akhras führte ihre Tat in einem Einkaufzentrum in Jerusalem durch. Sie selbst sowie ein Israeli und eine Israelin wurden getötet. Andalib Taqatqa tötete sich selbst und sechs Israelis bei dem Anschlag, den sie an einer Bushaltestelle in Jerusalem durchführte. Über vierzig Personen wurden verletzt. Zainab Abu Salem führte ihr Attentat nahe einer beliebten Anhalterstelle in Jerusalem durch, nachdem sie zwei israelischen Polizisten aufgefallen war. Sie tötete sich selbst, die beiden Polizisten und verletzte über ein Dutzend Passanten.
Der Palästinensische Islamische Dschihad begann seine Attentats-Serie im Jahr 2003. Insgesamt reklamierte die Organisation Verantwortung für die Taten von drei Frauen. Hiba Daraghmeh führte ihre Tat in der nordisraelischen Stadt Afula durch. Bei dem Anschlag, der in einem Einkaufszentrum stattfand, tötete sie sich selbst und drei Israelis. Es gab 50 Verletzte. Hanadi Dscharadat führte ihre Tat in einem Restaurant in der israelischen Hafenstadt Haifa durch. Sie tötete 21 Gäste und sich selbst. 51 Menschen wurden verletzt. Mirfat Masud tötete sich und verletzte mehrere israelische Soldaten bei ihrem Anschlag in Beit Hanun im Gazastreifen.
Die Hamas hat mit zwei Attentäterinnen vergleichsweise wenige Frauen zu Märtyrerinnen gemacht. Die erste der beiden Frauen führte ihre Tat 2004 durch, die andere erst zwei Jahre später. Das Attentat von Rim Riyaschi fand an dem israelischen Grenz-Checkpoint Erez im Gazastreifen statt. Vier Israelis und die junge Frau kamen dabei ums Leben. Hamas und die Aqsa-Märtyer-Brigaden gaben im Anschluss der Tat bekannt, dass beide Organisationen an der Planung und Durchführung beteiligt waren. Fatima Nadschar war die älteste und letzte der Frauen. Nadschar war bereits 64 Jahre alt, als sie ihr Attentat im Gazastreifen durchführte. Sie verletzte zwei israelische Soldaten und tötete sich selbst.
Auffallend ist überdies, dass die palästinensischen Frauen keine Rolle im Straßenkampf spielten: Bis ins Jahr 2007 prägten die bewaffneten Mitglieder der militanten Organisationen das Straßenbild der palästinensischen Städte – doch Frauen waren nicht unter ihnen. Ehemalige Mitglieder der Aqsa-Märtyrer-Brigaden und der Hamas erklärten mir während meiner Feldforschung, warum die Frauen sich nicht am Straßenkampf beteiligten. Aus den Gesprächen wurde ersichtlich, dass es vor allem bestehende gesellschaftliche Normen sind, die den Frauen eine Teilnahme am Straßenkampf verwehren. Die stark patriarchalisch geprägte palästinensische Gesellschaft erlaubt nur den Männern den öffentlichen Gebrauch von Waffen. Von unserem westlichen Betrachtungsstatus erscheint es interessant und inkonsequent, dass die palästinensische Gesellschaft derart zwischen Selbstmordattentat und bewaffneten Straßenkampf unterscheidet. Schließlich tragen auch die Frauen, die einen Anschlag ausüben, mit ihrem Sprengstoff eine Waffe am Körper. Doch die palästinensischen Männer und Frauen differenzieren klar zwischen dem öffentlichen und geheimen Tragen von Waffen. Wonach, dies ist mir gegenüber in den Gesprächen ebenso deutlich formuliert worden, Frauen auch Gewehre und andere martialische Symbole schmuggeln dürfen. Gerade vor dem Hintergrund dieser Unterscheidung erscheint es interessant, zu schauen, in welchen Punkten sich die Selbst- und Außenwahrnehmung der weiblichen Aktivisten von denen der männlichen unterscheidet.
Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung der weiblichen Selbstmordattentäter
Im Fall von Darin Abu Aisha kann man – in der Retrospektive betrachtet – verschiedene Besonderheiten feststellen, die so nicht auf männliche Attentäter übertragbar sind. Eine der augenscheinlichsten Besonderheiten kann man bereits auf den Beginn ihres Vorhabens datieren: Sobald eine Person sich für ein Selbstmordattentat entschieden hat, wird eine militante Organisation angefragt, die sie mit dem notwendigen Rüstzeug ausstattet und im Nachhinein Verantwortung für die Tat der Person reklamiert. Im Normalfall gehört der Märtyrer oder die Märtyrerin in spe bereits einer der Organisationen an – sie fühlen sich ihr verbunden, teilen ihre politischen Ziele und Ideologie, waren bereits in anderer Art und Weise aktiv für sie. Darin Abu Aisha engagierte sich schon lange für die Hamas. Ihre gesamte Familie fühlt sich dieser Organisation nahe. So stand für die junge Frau außer Frage, dass sie die Hamas um Kooperation bitten wollte. Als Darin Abu Aisha bei der Hamas irgendwann Ende 2001, Anfang 2002 anfragte, existierte das Phänomen der weiblichen Selbstmordattentäter noch nicht in den Palästinensergebieten. Erst Ende Januar 2002 sprengte sich die erste Frau, Wafa Idris, in Jerusalem in die Luft. Für ihre Tat reklamierten die Aqsa-Märtyrer-Brigaden Verantwortung. Die Hamas stand der Anfrage von Darin zu jener Zeit noch skeptisch gegenüber: Die Organisation wollte die junge Frau nicht unterstützen. Darin Abu Aisha hielt jedoch an ihrem Vorhaben fest und wandte sich – notgedrungen – an die Aqsa-Märtyrer-Brigaden. Dass die Organisation gegenüber der Hamas eine konträre Ideologie vertrat, wusste die Frau und nahm dies in Kauf. Erst zwei Jahre nach Darins Tat entschied sich auch die Hamas dazu, Frauen Selbstmordattentate durchführen zu lassen.
Eine weitere Besonderheit, der Darin Abu Aisha gegenüberstand und die so nicht auf männliche Aktivisten übertragen werden kann, ist im Rahmen ihrer Tat selbst zu finden. Die junge Frau musste für ihre Tat den Weg von Nablus, ihrer Heimatstadt, nach Jerusalem, dem geplanten Ziel für ihre Tat, mit dem Auto zurücklegen. Normalerweise wird der Märtyrer oder die Märtyrerin in spe von anderen Mitgliedern der Organisation gefahren. Der Fahrer und die anderen Begleiter haben zudem die Aufgabe, die Motivation des potentiellen Selbstmordattentäters zu halten und dafür zu sorgen, dass er sein Vorhaben nicht kurz vor dem Ziel noch fallen lässt. Dies war auch bei Darin Abu Aisha der Fall. In ihrem Auto saßen zwei Männer, die den Aqsa-Märtyrer-Brigaden angehörten und die junge Frau ans Ziel bringen sollten. Was unterscheidet diese Konstellation von einer vergleichbaren Situation mit einem männlichen Selbstmordattentäter? Der Unterschied besteht darin, dass die Frauen mit einer solchen Situation gegen die konservativ-traditionellen islamischen Geschlechterkonventionen verstoßen: In den Palästinensergebieten ist es normalerweise undenkbar, dass eine Frau mit Männern, die nicht der Familie angehören, derartigen Umgang pflegt.
Für die Selbstdarstellung ist überdies das so genannte Märtyrertestament von Interesse. Das Testament wird vor der Tat von der Attentäterin oder dem Attentäter in spe angefertigt, manchmal auch in einer Videobotschaft verlesen. Da es sich bei den Testamenten um vertragsähnliche Dokumente handelt, gibt es eine gewisse verbindliche Form, die sowohl die Männer als auch die Frauen einhalten. Vor allem in Hinblick auf den Aufbau ähneln sich die Testamente daher sehr. So werden das Vorhaben und das Ziel angekündigt, die Tat legitimiert und Appelle an die Leser gerichtet. Dennoch haben die Autoren im Rahmen dessen gewisse Gestaltungsmöglichkeiten. Aufgrund dieser Individualität kann man in Darins Testament3 Merkmale finden, die so in keinem Testament eines männlichen Aktivisten zu finden sind. So ist überaus auffallend, dass sich Darin Abu Aisha für das Recht der Frauen, Selbstmordattentate durchzuführen, einsetzt. Dies wohl als Versuch, ihre Tat zu legitimieren. Ihr war bewusst, dass sie mit ihrem Vorhaben Neuland betritt – nicht zuletzt durch die Absage, die sie zuvor von Seiten der Hamas erhalten hatte. Mit verschiedenen Argumenten, die durchweg ihr Geschlecht und ihre Weiblichkeit thematisieren, versucht sie, ihren Einsatz als legitim und richtig darzustellen. Am Ende ihres Testamentes konstatiert sie: „Die Rolle der palästinensischen Frau beschränkt sich nicht auf das Beweinen des Mannes, des Bruders oder Vaters, vielmehr werden wir mit unseren Körpern zu menschlichen Bomben, die sich hier und dort verbreiten, damit die Illusionen der Hoffnung des israelischen Volkes zerstört werden.“ Nach ihrer Tat wurde die junge Frau schließlich von einem Großteil der palästinensischen Gesellschaft als Märtyrerin anerkannt.
Reaktion der Familie
Doch wie fielen die Reaktionen im Einzelnen aus? Wurde der Märtyrertitel ohne Einschränkung verliehen? Oder gab es Zweifel an der Legitimität ihrer Tat? Auf den ersten Blick scheinen die Antworten auf diese Fragen klar, richtet man sich an die Familie von Darin Abu Aisha. Im Haus der Familie sieht man Plakate an den Wänden und Urkunden auf der Anrichte, mit denen die junge Frau als Märtyrerin geehrt wird. Die Plakate und Urkunden stammen von verschiedenen militanten Organisationen und drücken Stolz und Ehrerweisung für die junge Frau aus. Die Familie bekräftigte zudem in ihren Aussagen, dass Darin als Märtyrerin im Paradies ist. Ein Bruder betonte in den Gesprächen, die ich in Nablus mit ihm führte, dass Darins Anschlag eine „ehrenvolle Tat“ war. Sie sei damit den Forderungen des Islam nachgekommen, die islamischen Heiligtümer und die Religion zu verteidigen. Während meiner Treffen mit der Familie wurde jedoch auch deutlich, dass neben diesem nach Außen getragenen Stolz noch weitere Emotionen existieren. So konnte ich beobachten, wie die Mutter in Tränen ausbrach, als sie einige Erinnerungsstücke der Tochter bereitstellte. In der Tat scheint dieser Zwiespalt der Gefühle generell bei Märtyrer-Familien vorhanden. Beides, Trauer und Stolz, scheinen einen festen Platz im Rahmen der Verarbeitung des Todes einzunehmen.
Militante Aktivisten bei einer Kundgebung in Nablus
In einigen Punkten unterscheidet sich die Wahrnehmung der Abu Aishas von der Wahrnehmung der Familien, die einen männlichen Attentäter hervorbrachten. So war in dem gesamten Haus der Familie kein Foto von Darin zu sehen, auf dem sie sich mit martialischen Symbolen zeigte. Dies, obwohl mindestens ein solches Motiv existiert. Darin Abu Aisha nahm dieses Foto im privaten Rahmen mit einer Cousine auf. Ein Schal und ein Kopfband zeigen, dass sie mit der Hamas sympathisiert. Sie hält einen Dolch in der einen Hand, der Zeigefinger der anderen Hand ist gen Himmel gestreckt. Neben diesem Motiv gibt es zudem das Video, auf dem sie ihr Testament verliest. Hier sieht man sie unter anderem mit einer Pistole in der Hand. Solche Bilder werden normalerweise extrahiert, um den Märtyrer oder die Märtyrerin auf Plakaten und Bilder in Pose zu setzen. In dem Haus von Darins Familie existieren solche martialischen Fotos jedoch nur von männlichen Märtyrern. So sieht man ihren Cousin, der ebenfalls ein Selbstmordattentat durchführte, mit einer Kalaschnikow im Anschlag. Ein ähnliches Bild präsentiert einen weiteren Aktivisten aus der Region, der vom israelischen Militär erschossen wurde. Nur von Darin fehlen diese Bilder. Hier kann man spekulieren, ob die Familie davon absah, Darin in einer solch martialischen Pose zu zeigen, weil ein solches Foto den traditionellen Geschlechterkonventionen vor Ort widerspricht.
Ein weiterer Unterschied in der Wahrnehmung wurde in den Gesprächen mit der Familie deutlich. Obwohl die gesamte Familie Darin als Märtyrin ansieht, kann man nicht von einer bedingungslosen Akzeptanz sprechen. Die Mutter betonte, dass ein Selbstmordanschlag nicht zu den Aufgabenbereichen einer Frau gehört. Die Frauen sollten sich stattdessen um die Kämpfer kümmern, sie mit Nahrung und Wasser versorgen, oder aber die Kinder gemäß dem richtigen Glauben erziehen. Ein Bruder sagte, dass der Einsatz mit Waffen und Selbstmordanschläge nicht zum Naturell der Frauen passen. Somit kann man festhalten, dass die Familie den gesellschaftlichen Status der jungen Frau post mortem zwar akzeptiert, die Tat an sich jedoch nicht als für Frauen legitim ansieht.
Militante Organisationen
Die gleiche Dichotomie ist auch für die militanten Organisationen auszumachen. Auf der einen Seite existieren Urkunden, Plakate und Martyrologien, auf denen die Märtyrerinnen als Heldinnen gefeiert und verehrt werden. Insbesondere die Urkunden und Plakate scheinen hierbei mit denen, die für männliche Aktivisten angefertigt wurden, austauschbar. Sowohl für Männer als auch für Frauen ist auf diesen Dokumenten von Heldentum und Martyrium zu lesen. Im Rahmen der Martyrologien werden hingegen geschlechterspezifische Merkmale deutlich. So wird Darin Abu Aishas Martyrologie4 von den militanten Organisationen benutzt, um auf der einen Seite ein spezifisches Frauenbild zu verbreiten und auf der anderen Seite Kritik an den Männern zu üben, die sich nicht am Kampf gegen Israel beteiligen. Zudem kann man in dem Dokument ein sehr individuelles Element ausmachen: Die Martyrologie, die von der Hamas angefertigt wurde, soll rechtfertigen, warum Darin von der Organisation abgelehnt wurde und sie sich an die Aqsa-Märtyrer-Brigaden wenden musste. Dabei wird die Verantwortung für die Entscheidung auf einen Funktionär übertragen, der somit in die Rolle des Schuldigen gedrängt wird. So wird in der Martyrologie deutlich, dass die Hamas ihre Entscheidung, die junge Frau abzulehnen, im Anschluss an das Selbstmordattentat anzweifelte.
Militante Organisationen
Bei den militanten Organisationen, zu deren Taktiken auch das Selbstmordattentat gehört, handelt es sich um die Hamas, die Aqsa-Märtyrer-Brigaden, Palästinensischer Islamischer Dschihad (PIJ) und die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP). Die Organisationen unterscheiden sich in ihren ideologischen Ausrichtungen. Hamas und PIJ werden zu dem islamistischen Lager gezählt. Die PFLP kann man als linksgerichtete nicht-religiöse Organisation klassifizieren. Die Aqsa-Märtyrer-Brigaden werden oft als säkular mit nationalistischer Ideologie beschrieben.
Auf der anderen Seite existieren die Aussagen von Mitgliedern der militanten Organisationen. Die Ausführungen zeigen in vielen Fällen – anders als die Urkunden, Plakate und Martyrologien – eine Ablehnung des Phänomens weiblicher Selbstmordattentäter auf. Die Gespräche, die ich mit ehemaligen einfachen Kadern der Hamas und der Fatah in den Palästinensergebieten führen konnte, ähnelten sich. Fast ausnahmslos sprachen sich die Männer gegen eine Beteiligung der Frauen an militanten Aktivitäten aus. Die Frauen sollten weder Waffen tragen und schießen, noch Selbstmordattentäter werden. Stattdessen plädierten die ehemaligen Aktivisten für eine Beteiligung der Frauen an Hilfsarbeiten, wie der Versorgung und Unterstützung der Kämpfer. Bemerkenswert war zudem, dass einige der Männer den Frauen, die Selbstmordattentate durchführten oder planten, persönliche Motive unterstellten: Darin Abu Aisha, so die Aussage eines Aktivisten, habe ihre Tat aus persönlicher Verzweiflung durchgeführt. Sie sei verliebt gewesen, doch ihre Liebe wurde nicht erwidert. Gerüchte dieser Art fehlen für die männlichen Aktivisten – ihnen sagt man nach, dass sie ihre Taten für die Religion und das Land durchführten.
Auch die ranghohen Funktionäre der Organisationen sprachen sich nicht durchweg für eine Beteiligung der Frauen an solchen Aktionen aus. Als beispielhaft gelten hier die Aussagen des ehemaligen Generalsekretärs der Hamas Abd al-Aziz ar-Rantisi. Dieser hatte nach dem Auftreten der ersten Selbstmordattentäterin über Monate hinweg eine Bandbreite von Meinungen an den Tag gelegt. Seine frühen Ausführungen sprechen für eine Ablehnung des Phänomens, später legitimierte er die Taten der Frauen mit Koransuren, schließlich schränkte er wieder ein und befürwortete eine Beteiligung nur für Frauen, die bereits Kinder bekommen haben. Mit seinem letzten Standpunkt machte er deutlich, dass die Frauen zunächst und primär ihre demografische Aufgabe erfüllen und so für reichlich männlichen Märtyrernachwuchs sorgen sollen.
Religiöse Autoritäten
Ähnliche Reaktionen sind auch bei den religiösen Autoritäten zu finden. Diesen Gelehrten kommt im Islam und in islamisch geprägten Gesellschaften ein hoher Stellenwert zu. Aufgrund dessen sind ihre Standpunkte für spezifische Probleme als tendenziös für die gesamte Gesellschaft zu werten. Einer der bedeutendsten Geistlichen innerhalb der palästinensischen Gesellschaft stellte bis zu seiner Ermordung durch das israelische Militär im Jahr 2004 Ahmad Yasin dar. Yasin war einer der Gründer und zudem spirituelles Oberhaupt der Hamas. Auch er äußerte sich mit dem Auftreten der ersten Selbstmordattentäterin zu diesem Phänomen. Über mehrere Monate hinweg veröffentlichte er seine Standpunkte, die – ähnlich wie bei ar-Rantisi – stark schwankend und sich teilweise widersprechend waren. Zu Beginn lehnte auch er eine derartige Beteiligung der Frauen am palästinensischen Widerstand ab. Ein Argument für seine Ablehnung war die große Anzahl von Männern, die sich freiwillig für ein Selbstmordattentat zur Verfügung stellen wollten. Ein weiteres Argument für seinen Standpunkt war der für die Tat notwendige, vor dem Hintergrund religiöser Standards jedoch zu vermeidende Kontakt zwischen einer weiblichen Selbstmordattentäterin und diversen männlichen Aktivisten der Organisation. Yasin ordnete die Selbstmordattentate somit den traditionellen Geschlechterkonventionen unter. Zudem stellte der Geistliche fest, dass Frauen sowohl physisch als auch psychisch für solche Aktionen nicht geeignet seien. Bereits wenige Wochen später änderte Yasin seinen Standpunkt radikal: Nun legitimierte er die Taten der Frauen, betonte überdies die Belohnungen, die eine Selbstmordattentäterin im Paradies erwarten. Einige Monate später schränkte er diese Akzeptanz wieder ein. Seine Einschränkung untermauerte er mit der fehlenden Effizienz der damaligen Attentäterinnen: Anders als ihre männlichen Kollegen, hätten die Frauen stets nur wenige Opferzahlen vorzuweisen gehabt. Kurz vor seinem Tod und mit dem Auftreten der ersten Selbstmordattentäterin der Hamas lenkte Yasin jedoch ein: Zu diesem Zeitpunkt sprach er sich erneut für die Beteiligung der Frauen an Selbstmordanschlägen aus. Pragmatisch begründete er seinen Meinungswandel damit, dass es für Männer – aufgrund der israelischen Kontrollen – zu schwer sei, Attentate durchzuführen. Frauen seien unauffälliger, könnten so einfacher an das Anschlagsziel gelangen.
Bei meinem Aufenthalt in Nablus konnte ich mit einem weiteren Geistlichen sprechen, der sich dem Phänomen weiblicher Selbstmordattentäter in der Retrospektive widmete. Mahir al-Kharraz, ein lokaler Imam mit weit reichendem Einfluss, sprach sich in unseren Gesprächen strikt gegen die Beteiligung von Frauen an Attentaten aus. Auch er führte das Argument an, dass Frauen im Rahmen der Tatvorbereitung mit Männern, die der Familie fremd sind, Umgang haben müssen. Auch er nannte die fehlende Effizienz der Frauen als weiteres Argument. Hierbei nahm er konkret Bezug auf Darin Abu Aisha und ihre Tat. Er betonte, dass die junge Frau nichts erreicht habe. Darin Abu Aisha konnte keine Opferzahlen vorweisen: Bei ihrem Anschlag – der nicht am geplanten Ziel, sondern notgedrungen an einem israelischen Kontrollpunkt durchgeführt wurde – starben sie selbst und ihre beiden palästinensischen Begleiter. Anhand der Reaktionen dieser gesellschaftlichen Instanzen kann man erkennen, dass das Phänomen der weiblichen Selbstmordattentäter keineswegs bedingungslose Akzeptanz erfahren hat. Obwohl die Frauen als Heldinnen und Märtyrerinnen gefeiert werden, kritisiert sie ein Großteil der palästinensischen Gesellschaft gleichzeitig für ihre Taten. So tritt zu Tage, dass die Rolle der Geschlechter für die traditionell-konservativ islamische Gesellschaft in den Palästinensergebieten ein sehr sensibles Thema ist. Dass Frauen den Märtyrertod als männliche Heldentat für sich reklamieren, führt zu einem Bruch der traditionellen Geschlechterkonventionen. Dieser Bruch ist wiederum verantwortlich für die Irritation der Bevölkerung, die nicht weiß, ob sie die Frauen für ihre Taten verschmähen oder als Heldinnen feiern soll.
Bedeutung für die israelischen Sicherheitsbehörden
Diese gesellschaftliche Irritation wird wahrscheinlich auch dazu beigetragen haben, dass die weiblichen Selbstmordattentäter nur eine marginale Rolle innerhalb des Phänomens des Selbstmordanschlages im Kampf gegen Israel einnahmen. Und dennoch sollte man die Bedeutung dieser Frauen für die israelischen Sicherheitsbehörden nicht unterschätzen.
Selbstmordattentate stellten für israelische Sicherheitskräfte – egal ob von Frauen oder von Männern durchgeführt – eine enorme Herausforderung dar. Die militanten Organisationen wagten sich damit auf ein bis dato unbekanntes Terrain fernab von Guerilla-Kampf, Flugzeugentführungen und großen Schlachten. So garantierten die Attentate den Organisationen einige taktische Vorteile. Geringer finanzieller und personeller Aufwand gehen Hand in Hand mit der Möglichkeit einer großen Opferzahl. Die Anschläge kommen immer überraschend – niemand weiß, wo und wann die Organisationen eine Bombe explodieren lassen. Dies führt wiederum zu einem allgegenwärtigen Gefühl der Angst in der israelischen Gesellschaft. Zudem sind die Attentate enorm medien- und öffentlichkeitswirksam. Für die israelischen Sicherheitsbehörden bedeuten die Anschläge vor allem einen großen Kontrollverlust: Sie können nur schlecht kalkulieren, wann und wo das nächste Attentat durchgeführt wird. Trotzdem versuchten sie sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Dies zeigte sich vor allem in verstärkten Kontrollen zu Lasten der palästinensischen Bevölkerung an den israelischen Kontrollpunkten in den palästinensischen Gebieten und den Grenzen zu Israel.
Private Sicherheitsdienste wurden gegen die Ängste der israelischen Gesellschaft in den Städten eingesetzt: Vor Cafés, in Supermärkten, an Orten, wo mit großen Menschenansammlungen zu rechnen war, untersuchten sie die Kunden und Passanten mit Hardware, die so normalerweise nur an Flughäfen zu finden ist. In den letzten Jahren und seitdem die Anschläge weniger wurden, ist jedoch zu beobachten, dass vor allem die privaten Sicherheitsdienste in den Städten weniger präsent sind. Präventiv gingen die israelischen Sicherheitsbehörden mit allen Mitteln von weit reichenden Abhörtechniken bis zu Drohneneinsätzen vor. So sollten potentielle Attentäter kurz vor ihrer Tat aufgehalten und gestellt werden. Reaktiv setzten sich vor allem zwei Maßnahmen durch: Zum einen riegelten die Sicherheitsbehörden nach Anschlägen regelmäßig die Palästinensergebiete ab, so dass ein Passieren nach und von Israel nicht mehr möglich war. Zum anderen wurde die so genannte Häuserzerstörung eingesetzt. Hierbei wurde das Haus des Attentäters und seiner Familie zerstört – ungeachtet der Tatsache, dass die Familie nichts von der Tat der Attentäters oder der Attentäterin wusste.
Weibliche Selbstmordattentäter verstärkten die enormen Herausforderungen für die israelischen Behörden. Einer der Gründe, warum die militanten Organisationen auch Frauen zu Selbstmordattentaten schickten, ist in den Annahmen und Standards der israelischen Sicherheitsbehörden zu suchen. Bevor Wafa Idris als erste Märtyrerin gefeiert wurde, waren die Selbstmordattentate ausschließlich Terrain der männlichen Palästinenser. Die militanten Organisationen gingen demnach davon aus, dass sie mit weiblichen Aktivisten ein Überraschungsmoment ausnutzen könnten. Denn Frauen wirken weniger verdächtig als Männer, können die israelischen Kontrollpunkte somit leichter passieren. Tatsächlich scheint es so gewesen zu sein, dass die israelischen Sicherheitsbehörden nicht mit Selbstmordattentäterinnen gerechnet haben. Dies spiegelte sich vor allem bei den Kontrollen an den zahlreichen israelischen Kontrollpunkten innerhalb der Palästinensischen Autonomiebehörde und an den Grenzen zu Israel wider. Zwar wurden dort auch Frauen kontrolliert, jedoch nicht mit der Intensität, wie es für die palästinensischen Männer der Fall war. Dieses Ungleichgewicht ist auch heute noch so zu beobachten, dennoch wurden die Sicherheitsmaßnahmen den neuen Gegebenheiten angepasst: Nach den ersten weiblichen Selbstmordattentätern beobachteten und kontrollierten die israelischen Sicherheitsbehörden auch Frauen intensiver.
Ein bestehendes Problem an den Kontrollpunkten ist die Personalverteilung. Oft sieht man an den Checkpoints mehr israelische Soldaten als Soldatinnen. Dies ist in Hinblick auf die Leibesvisitation ein sensibles Thema: Für Unruhen würde es sorgen, wenn israelische Soldaten palästinensische Frauen durchsuchen würden. Schwierig ist aber auch die Kontrolle der palästinensischen Frauen durch israelische Soldatinnen – denn die ersten Untersuchungen finden im Freien und vor den Augen aller Passanten statt. Eine Folge der weiblichen Attentäter ist die Unsicherheit, mit denen die Sicherheitskräfte an den Checkpoints schwangeren palästinensischen Frauen begegnen. Diese wirken potentiell verdächtig: Unter ihrer Kleidung könnte sich, statt des großen Babybauchs, eine Bombe befinden. Von palästinensischer Seite wird so immer wieder von Schikanen berichtet, denen Schwangere an israelischen Kontrollpunkten ausgesetzt sind. Auch Darin Abu Aisha nahm in ihrem Testament Bezug auf diesen Teil der palästinensischen Gesellschaft. Sie schreibt über den ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon, dass dieser versucht hatte, den Märtyrernachwuchs „[…] im Innern ihrer Mütter auf den Barrikaden des Todes“ zu töten. „Barrikaden des Todes“ dient hier als Synonym für die israelischen Kontrollpunkte. In dem Zitat wird allerdings auch deutlich, dass Darin Abu Aisha in jedem palästinensischen Kind einen Widerständler, einen Aktivisten sieht. Für sie sind alle Kinder potentielle Märtyrer, die im Kampf gegen den israelischen Staat den Tod finden.
Globale Relevanz und Fazit
Weibliche Selbstmordattentäter gibt es nicht nur in den Palästinensergebieten. In den 1980er Jahren gab es mehrfach Frauen, die im Libanon-Krieg ein Selbstmordanschlag durchführten. Aktueller sind die Beispiele aus Irak und Tschetschenien. Dort sind weibliche Selbstmordattentäter bis in die Gegenwart präsent. Doch was für die Palästinensergebiete zählt, ist auch auf diese drei Länder und Regionen übertragbar: Die Anzahl der Frauen, die sich an solchen Aktionen beteiligen oder selbst durchführen, ist gering.
Dschihad
Wortwörtlich meint der Begriff Dschihad das Bemühen, ein bestimmtes Objekt zu erreichen. Im religiösen Sinne ist hier das Bemühen um den Glauben gemeint. Eine weitere Bedeutungsnuance ist der „Krieg für den Glauben“. In diesem Sinne umfasst der Begriff alle – gemäß dem islamischen Recht – zulässigen Formen der Kriegsführung für die Verteidigung oder Ausdehnung des islamischen Herrschaftsgebietes zusammen.
Auch in westlichen Ländern gibt es Frauen, die mit militantem Auftreten für den Islam auf sich aufmerksam machen. In den USA ist vor allem der Fall „Dschihad Jane“ öffentlichkeitswirksam gewesen. Colleen LaRose, wie Dschihad Jane mit bürgerlichen Namen heißt, wollte den schwedischen Karikaturisten Lars Vilks töten oder bei dem Versuch, ihn zu töten, selbst als Märtyrerin sterben. Vilks war 2007 von Islamisten für seine Mohammed-Karikaturen angefeindet worden. In Deutschland stand 2011 Filiz Gelowicz vor Gericht. Die Deutsch-Türkin und Ehefrau des Kopfes der so genannten Sauerlandgruppe wurde verurteilt, weil sie al-Qaida und anderen terroristischen Organisationen Geld überwiesen hatte und im Internet Propaganda für dieselben betrieb.
Auch die internationalen Dschihad-Organisationen kokettieren mit einer angeblichen Beteiligung der Frau an militanten Aktionen. Im August 2004 veröffentlichte das Terrornetzwerk al-Qaida erstmals das Online-Magazin „al-Khansa“. Der Name des Magazins ist eine Hommage an eine Muslimin namens al-Khansa, die in frühislamischer Zeit bei Schlachten dichtete und sang und damit die Kämpfer anspornte. Die Verfasser sprachen sich dafür aus, dass sich auch die Frauen am globalen Dschihad beteiligen sollten. Dies zunächst, indem sie die dschihadistischen Aktivitäten finanziell fördern, ihre Ehemänner beim Dschihad unterstützen und die Kinder zu Dschhadisten erziehen. In dem Heft wurde zudem verdeutlicht, dass auch Frauen Umgang mit Waffen lernen sollten. Das Terrornetzwerk verfolgte offensichtlich zwei Ziele mit der Veröffentlichung des Magazins. Erstens sollte die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht werden, dass nun auch Frauen in den Reihen der Organisation zu finden sind. Die Botschaft dahinter: al-Qaida wächst und hat Zugriff auf alle Bevölkerungsschichten. Zweitens sollten in der Tat mehr muslimische Frauen für die Interessen der Organisation gewonnen werden.
Deutlich tritt zu Tage, dass das Phänomen der weiblichen Selbstmordattentäter großes Potential besitzt. Vor allem die taktischen Vorteile sind aus Sicht der rekrutierenden Organisation zu bedenken. Während islamistische Männerkreise leichter einzusehen sind – denn Männer organisieren sich in der Öffentlichkeit, in Moscheen und Vereinen –, scheint es schwieriger, islamistische Frauenkreise zu beobachten. Die Islamistinnen organisieren sich ob der islamisch-konservativen Geschlechterkonversionen eher im Verborgenen, in nicht-öffentlichen Zonen. Wie an dem palästinensischen Beispiel aufgezeigt, werden Frauen auch seltener verdächtigt, sich an terroristischen Aktionen zu beteiligen. Islamistische Frauen könnten somit eine größere Gefahr als die islamistischen Männer darstellen. Doch wird dieses Potential bisher nicht ausgenutzt. Selten werden Frauen für terroristische Einsätze rekrutiert, gering ist ihre Präsenz bei Selbstmordattentaten und anderen militanten Aktionen. Die Gründe dafür sind auch hier in den islamisch-konservativen Geschlechternormen zu suchen: Diese werden von den Islamisten als das übergeordnete System anerkannt, Dschihad und Märtyrertum dem untergeordnet. So bleiben Frauen wie Darin Abu Aisha, die das Martyrium suchte, die Ausnahme in einer männerdominierten Welt.
Palästinensische Märtyrerinnen
von Britt Ziolkowski
Die Autorin veröffentlichte die Ergebnisse ihrer Feldforschung in Nablus unter dem Titel: „Palästinensische Märtyrerinnen. Selbstdarstellung und innerislamische Wahrnehmung weiblicher Selbstmordattentäter.“ Klaus Schwarz Verlag, Berlin, 147 Seiten. Durch die Feldforschung konnten bisher unerforschte Quellen zugänglich gemacht und ausgewertet werden. Der Anhang beinhaltet Abbildungen von Urkunden und Plakaten, sowie das Testament und die Martyrologie von Darin Abu Aisha.
Anmerkungen
Ein Beispiel für die palästinensischen Martyrologien ist im Rahmen der Internetpräsenz der Hamas zu finden unter: www.palestine-info.info/arabic/hamas/shuhda/shuhda.htm
Khaled, Laila 1974: Mein Volk soll leben. München. S. 96.
Ebenfalls zu finden im Rahmen der Internetpräsenz der Hamas: www.palestine-info.info/arabic/palestoday/shuhada/impshuhada/daren.htmZu finden unter: www.palestine-info.info/arabic/palestoday/shuhada/impshuhada/daren.htm
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Mit ihrem aktuellen und vielfältigen Themenspektrum, einer Mischung aus Theorie und Praxis und einem Team von renommierten Autorinnen und Autoren hat „Die Kriminalpolizei“ sich in den vergangenen Jahren einen ausgezeichneten Ruf erworben.
Erklärung einschlägiger Präventions-Begriffe
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