Drogen im Straßenverkehr
Entdeckung eines Phänomens am Beispiel der Polizeidirektion Ludwigshafen am Rhein
Ludwigshafen,
Sonntag, 18.05.2003, 05.56 Uhr.
Eine 18-jährige Pkw-Fahrerin lenkt ihr Fahrzeug, in dem sich vier weitere junge Menschen im Alter von 19 bis 25 Jahren befinden, auf die Kurt-Schumacher-Brücke, die Ludwigshafen und Mannheim verbindet. Auf Grund überhöhter Geschwindigkeit verliert die junge Fahrerin die Gewalt über das Fahrzeug und prallt mit solcher Wucht gegen einen Metallmast, dass der Pkw mit verklemmten Türen in Brand gerät.
Als die Feuerwehr nach Beendigung der Löscharbeiten das Dach des Fahrzeugs entfernt, bietet sich den Einsatzkräften der entsetzliche Anblick von fünf in ihren Sitzen verbrannten jungen Menschen.
Die Fahrerin hatte eine BAK von 1,1 ‰und hatte unter Einfluss von THC gestanden.
Samstag, 21.12.2002, gegen 06.10 Uhr. BAB A 6 zwischen dem AK Frankenthal und der Anschlussstelle Grünstadt, Fahrtrichtung Saarbrücken.
Ein 22-jähriger PKW-Fahrer wendet auf der BAB sein Fahrzeug und fährt entgegen der Fahrtrichtung. Das Fahrzeug des Geisterfahrers kollidiert nach ca. 1 km mit dem PKW einer französischen Familie, die sich auf dem Weg in den Weihnachtsurlaub befindet. Beide Fahrzeuge geraten in Brand. Nach Beendigung der Löscharbeiten werden in den Fahrzeugen die bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Leichen des Geisterfahrers und der jungen Familie mit den beiden Kleinkindern im Alter von drei Jahren und sieben Monaten geborgen.
Die toxikologische Untersuchung der Blutprobe des jungen Unfallverursacher ergab eine BAK von 1,1 ‰ und 3,4 ng THC.
Bernd Römer, Leiter der Polizeidirektion, Ludwigshafen am Rhein
Entschlossene Bekämpfung des Drogenmissbrauchs im Straßenverkehr
Diese zwei Verkehrsunfälle stellten die Spitze einer Serie von fünf Verkehrsunfällen mit drogenbeeinflussten Verursachern dar, die im Bereich des Polizeipräsidiums Rheinpfalz in der Zeit von Dezember 2002 bis Juni 2003 insgesamt 14 Todesopfer forderte.
Glücklicherweise blieb dieses schwarze halbe Jahr ohne Wiederholung. Soweit wir wissen, gab es auch zuvor eine solche Häufung schlimmer Unfälle nicht, wobei wir mit dieser Einschätzung vorsichtig sein müssen, waren wir bis vor einigen Jahren doch gar nicht in der Lage, bei der Unfallaufnahme oder bei einer Verkehrskontrolle eine Drogenbeeinflussung festzustellen.
Dennoch gab uns diese schreckliche Serie in unserem Präsidialbereich einen weiteren Motivationsschub, mit den Bemühungen zur Bekämpfung des Drogenmissbrauchs im Straßenverkehr fortzufahren, die wir Ende 1999 begonnen hatten und deren Entwicklung bis heute ich nachfolgend schildern möchte.
Fahrten unter Drogeneinfluss gibt es immer und überall
„Die Teilnahme am Straßenverkehr unter Drogeneinfluss hat in den letzten Jahren stark zugenommen.„ Solche und ähnliche Aussagen sind immer wieder zu lesen und zu hören. Dabei sind sie ebenso falsch wie irreführend und die Bemühungen zur Korrektur ebenso anstrengend wie erfolglos. Fakt ist, dass mit zunehmender Beschäftigung mit dem Phänomen durch die Strafverfolgungsbehörden die Zahl der bekannt gewordenen Fahrten unter Drogeneinfluss gestiegen ist, das Problem an sich aber größtenteils unentdeckt seit Jahren in unveränderter Dimension besteht.
Selbst der immerwiederkehrende Hinweis auf die Dunkelfeldproblematik im Bereich der Rauschgiftkriminalität kann nicht verhindern, dass das Phänomen bei nächster Gelegenheit wieder falsch beschrieben wird.
Bedenklich stimmt, dass nicht nur Laien diesem fatalen Eindruck erliegen. Auch Dienststellenleiter neigen vereinzelt immer noch dazu (wider besseres Wissen?) zu behaupten, drogenbeeinflusste Teilnahme am Straßenverkehr sei in ihrem Zuständigkeitsbereich kein Problem, um das man sich kümmern müsse, schließlich weise die Statistik nur wenige Einzelfälle auf.
Diese Führungskräfte irren!
Fahrten unter Drogeneinfluss gibt es immer und überall. Sie sind kein Problem der Nächte an Wochenenden in der Großstadt. Es gibt sie in gleicher Quantität und Qualität auch am Mittwochvormittag in der Kleinstadt und auf dem Lande.
Beispielhafte Handlungsmöglichkeiten mit integrativem Ansatz
Mein folgender Bericht über die Entdeckung des Phänomens und die Beschäftigung mit dem Problem in repressiver und präventiver Hinsicht am Beispiel der Polizeidirektion Ludwigshafen am Rhein soll deshalb auch motivieren, sich diesem vielschichtigen, weil in seiner Erscheinungsform spartenübergreifenden Deliktsfeld zu widmen, das in geradezu beispielhafter Weise Handlungsmöglichkeiten im Sinne des integrativen Ansatzes eröffnet. Dabei ist mir natürlich bewusst – und das Bundeslagebild zeigt dies auch deutlich –, dass vielerorts bereits seit Jahren sehr engagiert und mit großem Erfolg an diesem Phänomen gearbeitet wird.
Die Erkenntnis und der Entschluss
Mit Novellierung des § 24a StVG im Jahre 1998 wurden für die Polizei die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, mit einer höheren Handlungssicherheit tätig werden zu können.
Flankierend dazu unterbreitete die Landespolizeischule Rheinland-Pfalz damals Fortbildungsangebote für Multiplikatoren.
Im November 1999 gestaltete ein Dienstgruppenleiter der Polizeidirektion Ludwigshafen, der zuvor ein solches Multiplikatorenseminar absolviert hatte, die zentrale Dienstgruppenleiterfortbildung mit dem Thema „Drogenmissbrauch im Straßenverkehr„. Dazu hatte er Kollegen aus dem Saarland, die sich bereits seit einigen Jahren mit dem Phänomen beschäftigt hatten, sowie Prof. Dr. Möller vom gerichtsmedizinischen Institut der Universität des Saarlands eingeladen.
Auch mir war bis zu diesem Tag das Phänomen als Problemfeld im Allgemeinen und insbesondere in seiner Dimension nicht bewusst, aber bereits am Ende dieses Tages erklärte ich in meinem Resümee die Absicht, den Aufbau von Bekämpfungsstrukturen für das Jahr 2000 zum Direktionsziel zu machen – so eindrucksvoll waren die Berichte der Referenten.
Der taktische Ansatz
Alle Dienststellen, die sich bis dahin dem Problem gewidmet hatten, taten dies durch Einsatz kleiner taktischer Einheiten, die aus dem Regeldienst herausgelöst wurden und sich entsprechend spezialisierten. Bei der Polizeidirektion Ludwigshafen beschlossen wir, einen anderen Weg zu gehen. Wir wollten versuchen, die Kompetenz, eine Drogenbeeinflussung erkennen zu können, möglichst breit zu streuen. Für diesen Entschluss waren folgende Überlegungen ausschlaggebend:
- Der Tatsache, dass mit drogenbeeinflussten Fahrzeugführern immer und überall zu rechnen ist, sollte polizeilicherseits auch immer und überall begegnet werden.
- Das Entdeckungsrisiko bei der Aufnahme von Verkehrsunfällen (bei der PD Ludwigshafen nicht spezialisiert) sollte erhöht werden.
- Für Schwerpunkteinsätze sollte eine große Zahl kompetenter Kräfte bereitstehen.
- Die Fähigkeit zum Erkennen einer Drogenbeeinflussung sollte auch in anderen Einsatzlagen – insbesondere im Hinblick auf die Eigensicherung – Vorteile bringen.
Das Konzept sah deshalb vor, über eine Multiplikatorenstruktur von der Direktions- auf die Inspektionsebene möglichst vielen Adressaten die Kompetenz zum Erkennen einer Drogenbeeinflussung zu vermitteln. Die Multiplikatoren selbst erhielten eine fundierte Ausbildung entweder bei der Landespolizeischule oder in entsprechenden Seminaren, die wir auf Direktionsebene organisierten und im Lauf der Jahre auch für andere Direktionen, Präsidien und Bundesländer und die französische Gendarmerie öffneten.
Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich diesem, für uns neuen Aufgabenfeld – gleich in welcher Funktion – widmeten, taten dies im Nebenamt und auf freiwilliger Basis.
Für die Qualität der Vorgangsbearbeitung war entscheidend, dass die begutachtenden Ärzte qualifiziert fortgebildet wurden. Die in unserem Bereich tätigen Vertragsärzte für die Entnahme von Blutproben waren bis dahin natürlich fast ausschließlich mit alkoholisierten Probanden konfrontiert. Um die gerichtsverwertbare Beurteilung der ungleich subtileren Erscheinungsformen einer Drogenbeeinflussung vornehmen zu können, boten wir eine entsprechende Fortbildung durch Gutachter der Universität Mainz in einem Tagesseminar an. Der Hinweis in der Einladung, dass künftig neben der Ärzteliste für Blutproben bei Alkoholbeeinflussung eine gesonderte für Blutproben bei Drogenverdacht geführt und in diese Liste nur Ärzte mit entsprechender Fortbildung aufgenommen würden, führte in Verbindung mit der Information über die zu erwartende Anzahl von Fällen dazu, dass alle bisher schon unter Vertrag stehenden Ärzte teilnahmen.
Entscheidend für eine erfolgreiche Bekämpfung des Deliktsfeldes war die konsequente Umsetzung der polizeilichen Erkenntnisse in verwaltungsrechtliche Maßnahmen durch die Straßenverkehrsbehörden/Führerscheinstellen. Dieses Schwert erhielt zwar einige Scharten durch die Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2002, wonach bei einmaligem Konsum von Cannabisprodukten der Entzug der Fahrerlaubnis auf dem Verwaltungsrechtsweg unrechtmäßig ist, die Maßnahmen hinterlassen nach unserer Erfahrung dennoch deutlich mehr Wirkung als Bußgeldbescheide und Strafbefehle. Intensive Absprachen und Vereinbarung von Handlungsleitlinien mit den Straßenverkehrsbehörden sind deshalb unverzichtbar.
Der Aha-Effekt
Obwohl wir im Jahr 2000 den Aufbau der Bekämpfungsstrukturen noch nicht bei allen 5 Polizeiinspektionen abgeschlossen hatten, erlebten wir geradezu eine Explosion der Fallzahlen.
Fahrten 2006 | Fahrten 2003 |
Die erneute Steigerung im Jahr 2001 ist auf den Abschluss der ersten Ausbildungsphase bei allen Inspektionen zurückzuführen.
Angesichts dieser Fallzahlenentwicklung bleibt in der Tat kein Raum mehr für ignorante Einstellungen gegenüber dem Phänomen. Mag man bei einem über Jahre andauernden, sich langsam entwickelnden Prozess der Problembefassung angesichts einer parallel verlaufenden Fallzahlenentwicklung noch von Zufall sprechen und eine entsprechende Entwicklung des Problems an sich behaupten können, so ist die schlagartige Entwicklung der Fallzahlen innerhalb eines Jahres so evident korrelierend mit dem Aufbau der Bekämpfungsstrukturen, dass dies nur einen Schluss zulässt:
Dieses Problem gab es als Dunkelfeld in gleicher Qualität und Quantität bereits vorher.
Angesichts der eingangs erwähnten Unfallserie stellt man sich dann zwangsläufig die Frage, ob man diese durch früheren Einstieg in die Problembekämpfung hätte verhindern können. Glücklicherweise gibt es auf diese Frage keine Antwort.
Der Aha-Effekt stellte sich auch in der Frage des „Immer und Überall„ ein.
Die Grafik zeigt die Verteilung auf die Wochentage. Sie basiert auf zwei Erhebungszeiträumen aus den Jahren 2003 und 2006.
Das „Überall„ finden wir über die Jahre dadurch bestätigt, dass sich unsere Polizeiinspektion mit ländlichem Zuschnitt auf dem gleichen Fallzahlenniveau bewegt wie die Dienststellen im mittel- und großstädtischen Bereich.
Schwerpunktaktionen
Flankierend zu den Maßnahmen im Regeldienst, wo nach wie vor die weitaus meisten Fallzahlen geschrieben werden, führen wir seit 2003 Schwerpunktaktionen durch, die sich nicht an örtlichen und zeitlichen Brennpunkten orientieren (Siehe „immer und überall„), sondern daran, wann wir es uns personell am ehesten leisten können, durchschnittlich 10 Beamtinnen und Beamte für 1 - 2 Wochen aus dem Regeldienst herauszulösen.
Bisher haben wir vier solcher Sondereinsätze mit folgenden Ergebnissen durchgeführt:
Diese Sondereinsätze dienen auch dazu, mit der praktischen Arbeit noch nicht so vertraute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im gemeinsamen Einsatz mit erfahrenen Kräften fit zu machen. Auch die unverzichtbaren Maßnahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit lassen sich bei solchen Schwerpunktaktionen ökonomischer und wirkungsvoller umsetzen, als dies im Regeldienst möglich wäre.
Darüberhinaus kombinieren wir unsere bereits erwähnten Multiplikatorenseminare zur praktischen Demonstration jeweils mit einem abschließenden Sondereinsatz.
Die Prävention
In der ersten Phase waren wir vollauf damit beschäftigt, die Kompetenz im repressiven Bereich möglichst breit zu vermitteln.
Vom Jahr 2000 bis heute wurden dadurch im Bereich der Polizeidirektion Ludwigshafen ca. 3.500 Fahrten unter Drogeneinfluss entdeckt und verfolgt.
Während der repressive Bereich also eine positive Entwicklung nahm, hatten wir im Bereich der Prävention noch Handlungsbedarf.
Zwar ist die allgemeine Drogenprävention insbesondere in den Schulen seit Jahren etabliert. Die vielfältigen Möglichkeiten und inhaltlich interessanten Ansätze zur speziellen Prävention „Drogen im Straßenverkehr„ wurden hingegen noch nicht in ausreichendem Maße genutzt.
Dabei tut Aufklärung – insbesondere der „Jungen Fahrer„ – dringend Not:
Fehlerhafte Interpretationen von Grundsatzentscheidungen der Obergerichte durch die Medien und immerwiederkehrende Forderungen nach Freigabe sogenannter weicher Drogen durch Meinungsbildner einzelner politischer Parteien und aus dem Showkomplex haben zu einer Verharmlosung des Drogenkonsums und seiner Gefahren für sich und – speziell im Straßenverkehr – für andere geführt und dabei das Unrechtsbewusstsein nahezu eliminiert.
Gerade mit diesem letzten Phänomen werden unsere Beamtinnen und Beamten bei Verkehrskontrollen permanent konfrontiert.
Das Ludwigshafener Konzept
Die Polizeidirektion Ludwigshafen entschloss sich deshalb im Jahr 2002, ein ganz spezifisches Präventionskonzept aufzulegen. Für diese Entscheidung war zum einen die begründete Vermutung maßgeblich, dass angesichts der festgestellten Dimension des Drogenmissbrauchs von Verkehrsteilnehmern die bis dahin unternommenen Anstrengungen in der allgemeinen Drogenprävention aber auch die vereinzelten Angebote, die sich mit den Gefahren im Straßenverkehr beschäftigten, offenbar nicht zum Erfolg geführt hatten.
Zum anderen fühlten wir uns durch unsere Erfolge im repressiven Bereich aber auch verpflichtet, den potentiellen und aktiv drogenkonsumierenden Verkehrsteilnehmern deutlich zu machen, dass ihr Verhalten nicht nur mit erheblichen Gefahren für sich und andere verknüpft ist, sondern dass sie mittlerweile auch einem erheblich erhöhten Entdeckungsrisiko ausgesetzt sind.
Seither führen wir auf der Basis einer teils selbstentwickelten, teils vorhandene Medien nutzenden Präsentation Präventionsveranstaltungen „Drogen im Straßenverkehr„ durch. Adressaten sind vorwiegend Schüler der 9.Klassen und der 12. Klassen der weiterführenden bzw. der entsprechenden Klassen der berufsbildenden Schulen, aber auch Sportvereine und Ausbildungsbetriebe sowie Personen, die Einfluss auf Konsumenten nehmen können, wie z.B. Mitarbeiter von Jugendämtern, Ausbilder, Lehrer, Trainer und Eltern.
Präventionskonzept auf Landesebene
Nachdem mit ständiger Intensivierung der repressiven Maßnahmen bei mehr und mehr Dienststellen des Landes die Einsicht reifte, begleitende Prävention müsse intensiviert werden, wurde ich 2004 durch das Ministerium des Innern und für Sport beauftragt, ein landeseinheitliches Präventionskonzept zu entwickeln.
Das Konzept wurde in einer multifunktionalen Arbeitsgruppe unter Beteiligung aller Behörden und Einrichtungen erarbeitet, dem Ministerium und den Polizeipräsidien vorgestellt und nach deren Zustimmung für die Polizei Rheinland-Pfalz verbindlich eingeführt.
Das Konzept baut auf drei Thesen auf:
- Die Wirkung von Drogen auf die Verkehrssicherheit ist gefährlicher als allgemein angenommen.
- Das Entdeckungsrisiko ist deutlich gestiegen.
- Die Einbußen an Lebensqualität durch den Verlust des Führerscheins sind
enorm.
Diese Thesen gilt es, in den Präventionsveranstaltungen schlüssig und absolut glaubwürdig zu vermitteln.
Bei der Erarbeitung des Konzepts wurde die Frage eines ganzheitlichen Ansatzes, also einer Verknüpfung mit der allgemeinen Drogenprävention intensiv diskutiert. Dabei kamen wir zu dem Ergebnis, dass zwar weitestgehend Zielgruppenkongruenz, nicht aber Übereinstimmung der Altersgruppen besteht. Wir sind der Ansicht, dass der richtige Zeitpunkt für unseren Präventionsansatz in dem Einstieg der Zielgruppe in die motorisierte Teilnahme am Straßenverkehr (9. Klasse, Erwerb der Mofaprüfbescheinigung) liegt, während die allgemeine Drogenprävention durchaus früher anzusetzen hat. Eine Wiederholung und Intensivierung muss ebenso zeitnah zum Erwerb des Pkw-Führerscheins angeboten werden, da mit dem Wechsel auf diese Fahrzeugart eine deutliche Erhöhung des Gefahrenpotentials einhergeht.
Der Verzicht auf den ganzheitlichen Ansatz stellt sich unseres Erachtens nicht als Schwäche unseres Konzepts dar sondern vielmehr als seine große Stärke, denn es verzichtet weitgehend auf die Darstellung der allgemeinen Drogengefahren, die im Rahmen der allgemeinen Drogenprävention ja bereits vermittelt wurden und den weitaus meisten potentiellen und aktiven Drogenkonsumenten ohnehin bekannt sind. Es lebt stattdessen von den Bezügen zur polizeilichen Praxis und vom Wiedererkennungswert der Adressaten in ihrer Region. Deshalb wurde die landeseinheitliche Präsentation als Basis entwickelt, die mit regionalen Segmenten anzureichern und ausschließlich durch Moderatoren der örtlichen Dienststellen vorzustellen ist. Die Veranstaltungen, die regional ja bereits seit 2002 laufen, sind immer dann am eindrucksvollsten, wenn die Moderatoren von selbsterlebten Kontrollen, Einsatzmaßnahmen und Unfallaufnahmen berichten, zu denen die Adressaten auf Grund von Presseveröffentlichungen oder vom Hörensagen und ihrer Orts- und manchmal auch Personenkenntnis einen persönlichen Bezug herstellen können.
Glaubwürdige Botschaft: Drogenkonsum ist gefährlich, wird entdeckt, führt zum Führerscheinverlust
Neben dieser Herstellung von Betroffenheit durch Wiedererkennung besteht das Hauptanliegen unseres Konzepts in der Vermittlung des Bewusstwerdens eines hohen Entdeckungsrisikos.
Damit die erwünschte Wirkung eintritt, müssen wir in dieser Frage absolut glaubwürdig auftreten. Deshalb wurden die Voraussetzungen für die Auswahl der Moderatoren ganz eng gefasst:
Sie müssen kompetent sein in allem, was Drogenkonsumenten auch wissen. Dazu gehören insbesondere die Stoffkunde, der szenetypische Sprachgebrauch, die spezifischen Wirkungen, angebliche Möglichkeiten zur Wirkungsverschleierung oder –kompensation, Vortestmanipulation etc. Kompetenz und Glaubwürdigkeit auf dem erforderlichen Niveau haben nur Polizeibeamtinnen und –beamte, die zuvor ein Multiplikatorenseminar besucht und sich seither aktiv in der Repression engagiert haben. Selbst unsere anerkannten Fachleute in der Verkehrssicherheitsberatung (Verkehrserzieher) sind wegen des fehlenden spezifischen Praxisbezugs in dieses Programm nicht eingebunden.
Ich habe bereits angesprochen, dass unser Ansatz weniger im Bewusstmachen der gesundheitlichen Eigengefährdung liegt sondern vielmehr in der Vermittlung der Gefahren für andere und des hohen Entdeckungsrisikos. Bei den persönlichen Konsequenzen legen wir den Schwerpunkt auf die Verdeutlichung des Verlustes an Lebensqualität, insbesondere des Verlustes der Mobilität, die ja gerade in der relevanten Altersgruppe von entscheidender Bedeutung ist. Der mögliche Entzug der Fahrerlaubnis auf dem Verwaltungsrechtsweg durch die Straßenverkehrsbehörde unabhängig von der Qualifizierung des Vordelikts (Straftat/Ordnungswidrigkeit), gar unabhängig davon, ob überhaupt eine aktive Verkehrsteilnahme stattgefunden hat, und die Schilderung der Umkehr der Nachweispflicht des Drogenverzichts bis hin zu den gravierenden Problemen, die erste MPU zu schaffen sowie die Darstellung der damit einhergehenden Kosten, hinterlassen deutlich Eindruck.
Am 9.2.2007 wurde die Ausbildung von 115 Moderatorinnen und Moderatoren abgeschlossen, zu denen weitere, auf gleichem Niveau schon seit Jahren tätige Beamtinnen und Beamten hinzuzurechnen sind. Das Konzept war zuvor im Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur vorgestellt worden. Von dort ging eine klare Empfehlung zur Zusammenarbeit an die Schulen. Die Präventionsmaßnahmen sind mittlerweile angelaufen. Es werden etwa 4.150 Schulklassen zu bedienen sein. Dennoch werden wir nach den bisherigen Erfahrungen in der Lage sein, das Präventionskonzept weiterhin ohne Bereitstellung hauptamtlichen Personals zu realisieren, zumal Anfang 2008 weitere 60 Moderatorinnen und Moderatoren ausgebildet werden und damit eine noch breitere Belastungsverteilung möglich wird.
Die Nebenwirkungen
Jede Initiative von ähnlicher Dimension entwickelt erwünschte und unerwünschte Nebenwirkungen.
Die bedeutendste positive Nebenwirkung resultiert nach meiner Auffassung aus dem Verzicht auf den Einsatz weniger Spezialkräfte zugunsten einer Problembefassung durch die Kräfte des Regeldienstes.
Dies führte zu einer so breiten Kompetenzstreuung im Erkennen einer Drogenbeeinflussung, dass davon jede Einsatzkraft auch außerhalb ihrer Aufgabenwahrnehmung im Straßenverkehr profitieren kann. Wer in einer Konfrontationssituation eine Drogenbeeinflussung des Gegenübers erkennt und über daraus resultierende typische Reaktionsmuster Bescheid weiß, kann sich rechtzeitig schützen, geeignete Techniken und Mittel einsetzen und möglicherweise Eskalationen verhindern.
Zur Zeit untersucht die Gerichtsmedizin der Universität Mainz bei einer unserer Polizeiinspektionen durch Aktenabgleich die Wechselwirkung zwischen Drogenbeeinflussung und Widerstandshandlung nach Art und Intensität. Auch diese Initiative ist aus der intensiven Beschäftigung mit dem Phänomen „Drogen im Straßenverkehr„ entstanden.
Natürlich bringt der Einsatz von Spezialkräften Vorteile in der Qualität beim Erkennen einer Drogenbeeinflussung und auch in der Qualität der Folgemaßnahmen. Für mich überwiegen aber nach wie vor die Vorteile einer breiten Kompetenzstreuung wie
- Optimierung der Eigensicherung,
- großes Reservoir geschulter Kräfte für Sondereinsätze und
- flächendeckende Rund-um-die-Uhr-Präsenz.
Eine eher unerwünschte Nebenwirkung entstand durch den rasanten Anstieg der Fallzahlen wegen der in aller Regel nachweisbaren Verstöße gegen §§ 29, 29a BTMG. Die zuständigen Kommissariate der Kriminalinspektionen im Bereich der Polizeidirektion Ludwigshafen wurden durch die Bearbeitung dieser Einfachdelikte so stark belastet, dass wir uns gezwungen sahen, den Polizeiinspektionen eine genau definierte Endbearbeitungszuständigkeit zu übertragen, die so mit dem LKA abgestimmt wurde.
Abschließende Sachbearbeitung von Vergehen nach dem BtmG im Zusammenhang mit „Drogen im Straßenverkehr„ bei Besitz/Erwerb von:
- Haschisch/Marihuana bis 10 Gramm
- Amphetamin bis 10 Gramm
- Ecstasy bis 10 Stück
- Psylocybin Pilze bis 10 Gramm
Diese Aufgabenübertragung auf die Polizeiinspektionen hat sich nicht nur aus ökonomischen Gründen bewährt, sie führte auch zur Steigerung der Zufriedenheit bei den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern. Informationsverluste wurden durch das enge Zusammenwirken mit den Fachkommissariaten verhindert.
Weitere positive Nebenwirkungen sind in der gestiegenen Zahl der ED-Behandlungen und in den bei jeder täterbezogenen Dunkelfeldaufhellung entstehenden Auswirkungen auf die Gesamtaufklärungsquote zu sehen.
Dass durch die intensive Zusammenarbeit mit den Schulen ein deutlicher Abbau von Ressentiments gegenüber der Polizei feststellbar wurde, der sich natürlich auch in anderen Feldern notwendigen gemeinsamen Handelns positiv bemerkbar macht, kann gar nicht hoch genug bewertet werden.
Das Fazit
Das Phänomen „Fahren unter Drogeneinfluss“ ist ein internationales Problem. Es wird uns angesichts der allgemeinen Missbrauchsproblematik auch in Deutschland in nicht absehbare Zukunft hinein weiter beschäftigen. Die Fremdgefährdung durch Verkehrsteilnahme unter Drogeneinfluss verpflichtet uns in besonderem Maße, dieses Problem auch dort anzugehen, wo bisher noch die Meinung vorherrschte, es existiere nicht.
Wir werden uns als Polizei auf die Bekämpfung der Symptome zu beschränken haben. Nach meiner Überzeugung sind wir aber durchaus in der Lage, durch Verknüpfung engagierten Handelns in Repression und Prävention Wirkung zu erzielen. Es ist sicherlich noch zu früh, den Rückgang der Fallzahlen bei der Polizeidirektion Ludwigshafen in den letzten 17 Monaten auf die seit 2002 intensivierte Prävention zurückzuführen. Die Tatsache, dass dies mit einem nachgewiesenermaßen gleichhoch gebliebenen Verfolgungsdruck einhergeht, lässt aber hoffen.
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