Private Sicherheit

Sicherheitsgewerbe in Deutschland

 

 

Sicherheitsgewerbe in Deutschland: Bestandsaufnahme und Ausblick Von Dr. Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Wach-und Sicherheitsunternehmen e. V. (BDWS), Bad Homburg

 

 

Dr. Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e. V. (BDWS), Bad Homburg

Vorbemerkungen

Seit über einem Jahrhundert schützen sich Wirtschaft, Bürger und auch der Staat im Rahmen eigener Vorsorge gegen unterschiedlichste Risiken und bedienen sich dabei privater Wach- und Sicherheitsunternehmen. In der ersten Hälfte des Jahres 1901 wurden zeitgleich in Kopenhagen und Hannover die ersten Sicherheitsunternehmen Europas gegründet. Bis vor wenigen Jahren waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sicherheitsgewerbes für die breite Öffentlichkeit jedoch weitgehend „unsichtbar“, weil sie weitgehend im Hausrechtsbereich der Auftraggeber eingesetzt waren. Das hat sich verändert. Der Schutz von Veranstaltungen oder von Wohngebieten, der Einsatz von „City-Streifen“ im Auftrag des Einzelhandels bzw. von Kommunen oder die Begleitung des Öffentlichen Personenverkehrs (ÖPV) haben zu einer verstärkten öffentlichen Wahrnehmung des Sicherheitsgewerbes geführt. Obwohl die angesprochenen Aufgaben nur von einem verhältnismäßig kleinen Teil der 180.000 Beschäftigten ausgeübt werden, hatte dies zu einer teilweise kritischen politischen und juristischen Diskussion geführt. Die Novellierung des § 34a der Gewerbeordnung mit der Einführung einer Sachkundeprüfung für Kontrolltätigkeiten im öffentlichen Raum im Jahre 2002 hat erfreulicherweise zu einer Beendigung dieser Diskussion geführt.


Aufgabengebiete

Eine moderne Industriegesellschaft zeichnet sich durch eine hoch spezialisierte, arbeitsteilige und vernetzte Wirtschaft aus. Um die Risiken einer kostenträchtigen Unterbrechung von Produktion und Dienstleistungserstellung zu minimieren, sind vielfältige Maßnahmen zur Gefahrenabwehr notwendig. Gesetzliche Auflagen verpflichten Unternehmen und Behörden, Mensch, Tier und Natur zu schützen. Gefahren in einer „Risikogesellschaft“ lauern u. a. von Feuer, Wasser, Wetter und Kriminalität. Der Wert der zu bewachenden Objekte, das Anspruchsniveau der Auftraggeber, die eingesetzte Technik, die großen Herausforderungen durch die gestiegenen Risiken, aber auch die immer komplexer werdende Rechtsordnung haben die Anforderungen an die Unternehmen und ihre Mitarbeiter kontinuierlich erhöht und zu einer zunehmenden Fremdvergabe von Sicherheitsaufgaben an spezialisierte Dienstleister geführt. Das Sicherheitsgewerbe hat sich weltweit zu einem umfassenden „Allround-Sicherheitsdienstleister“ mit „Generalfunktion zur Risikominimierung“ entwickelt. Das reicht – wie die nachfolgende Abbildung zeigt – vom Pforten- und Empfangsdienst über den Werkschutz bis hin zur Werksfeuerwehr.

Wirtschaftliche Entwicklung

Das Sicherheitsgewerbe hat seine Umsätze seit 1950 kontinuierlich gesteigert. Allein von 1992 bis 2003 kam es zu einer Verdopplung des Umsatzes. Als Folge der Globalisierung hat der Wettbewerbsdruck weltweit zugenommen. Die Wirtschaft konzentriert sich auf ihre Kernaufgaben und vergibt Tätigkeiten fremd, die nicht mit der eigentlichen Wertschöpfung zusammenhängen. Die Vorteile liegen vor allem in der Kosteneinsparung. Bislang anfallende Fixkosten werden durch „Outsourcing“ zu variablen Kosten. Unternehmen können dadurch schneller und flexibler auf Marktveränderungen reagieren. Das Wach- und Sicherheitsgewerbe gehört neben dem Kantinenbetrieb und der Gebäudereinigung zu den vom „Outsour-cing“ begünstigten Branchen. Umso überraschender ist es, dass es erstmals in der Nachkriegsgeschichte im Jahr 2004 zu einem Umsatzrückgang um 3,2 % gekommen ist.


Verantwortlich für den Umsatzrückgang ist vor allem die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und der Preisverfall. Viele Unternehmen, vor allem mittelständische, verzichten in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation gänzlich auf Ausgaben für die Sicherheit bzw. reduzieren die Budgets für die Sicherheit, da diese im Sinne der betrieblichen Wertschöpfung als nicht produktiv gelten. Dieser Kostendruck wird an die Sicherheitsunternehmen weitergegeben. Bei insgesamt rund 3.000 Sicherheitsunternehmen in Deutschland gibt es genügend Wettbewerber die bereit sind, für geringere Preise die Sicherheitsdienstleistung anzubieten. Bei einer Reihe von Unternehmen kommt es auch zu einer Rückgängigmachung der Fremdvergabe („Insourcing“). Kommt es beispielsweise in der Produktion zu einem Personalüberhang, und sollen aus betrieblichen Gründen Entlassungen vermieden werden, so werden häufig diese Mitarbeiter in den Objekt- bzw. Werkschutz versetzt. Die Folge ist die Kündigung des Auftrags für den Sicherheitsdienstleister. Schließlich führt auch die zunehmende Leistungsfähigkeit elektronischer Sicherheitsanlagen (Video- bzw. Fernüberwachung etc.) zu einer Wegrationalisierung von Personal für einfache Überwachungstätigkeiten. Diese Tendenz begünstigt Unternehmen mit einer qualitativ hochwertigen Notruf- und Serviceleitstelle. Die zunehmenden Umsätze in diesem Bereich können die aus diesem Grund wegfallenden Umsätze im Bereich der personellen Dienstleistung nicht kompensieren.

75% der Aufträge der privaten Sicherheitsdienste stammen aus der gewerblichen Wirtschaft. Der staatliche Anteil an den Gesamtumsätzen des Gewerbes liegt heute bei einem Viertel. Quantitativ unbedeutend und statistisch kaum messbar sind Privatpersonen als Auftraggeber. Zunehmende Bedeutung haben private Haushalte allerdings bei der Aufschaltung einer Alarmanlage auf Notrufzentralen bei privaten Sicherheitsdiensten.


Ausbildung der Beschäftigten

Die vielschichtigen Tätigkeiten der privaten Sicherheitsdienste lassen eine für alle Bedürfnisse zugeschnittene Ausbildung nicht zu. Die Beschäftigten werden aus den verschiedensten Berufszweigen, mit unterschiedlichen Erfahrungen und unterschiedlichstem Qualifikationsniveau rekrutiert. In der Regel erfolgt eine aufgaben- und tätigkeitsbezogene Ausbildung durch das Unternehmen. In den vergangenen Jahrzehnten haben die Verbände für Sicherheit in der Wirtschaft und die vom BDWS anerkannten und empfohlenen Sicherheits- und Werkschutzfachschulen verschiedene modulare, aufgabenbezogene Lehrgänge entwickelt. Das Unterrichtungsverfahren nach § 34a der Gewerbeordnung ist keine Grundausbildung, sondern stellt eine Berufszugangsregelung dar und soll den Beschäftigten die rechtlichen Dimensionen ihrer Tätigkeit verdeutlichen. Ein deutlicher Schritt darüber hinaus ist die ab 1. Januar 2003 gesetzlich geforderte Sachkundeprüfung für Tätigkeiten im öffentlichen Raum.


Die Einführung des Ausbildungsberufes „Fachkraft für Schutz und Sicherheit“ im Jahr 2002 ist ein Meilenstein für unser Gewerbe. Inzwischen werden über 1.700 junge Menschen in dem 2002 neu eingeführten Beruf ausgebildet. Dieser ist die Reaktion auf immer komplexer und anspruchsvoller werdende Sicherheitsaufgaben. Die Fachkraft ist auch Ausdruck der Professionalisierung des Sicherheitsgewerbes und vermittelt erstmals ein konsistentes Berufsbild für die gesamte Sicherheitsbranche. Sie ist damit auch ein Instrument, um künftig geeignetes Personal für immer schwieriger und komplexer werdende Sicherheitsaufgaben zu gewinnen. Damit ist das Gewerbe auch für die Übernahme neuer Aufgaben nicht nur aus dem staatlichen Bereich bestens gerüstet. Ebenfalls im Rahmen der dualen Berufsausbildung ist z. Zt. ein 2-jähriger Ausbildungsberuf mit dem Arbeitstitel „Objektschutzfachkraft“ in Planung. Er ist inhaltlich eng mit der Fachkraft für Schutz und Sicherheit verknüpft, ohne jedoch die sehr umfangreichen kaufmännischen Themenkreise zu behandeln. Für Quereinsteiger in die Sicherheitswirtschaft gibt es als Nachfolge zur IHK-Geprüften Werkschutzfachkraft seit 1. Januar 2006 die „Geprüfte Schutz- und Sicherheitskraft IHK“. Diese Fortbildungsprüfung wurde bereits in ca. 20 Industrie- und Handelskammern, die bisher Werkschutzfachkraft-Prüfungen durchgeführt haben, eingeführt. Eine auf diesen Prüfungen basierende bundesweite Fortbildungsverordnung ist in Planung.


Führungskräfteausbildung

Im Unterschied zu vielen anderen Branchen bieten Sicherheitsunternehmen für Arbeitnehmer/innen, die über keine Hochschulausbildung verfügen, (noch) interessante und attraktive Führungspositionen. Wenn künftig neue Märkte systematisch bearbeitet und erschlossen werden und höhere Gewinne und bessere Umsätze realisiert werden sollen, dann ist verstärktes Augenmerk auf die Ausbildung eines qualifizierten Führungskräftenachwuchses zu richten. Führungskräftenachwuchs, der um die Besonderheiten und Stärken der eigenen Branche weiß und der gleichzeitig in der Lage ist, diese im Rahmen der gesamten Marktentwicklung zu beurteilen.


Der zukünftige Bedarf von Führungskräften vor dem Hintergrund sich verändernder Aufgaben für das private Sicherheitsgewerbe wurde vor einem Jahrzehnt bereits von Vertretern der Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen erkannt. Zum Wintersemester 1997/98 sollte ein achtsemestriger Studiengang „Öffentliches und privates Sicherheitsmanagement“ als Modellversuch gestartet werden. An der öffentlichen Hochschule, an der normalerweise Polizisten für den gehobenen Dienst ausgebildet werden, sollten auch Angehörige des privaten Sicherheitsgewerbes studieren können. Dieser Modellversuch scheiterte jedoch auf Grund politischer Widerstände. Erfolgreicher war die Fachhochschule Verwaltung und Dienstleistung (FHVD) in Kiel/Altenholz. Auch diese ist Ausbildungsstätte für den gehobenen Dienst der Landespolizei in Schleswig-Hol-stein. Seit 1999 wird im Fachbereich Polizei der Fachhochschule das „Kontaktstudium Sicherheitsmanagement“ mit dem Abschluss Sicherheitsfachwirt (FHVD) innerhalb einer 18-monatigen Regelstudienzeit angeboten.


Die Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung in Berlin hat im Wintersemester 2005/2006 mit der Einführung des Studiengangs „Sicherheitsmanagement“ für das Sicherheitsgewerbe begonnen. Die vor ihrer Gründung stehende Hochschule der Polizei in Hamburg wird 2007 ebenfalls mit einem Studiengang für Führungskräfte der Sicherheitswirtschaft beginnen. Dieses Projekt zeichnet sich durch ein gemeinsames Grundstudium für die Studenten der Polizei und der Sicherheitswirtschaft aus. Diese Studiengänge sind der richtige Schritt in die richtige Richtung. Um der zunehmenden Bedeutung der privaten Sicherheit gerecht zu werden, sind entsprechende Angebote für die Ausbildung des Führungsnachwuchses notwendig.


Qualität der Auftragsvergabe

Die eingeleiteten Maßnahmen des Sicherheitsgewerbes und des BDWS zur Verbesserung der Qualität der Ausbildung und damit zur Qualität der Dienstleistung können nur dann erfolgreich sein, wenn sie vom Auftraggeber auch honoriert werden. Deshalb hat der BDWS in den vergangenen Jahren einige Anstrengungen zur Information für die Kunden seiner Mitgliedsunternehmen unternommen. Das „Handbuch für die Vergabe von Aufträgen an Wach- und Sicherheitsdienste“ wendet sich an diejenigen Auftraggeber, die sicherstellen möchten, dass sie ein Unternehmen auswählen, das sowohl Qualität als auch einen günstigen Preis anbietet, anstatt nur auf das billigste Preisangebot zu setzen. Das Handbuch beinhaltet ein übersichtliches System für die Bewertung der Angebote, das an die jeweiligen Anforderungen des Auftraggebers und Sicherheitsauftrages angepasst werden kann.


Dieses sog. „Bestbieter-Konzept“ ist auch die Grundlage für die Entwicklung der DIN 77200 „Anforderungen an Sicherungsdienstleistungen“. Diese Norm wurde in einer fast vierjährigen Arbeit von einem Arbeitskreis beim Deutschen Institut für Normung in Berlin entwickelt und im Jahr 2002 vorgestellt. Die DIN 77200 enthält transparente und nachprüfbare Qualitätskriterien für Sicherungsdienstleistungen. Sie hat ca. 4 Jahre nach ihrer Fertigstellung leider noch nicht die Bedeutung, die sich die Branche gewünscht hat. Die DIN 77200 muss mehr als bisher in das Bewusstsein der Auftraggeber gebracht werden. Dies ist Voraussetzung für eine künftige Entwicklung, die sich künftig nicht nur am Preis, sondern auch an der Qualität der Dienstleistung orientiert. Um den Normgedanken auf eine breitere Basis zu stellen, setzt sich der BDWS für die Entwicklung einer europäischen CEN-Norm „Security Services“ ein. Ein erstes Teilprojekt wurde im Sommer 2006 verabschiedet und durchläuft nun das Abstimmungsverfahren in den 29 Mitgliedsstaaten des europäischen Normungsinstituts CEN.


Zunehmende Bedeutung von Europa

Die Entwicklung dieses europäischen Normungsvorhabens ist auch eine Reaktion auf die zunehmende Bedeutung von Europa für unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Dies gilt auch in besonderem Maße für das Wach- und Sicherheitsgewerbe. Die EU-Luftsicherheitsverordnung aus dem Jahr 2004 hat neue Vorgaben für die Personenkontrolle auf Flughäfen eingeführt. Als Folge sind mehrere hundert Arbeitsplätze für das Sicherheitsgewerbe geschaffen worden. Die EU-Verordnung zur maritimen Sicherheit aus dem Februar 2004 hat ebenfalls neue Anforderungen für diesen Bereich geschaffen. Dadurch wurde das Sicherheitsgewerbe begünstigt. Urteile des europäischen Gerichtshofes zur Arbeitsbereitschaft bzw. zum Betriebsübergang sowie die europäische Arbeitszeitrichtlinie zeigen die Bedeutung von Europa für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten.


In den vergangenen drei Jahren hat sich sowohl der BDWS als auch der europäische Dachverband – CoESS – intensiv mit dem Entwurf der Kommission für eine EU-Dienstleistungsrichtlinie auseinandergesetzt. Kernstück der Dienstleistungsrichtlinie ist das Herkunftslandprinzip. Erfreulicherweise ist es uns gelungen, das Sicherheitsgewerbe aus dem Geltungsbereich des Herkunftslandprinzips auszunehmen. Ansonsten hätten Sicherheitsunternehmen aus allen 24 EU-Staaten die Möglichkeit gehabt, ihre Dienste in Deutschland anzubieten ohne eine weitere Zulassungs- und Zuverlässigkeitsprüfung zu durchlaufen.

Die EU-Kommission sieht nun vor, dass drei Jahre nach in Kraft Setzung der Dienstleistungsrichtlinie geprüft wird, ob eine eigenständige Richtlinie für das Sicherheitsgewerbe und auch für die Geld- und Wertdienste eingeführt werden soll. In den 25 Mitgliedsstaaten der EU sind insgesamt rund 27.000 Sicherheitsunternehmen tätig. Sie beschäftigen über 1,1 Mio. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.


Künftig wird es zu einer stärkeren Internationalisierung im Bereich der Dienstleistungsmärkte kommen. Die EU fördert diesen Dienstleistungsaustausch. Dabei müssen jedoch die deutschen Interessen ausreichend berücksichtigt werden. Für die Entlohnung besteht Einigkeit mit den Gewerkschaften, dass tarifvertraglich oder gesetzlich die Löhne am Einsatzort vorzuschreiben sind (tariflicher Mindestlohn). Ansonsten gerät unser in vielen Jahrzehnten erfolgreich entwickeltes Tarifgefüge in große Schwierigkeiten. Für die Tätigkeit der Sicherheitsunternehmen in einem immer enger werdenden europäischen Dienstleistungsmarkt ist eine Harmonisierung folgender Mindestbedingungen zu diskutieren:

• Zulassung für Unternehmen und Arbeitnehmer

• Grundausbildung

• Befugnisse

• Waffen, Hunde, Uniform

• öffentliche Auftragsvergabe.


Informelle Zusammenarbeit zwischen Polizei und Sicherheitsgewerbe:

Kooperationsverträge

Erstmals wurde am 17. Juni 1999 in Frankfurt am Main ein Kooperationsvertrag zwischen der Polizei und dem BDWS unterzeichnet. Wenig später folgten Düsseldorf und die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden sowie Essen. Am 3. Juni 2000 haben in Schwerin Mecklenburgs Innenminister und der Vorsitzende der BDWS-Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern Leitmotive der Zusammenarbeit zwischen Landespolizei und privaten Sicherheitsdiensten vereinbart. Damit wurde ein neues Kapitel in der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Sicherheitsdiensten in Deutschland aufgeschlagen. Weitere Verträge gibt es inzwischen in Sachsen (März 2002 und Januar 2006), Hamburg (November 2002), Schleswig-Holstein (Januar 2006) und Berlin (März 2006). Auch wenn die Kooperationsverträge in den einzelnen vertraglichen Regelungen von einander abweichen, so sind sie hinsichtlich der Grundaussagen identisch:


• die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist Aufgabe des Staates.

• die Tätigkeit des privaten Sicherheitsgewerbes ist eine sinnvolle Ergänzung der polizeilichen Arbeit.

• private Sicherheitsdienste und Polizei arbeiten auf der Grundlage bestimmter Voraussetzungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zusammen.


Als Grundsatz dieser Zusammenarbeit gilt das Motto „Beobachten, Erkennen, Melden“. Besonders wichtig ist aus Sicht des BDWS die Forderung nach Einhaltung von anforderungsgerechten Qualitätskriterien be

den beteiligten Unternehmen. Die Bewährung am Markt, das Vorhandensein einer anerkannten Notruf- und Serviceleitstelle nach den Richtlinien der VdS Schadenverhütung GmbH, eine Zertifizierung gemäß der ISO 9001, eine anforderungsgerechte technische Ausstattung sowie insbesondere eine tarifgerechte Entlohnung sind aus Sicht des Verbandes unabdingbare Voraussetzungen. Die Erwartungshaltungen an die abgeschlossenen Kooperationsverträge sind zum Teil überzogen. Die Auswertung der bisherigen Erfahrungen zeigt auch große regionale Unterschiede. Eine besonders aktive Zusammen-

arbeit gibt es im Freistaat Sachsen. Hier trifft sich regelmäßig die Polizeiführung mit Vertretern des Sicherheitsgewerbes. Alle Beteiligten sind sich aber einig, dass die abgeschlossenen Kooperationsverträge den Informations- und Meinungsaustausch gefördert haben. Sie sind eine gute Grundlage für eine künftige Intensivierung der Zusammenarbeit.

Das sieht inzwischen auch die GdP. In ihren Grundsatzfragen führt die GdP unter dem Kapitel Verhältnis Polizei – private Sicherheitsdienste u. a. aus: „Kooperationsabkommen zwischen der Polizei und privaten Sicherheitsdiensten, möglicherweise ergänzt durch kommunale Dienststellen, können geeignet sein, das bisherige ungeordnete Nebeneinander in eine geordnete Struktur zu bringen. Hierbei müssen bestehende Rechtsgrundlagen insbesondere hinsichtlich der Befugnisse und des Datenschutzes beachtet werden.“ Diese Einschätzung wird vom BDWS uneingeschränkt geteilt.


WM 2006 als Musterbeispiel einer „Police-Private-Partnership“

Deutschland hat im Sommer eine phantastische WM 2006 erleben dürfen. Sie war das Ergebnis jahrelanger Planung und einer hervorragenden Zusammenarbeit staatlicher und privater Sicherheitsakteure. Neben zehntausenden von Polizisten waren auch 20.000 Beschäftigte des privaten Sicherheitsgewerbes im Einsatz, um den organisatorischen und sicherheitspolitischen Herausforderungen gerecht zu werden. Der Schutz von Veranstaltungen gehört mittlerweile zu den wichtigsten Aufgaben des Sicherheitsgewerbes. Cirka 7 % der Beschäftigten sind in diesem Marktsegment tätig. Die privaten Sicherheitsdienste sind in der Lage, im Rahmen des Veranstaltungsschutzes alle von den Auftraggebern übertragenen Aufgaben wahrzunehmen. Der Veranstaltungsschutz beinhaltet die Sicherung des ungestörten Ablaufs einer Veranstaltung einschließlich notwendiger Vorfeldaktivitäten und Nachsorgemaßnahmen. Die Aufgaben im Veranstaltungsschutz umfassen u. a. die Parkraumbewirtschaftung, Kartenverkauf, „Cash-Management“, Einlasskontrolle, Garderobenbewirtschaftung, Platzanweisung, Ordnungs- und Aufsichtsdienste, Sanitäts-, Rettungs- und Hilfsdienste, Brandschutzkontrollen sowie Personen- und VIP-Betreuung.

Die Bedeutung der privaten Sicherheitsdienste für die WM 2006 hatte der damalige Bundesinnenminister Otto Schily bereits vorher erkannt. In einer Rede am 29. Oktober 2004 in Köln wies er darauf hin, dass die privaten Sicherheitsdienste im Jahr 2006 eine besondere Aufgabe erwarte. Immer mehr würden sie für den ordnungsgemäßen Ablauf einer Großveranstaltung sorgen und damit eine wertvolle Ergänzung zur polizeilichen Arbeit leisten. Die Polizeien der Länder und des Bundes würden für ein weltoffenes und lebendiges Deutschland ebenso ihren Beitrag leisten wie die privaten Sicherheitsunternehmen. Diese Einschätzung wurde voll bestätigt.


„Neue Sicherheitsarchitektur“

Die überaus enge und konstruktive Zusammenarbeit zwischen Polizei und privatem Sicherheitsgewerbe wird auch nach der WM immer wichtiger werden. Die allgemeine Kriminalitätslage, das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung und die Herausforderungen durch neue Erscheinungsformen der Kriminalität erfordern eine – permanente – Neuorientierung des polizeilichen Ressourceneinsatzes. Die Situation der öffentlichen Haushalte lässt eine von vielen gewünschte personelle Aufstockung der Polizei kaum zu. Eine umfassende staatliche Daseinsvorsorge wird künftig nicht mehr möglich sein. Die Eigen- und Mitverantwortung der Bürger/innen und der Wirtschaft muss gestärkt und das Subsidiaritätsprinzip auch in Fragen der Inneren Sicherheit stärker als bisher beachtet werden. Die Gewährleistungsfunktion des Staates für die Innere Sicherheit muss nicht in jedem Falle und ausschließlich durch staatliche Bedienstete erfüllt werden. Beispielhaft sei auf die Personen- und Gepäckkontrollen im Rahmen des Luftsicherheitsgesetzes hingewiesen. Im Auftrag der Bundespolizei sind ca. 4.000 private Sicherheitskräfte – so genannte Luftsicherheitsassistenten – tätig, die einem qualifizierten Überprüfungs- und Ausbildungsverfahren unterzogen werden.


Neue Konzepte sind im Bereich der Inneren Sicherheit gefordert. Zwar gibt es seit geraumer Zeit in Deutschland eine intensive Diskussion über eine „neue Sicherheitsarchitektur“. Diese Diskussion stellt fast ausschließlich auf staatliche Sicherheitsorgane, deren künftige Aufgaben, Kompetenzen und Zusammenarbeit ab. Das private Sicherheitsgewerbe bleibt hierbei weitgehend ausgeblendet. Diese Diskussion vernachlässigt bereits heute vorhandene konzeptionelle Vorüberlegungen und Erfahrungen und wird ihrem Anspruch einer „neuen Sicherheitsarchitektur“ nicht gerecht.


Kommission „Staatsaufgabenkritik“

Der Berliner Senat hatte am 14. März 2001 eine Expertenkommission „Staatsaufgabenkritik“ einberufen und ihr den Auftrag erteilt, vor dem Hintergrund notwendiger struktureller Veränderungen zur Erhöhung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Berliner Verwaltung zu untersuchen. Der Abschlussbericht wurde am 23. November 2001 in Berlin vorgestellt (www.berlin.de/senfin/Presse/Alt/231101.html). Die Kommission schlägt für den Bereich der Polizei vor, den arbeitsteiligen Verbund zwischen Polizei und privaten Sicherheitsdiensten zu verbessern. In dem Abschlussbericht wird auch auf die Ausführungen des AK II der Innenministerkonferenz hingewiesen, wonach private Sicherheitsdienste professionelle Polizeiarbeit nicht ersetzen, aber außerhalb des hoheitlichen Bereichs einen wirksamen Beitrag zur Kriminalprävention leisten können. Das gilt insbesondere für den Schutz von Wirtschaftsunternehmen und Veranstaltungen sowie Sicherheitsmaßnahmen im Öffentlichen Personenverkehr. Damit wird nach Auffassung der Expertenkommission die Grundlage dafür gelegt, künftig private Sicherheitsdienste mit öffentlichen Aufgaben zu betrauen. Bezug nehmend auf die seit vielen Jahren erbrachten Sicherheitsdienstleistungen sieht die Expertenkommission „Staatsaufgabenkritik“ folgende Ansatzpunkte für eine verstärkte Heranziehung privater Sicherheitsdienste für Unterstützungsleistungen bei der Gewährleistung bzw. Verbesserung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung:


• Unterstützung bei Präventionsmaßnahmen

• Bekämpfung der Alltags- und Straßenkriminalität, beispielsweise die regelmäßige und flächendeckende Präsenz von uniformierten Sicherheitskräften, indem private Sicherheitsdienste im erweiterten Verbund mit der Polizei unterstützende Dienste im öffentlichen Raum leisten.

Überwachung von Ordnungsrecht, da die Polizei nicht in der Lage sei, die öffentliche Sicherheit und Ordnung in diesem Bereich zufrieden stellend zu gewährleisten, sei der Rückgriff auf private Sicherheitsdienste unausweichlich, die als Verwaltungshelfer oder beliehene Hoheitsträger Unterstützungsleistung für Polizei und Ordnungsbehörden leisten können. Voraussetzung für die Aufgabe seien jedoch einschlägige landesgesetzliche Regelungen.

• Entlastung bei Verkehrsaufgaben.

• Veranstaltungen und Versammlungen.


Vor dem Hintergrund dieser möglichen Ansatzpunkte wurde der Senat aufgefordert, ein integriertes Gesamtkonzept „Verbund Polizei und private Sicherheitsdienste“ auf der Grundlage der vorgenannten Leitlinien vorzulegen. In dieses Gesamtkonzept sollten auch verbindliche Maßstäbe hinsichtlich der Aus- und Fortbildung und Qualitätsanforderungen bzw. Leistungsstandards an private Sicherheitsdienste festgelegt werden. Die Aus- und Fortbildung der privaten Sicherheitsdienste sollte auch in enger Abstimmung und Kooperation mit der Polizei erfolgen. Ein weiterer konkreter Vorschlag war die Durchführung eines Pilotprojektes zur Privatisierung des polizeilichen Objektschutzdienstes. Heute, fast 5 Jahre nach Vorlage des Abschlussberichtes, ist weder in Berlin noch in anderen Bundesländern ein politischer Wille zur Umsetzung dieser Vorschläge erkennbar.


Ausblick

Wir sind auf dem Weg zu einer „neuen Sicherheitsarchitektur“. Die Gewährleistungsfunktion des Staates für die Innere Sicherheit bleibt grundsätzlich bestehen. Der wirtschaftlich notwendige und politisch gewollte Rückzug des Staates – z. B. beim Schutz von Objekten und Veranstaltun-

gen – wird dazu führen, dass es bei einem Teil der heute von staatlich Beschäftigten wahrgenommenen Sicherheitsaufgaben zu einer (weiteren) Fremdvergabe an das Sicherheitsgewerbe kommen wird. Durch die Festlegung gesetzlicher Rahmenbedingungen und deren wirksame Kontrolle, wie dies heute z. B. in der Personen- und Gepäckkontrolle nach dem Luftsicherheitsgesetz der Fall ist, könnte dem Rechnung getragen und gleichzeitig Spielraum für unternehmerische Betätigung durch private Sicherheitsunternehmen geschaffen werden.

Der „schlanke“ oder „aktivierende Staat“ erfordert mehr Eigenverantwortung des Bürgers und der Wirtschaft auch in Sicherheitsfragen. Die Zukunft des Sicherheitsgewerbes wird entscheidend beeinflusst von der Fremdvergabe von Sicherheitsdienstleistungen durch private und öffentliche Auftraggeber. Die Kriminalitätsentwicklung und das subjektive Sicherheitsempfinden haben im Vergleich zur Fremdvergabe eine untergeordnete Bedeutung.


Die Marktentwicklung hängt aber auch vom Angebot und damit von der Leistungsfähigkeit privater Sicherheitsunternehmen ab. Im Bereich der „klassischen“ Bewachung wird der Konkurrenz- und Wettbewerbsdruck auch in Zukunft weiter zunehmen. Ein weiterer Preisverfall wird die Folge sein. Um so mehr werden qualifizierte Unternehmen versuchen, in neue Geschäftsfelder vorzudringen. Die Entwicklung des Sicherheitsgewerbes zu einem modernen Dienstleistungssektor für Sicherheits- und Serviceaufgaben wird weitergehen.


Eine zunehmende Bedeutung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Sicherheitsgewerbes hat Europa. Dies zeigt sich an einigen Verordnungen und Gesetzen. Von Seiten des BDWS ist zu wünschen aber auch zu fordern, dass die Bedeutung des Sicherheitsgewerbes von der Politik stärker anerkannt und gewürdigt wird. Eine Studie des Holländischen Justizministeriums über das private Sicherheitsgewerbe kam bereits im Jahr 2001 zu folgenden Ergebnissen:


1. Durch die zu erwartende Zunahme der Beschäftigten im Sicherheitsgewerbe nehmen die gesamtstaatlichen Sicherheitskapazitäten zu. Dies reduziert tendenziell die Kriminalität.

2. Der Informationsaustausch zwischen Polizei und privatem Sicherheitsgewerbe begünstigt „Bench-Marking“ und „Best-Practice-Lösungen“. Die Effizienz des staatlichen Mitteleinsatzes wird dadurch verbessert.

3. Durch einen gezielten Einsatz von privaten Sicherheitsunternehmen kann die Kriminalität in kriminogen besonders belasteten Gebieten reduziert und eine „Gleichverteilung der Kriminalität“ erzielt werden.


Im Interesse der Inneren Sicherheit ist es dringend erforderlich, dass diese Überlegungen auch in Deutschland Eingang in die politische und wissenschaftliche Diskussion finden. Ein „Paradigmen-Wechsel“ ist notwendig!


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