Politischer Mord

Der politische Mord

das Attentat auf Pim Fortuyn

Von Wolfgang Rösemann, Kriminaldirektor, Peine
Kriminaldirektor
Bildungsinstitut der
Polizei Niedersachsen
(z. Zt. Leiter der PI Wolfenbüttel)

„Der erste politische Mord seit 400 Jahren hat die niederländischen Grundwerte und das weltweit bewunderte Polder-Modell erschüttert. Unter Schock über die Bluttat an dem populistischen Dandy Fortuyn wählt die Nation ein neues Parlament. Droht jetzt das Ende der Toleranz?"




 
 

Mit dieser Einleitung titelte Spiegel-online am 13. Mai 2002 ein Attentat auf den niederländischen Rechtspopulisten Pim Fortuyn. Was war geschehen?

Die Tat

Am Abend des 6. Mai 2002 wurde auf den niederländischen Politiker Pim Fortuyn ein Attentat verübt. Fortuyn wurde von mehreren Schüssen getroffen und erlag kurze Zeit später seinen schweren Verletzungen. Der Täter hatte nur einen Meter hinter seinem Opfer auf dem Parkplatz des Mediaparkes in Hilversum gestanden und es mit sechs Schüssen, fünf Treffer in Kopf, Brust und Lunge niedergestreckt.

Kurz nach der Tat wurde Volkert van der Graaf festgenommen. In seiner Wohnung in Harderwijk wurde Munition entdeckt, die das gleiche Kaliber wie die Tatwaffe hatte.

Die Ermittler werteten unter anderem ein Videoband aus, auf dem der Verdächtige mit zwei anderen Männern zu sehen sein soll. Die Aufnahme vom Tattag stammt von einer Hotelkamera in der Stadt Breda, wo sich Fortuyn zu einer Wahlkampfveranstaltung aufhielt. Wenige Stunden später wurde er im hundert Kilometer entfernten Hilversum mit fünf Schüssen getötet.

Das Opfer

Pim Fortuyn wird im „Pressespiegel für Lesben und Schwule" ausführlich beschrieben:

„Er ist dreiundfünfzig Jahre alt, Universitätsprofessor, Millionär, Kolumnist beim größten Wochenmagazin Elsevier und will unbedingt Premier werden. So stellt er sich selbst dar, in seinen Artikeln, Auftritten und auf seiner Website.

Pim Fortuyn ist exzentrisch, fährt einen glitzernden Luxuswagen, lässt sich vor seinem Swimmingpool im Bademantel fotografieren und hat nie ein Hehl daraus gemacht, homosexuell zu sein. Er ist hedonistisch, egozentrisch und provoziert gerne. Er steht mitten in einer Talkshow auf, beleidigt seine Gegner, die ihm unangenehme Fragen gestellt haben, und verlässt empört das Studio. (…)

Doch ist Pim Fortuyn wirklich ein Außenseiter? Aufgewachsen in einem kleinen, konservativen Dorf, studierte er Soziologie und eröffnete danach ein erfolgreiches Consulting-Büro in Rotterdam. Von den etablierten Parteien ignoriert, lancierte er sich selbst als möglichen Spitzenkandidaten von ,Leefbaar Nederland', Lebenswerte Niederlande'. Die Bewegung entstand in den Neunzigerjahren aus Protest gegen Parteienfilz.

Fortuyns Bücher, in denen er vor der „Islamisierung unserer Kultur" warnt, sind Bestseller, durch die Attentate vom 11. September erhielten ,Leefbaar Nederland' und er selbst noch Rückenwind. Publizistisch unterstützt von Elsevier begann er einen Feldzug gegen die Political Correctness der Niederlande. Gegen die verstößt er aber nur da, wo er dem Volk aus der Seele zu sprechen glaubt."
Pim Fortuyn schob sich zu Beginn der Parlamentswahlen in den Vordergrund und nutzte seinen Bekanntheitsbonus als Kolumnist des „Telegraaf" mit rechtspopulistischen Forderungen aus: weniger Ausländer, die, die schon da seien, müssten „ ...auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden. Denn, die Niederlande sind in Bezug auf ihre Fremden-, Familienzusammenführungs- und Asylpolitik zum dummen August der Welt geworden'" zitiert ihn die Wochenzeitung „unsere zeit". Weiter heißt es in der Veröffentlichung:

„Sozialschmarotzer sieht er an jeder Straßenecke. Deswegen soll mehr Polizei auf die Straße. Am besten dorthin, wo die Jugend abhängt. Dort, tauchen die jungen Herren in ihren sauteuren BMWs auf, dabei leben sie oft von der Sozialhilfe das soll die Polizei aufklären!' Der Versorgungsstaat, so Fortuyn, ist Absahnen, alles vom großen Haufen, der im Erleben der Menschen niemandem gehört, also uns allen'.
Deswegen sollen Gesundheits- und Bildungswesen in den nächsten Jahren keinen Cent zusätzlich erhalten. Erst müsse dort rigoros saniert und viel bessere Leistungen erbracht werden, dann sehe man weiter. Gleiches gilt für den, völlig überflüssigen' Naturschutz, den ÖPNV und andere Aufgaben der öffentlichen Hand.

Diese Sichtweise macht Fortuyn zum Verbündeten der rechten Parteien. Gewählt wurde er in Rotterdam vor allem wegen seiner Haltung zu den Migranten. Und vor allem Jungwähler sind fasziniert von ihm. Schließlich ist er gegen das sozial-demokratische Establishment. Rund 20 Prozent dieser Wählergruppe fühlt sich von der Liste Fortuyn vertreten. Von den über 65-Jährigen haben ihn gerade einmal sechs Prozent gewählt."

Schon vorher ließ Fortuyn verlautbaren, „16 Millionen Niederländer sind genug, das Land ist voll", und der Islam sei eine „rückständige Kultur". Er hatte Aversionen gegen Moslems, die ihn, den bekennenden Schwulen, ausgrenzten. Wenn er bald Regierungsverantwortung trage, würden Schengen und die UN-Flüchtlingskonvention aufgekündigt sowie ein Einreiseverbot für Anhänger des Islam verhängt. In einem Interview setzte er sich für die Abschaffung des Verfassungsartikels ein, der Diskriminierung verbietet. Als Fortuyn im November 2001 zum Spitzenkandidaten aufrückte, musste er dem Parteivorstand versprechen, sich mit seinen offen rechtsextremistischen Positionen zurück zu halten, da sich die Partei den Wählern weniger rechts präsentieren wolle. Das fiel dem Kandidaten offenbar schwer, der im Falle einer Regierungsbeteiligung die Grenzen für Asylbewerber, vor allem aus islamischen Ländern, schließen wollte. „80 Prozent der Asylbewerber sind doch Wirtschafts-flüchtlinge", polarisierte Fortuyn. „Was bedeutet das Wort Flüchtling denn überhaupt noch. Wenn du wirklich Flüchtling bist, bleibst du in der Region, gibst dich mit einem Zelt und einer Schale Reis von Lubbers zufrieden. Da steigst du nicht in ein Flugzeug nach Holland." Wenn es nach ihm ginge, so Fortuyn, „kommt kein Muslim mehr ins Land". Fortuyn hatte sich über Jahre mit solchen Aussagen als Kolumnenschreiber im „Telegraaf", der größten Zeitung der Niederlande, seine Bekanntheit als „Mensch wie du und ich" erschrieben.

Fortuyns Leichnam wird von Rotterdam nach Driehuis-Westerveld an der Nordwestküste überführt. Dort findet am Familiengrab des Politikers ein Trauergottesdienst mit Ministerpräsident Wim Kok statt. Später wird Fortuyn in der Nähe seines Ferienhauses in Italien beigesetzt. Zuvor hatten in der Kathedrale von Rotterdam Tausende Niederländer von dem Ermordeten Abschied genommen.

Der Täter

Die taz charakterisiert den 32-jährigen Volkert van der Graaf als einen „grünen Robin Hood". Der Mitarbeiter der Umweltorganisation „Vereniging Milieu-Offensief" (VMO) gelte als Bauernschreck. Auf der Website animalfreedom.org rühmt sich Graaf, in den letzten acht Jahren an die 2.000 Prozesse gegen Landwirte und Umweltämter geführt zu haben, von denen seine Organisation die meisten gewonnen habe.

Verhasst seien - so die taz weiter - VMO- Aktivisten vor allem bei Schweine-, Kälber- und Hühnermästern in der niederländischen Provinz Gelderland. Zusammen mit einem Kollegen zog Graaf, der zwischen 1987 und 1990 an der Universität Wageningen Umwelthygiene studiert, aber keinen Abschluss gemacht habe, über das Land und habe gegen jede nicht ganz „wasserdichte" Betriebsgenehmigung Beschwerde eingelegt. „Er wollte einfach, dass die Bauern sich an die Gesetze halten. Darin war er stets radikal, kannte keine Kompromisse", wird der Anwalt Roger Vleugels zitiert, der Graaf „einige Male ... zur Seite gestanden" hat.

Tierschützer van der Graaf handele, wie er auf der Homepage von animalfreedom.org einräume, „nicht aus reiner Tierliebe". Das Mitglied des Niederländischen Verbands gegen Tierversuche spreche dort von „bestimmten Grundwerten": „Es ist einfach kriminell, wie in der Bioindustrie mit Tieren umgegangen wird."

Für seine Kollegen sei die Tat „nicht zu fassen". Ein VMO-Sprecher räume ein, dass Graaf in letzter Zeit geklagt habe, dass er sich „ausgebrannt" fühle. Vor wenigen Monaten wurde sein Kind geboren, die neue Vaterrolle habe ihn ganz schön gestresst. „Ich kann mir nichts anderes vorstellen, als dass er völlig durchgedreht ist."

Volkert van der Graaf wollte aber anscheinend nicht nur Fortuyn töten. Offenbar hatte er weitere Attentate auf andere Mitglieder Fortuyns Partei LPF geplant. So entdeckten niederländische Ermittler die Namen dreier weiterer LPF-Mitglieder mit Lageplänen ihrer Wohnorte.

Graaf wird von dem Anwaltsbüro von Britta Böhler in Amsterdam verteidigt. Die Juristin war als Anwältin des Kurdenführers Öcalan bekannt geworden. Nach Annahme des Mandats für den Tatverdächtigen hat sie ihren Vorsitz über die niederländische Gliederung von Greenpeace abgegeben. Man habe sich im beiderseitigen Einvernehmen getrennt, sagte eine Greenpeace-Sprecherin, damit die Organisation keinesfalls mit dem Mord in Verbindung gebracht werden könne.

Die Umweltorganisation „Vereniging Milieu-Offensief" in Wageningen wird als eine relativ kleine, aber sehr aktive Gruppierung beschrieben, die vornehmlich durch die Teilnahme an gerichtlichen Einsprüchen aufgefallen sei.

Das politische Klima

In einem Kommentar in der Westdeutschen Allgemeinen16 beschreibt Lutz Heuken Fortuyn als einen rechtspopulistischen Politiker, die überall in Europa vom Versagen der alten politischen Klasse profitiert habe. Leute wie er könnten nur dort politisch groß werden, wo sich die etablierten Parteien arrogant und selbstverliebt über die Alltagssorgen der Bürger hinwegsetzen würden. Heuken schreibt weiter:

„In Italien spülte die Unzufriedenheit der Menschen den eloquenten Medienzaren Berlusconi an die Macht, in Österreich liefen die Wähler in Scharen dem Phrasendrescher Haider hinterher. Und in Frankreich schaffte es der wohl schlimmste Vertreter dieser radikalen Gilde, Le Pen, bis in die Stichwahl um das Präsidentenamt.
In Frankreich wirkte der Erfolg des Rechtsextremisten wie ein heilsamer Schock. Hunderttausende gingen politisiert gegen Le Pen auf die Straße. Sie gaben damit die richtige Antwort auf den braunen Ungeist: Es bedarf in einer Demokratie nämlich nicht der Gewalt, um die Demagogen zu stoppen. Wir brauchen die harte politische Auseinandersetzung mit den Rechtsradikalen, nicht aber Weimarer Verhältnisse mit Attentaten und Straßenkämpfen. Wann immer ein politischer Gegner ermordet wird, mag es auf der anderen Seite des politischen Spektrums vereinzelt auch so etwas wie ,klammheimliche Freude' geben - nach dem Motto, es habe den Richtigen getroffen. Eine solche Reaktion auf einen Mord ist nicht nur moralisch zu verurteilen, sie ist politisch extrem kurzsichtig. Die Ermordung Fortuyns hat den Rechtsradikalen in Europa einen Märtyrer beschert. Die notwendige Auseinandersetzung mit den falschen Propheten hat dieser Mord erheblich erschwert."

Der Prozess

Schon am ersten Verhandlungstag wiederholt Volkert van der Graaf sein gegenüber der Polizei abgelegtes Geständnis. Er habe ein halbes Jahr lang überlegt, dass er Fortuyn „zum Schweigen bringen" wolle, dann aber erst am Vortage der Tat einen konkreten Plan für das Attentat ausgedacht. Die Anklagebehörde geht davon aus, dass van der Graaf die Tat allein ausgeübt hatte. Noch im Vorfeld des Prozesses war über „ein Netzwerk von Unterstützern beziehungsweise Sympathisanten" aus dem Lager radikaler Tierschützer gemutmaßt worden. Van der Graf gibt an, die Tatwaffe, die er noch bei seiner Festnahme mit sich führte und die hinsichtlich Kaliber und Munition mit den Geschossen übereinstimmte, mit denen auf das Opfer geschossen worden war, schon vor Jahren in der Nähe von Arnheim in einer Gaststätte gekauft zu haben. Am Nachmittag des Tattages hatte sich van der Graaf im Büro seiner von ihm selbst im Alter von 23 Jahren gegründeten Tierschutz-Kooperative frei genommen, um mit seinem Fahrzeug nach Hilversum zu fahren; dort sollte Fortuyn zwischen 16.00 Uhr und 18.00 Uhr ein Radiointerview geben. Van der Graafs Plan war, ihn danach zu erschießen.
Umständlich gibt van der Graaf, der während der Verhandlung seinem Opfer kein Wort widmet, eine Erklärung zum Motiv des selbst ernannten Rächers. Fortuyn habe in fremdenfeindlicher Absicht „verletzbare Gruppen herausgegriffen und sie zum Sündenbock gemacht, um politisches Kapital herauszuschlagen."

Prozessbeobachtern fällt van der Graafs Emotionslosigkeit, seine Distanziertheit, Kühle und Liebe für das Detail auf. Gegenüber dem Richter äußere er sich höflich, so, „als analysiere er das Verhalten eines anderen." Reue für seine Tat empfinde er, der Fortuyn nicht gehasst habe, nicht. Beispielhaft ist der Dialog zwischen ihm und seinem Richter:

„Haben Sie nicht daran gedacht, das Problem anders zu lösen? Eine Partei zu gründen, Leserbriefe zu schreiben, andere gegen Fortuyn zu mobilisieren?", will der Richter wissen. Van der Graaf: „So funktioniere ich nicht." Der Richter: „Aus dem Schluss, dass Fortuyns Tod die einzige Lösung war, musste ja nicht folgen, dass sie es selbst tun." Van der Graaf: „Wenn ich etwas erkenne, muss ich auch danach handeln."

Lediglich gegenüber den Angehörigen Fortuyns formulierte van der Graaf während des Prozesses Mitgefühl.

Knapp ein Jahr nach der Tat wurde der Mörder Fortuyns zu 18 Jahren Haft verurteilt. Das Gericht in Amsterdam sprach den jetzt 33-jährigen Volkert van der Graaf schuldig, den Politiker im Mai vergangenen Jahres getötet zu haben. Mit ihrem Urteil blieben die drei Richter deutlich unter der Strafforderung der Staatsanwaltschaft, die lebenslange Haft gefordert hatte. Da die Untersuchungshaft angerechnet wird, kann Volkert van der Graaf bereits nach elf Jahren wieder freikommen. In der Urteilsbegründung führte Richter Bauduin aus, der Angeklagte habe vorsätzlich und kaltblütig gehandelt und seine Tat sorgfältig geplant. Er habe mehrere Gelegenheiten verstreichen lassen, sich zu besinnen und sei „starr seinem Gewissen gefolgt". Die Richter nahmen van der Graaf die politische Motivierung seiner Tat ab, werteten sie aber weder als erschwerenden noch als mildernden Umstand. Volkert van der Graaf wurde vom Gericht des Mordes, der Bedrohung mit einer tödlichen Waffe und des illegalen Waffenbesitzes für schuldig befunden. Er hatte auf der Flucht die geladene Waffe auf einen seiner Verfolger gerichtet, aber nicht geschossen.

Offen bleibt, was es mit Chemikalien auf sich hatte, die in der Garage van der Graafs gefunden wurden. Zusammen mit gleichfalls aufgefundenen Anleitungen zum Bombenbau, einem Zeitzünder und Adressen von Funktionären der Partei Pim Fortuyns wirft es ein düsteres Bild auf den Täter. Ungeklärt bleiben auch die näheren Umstände über die Herkunft von DNS-Material eines wegen eines minderschweren Falles einsitzenden Mannes auf der Tatwaffe.

Extremismus als Motiv

Gezielter Mord wie in diesem Falle sei nach Ansicht des Fachjournalisten Michael Miersch28 noch die Ausnahme. Aber Brandstiftungen, Bombenanschläge, Überfälle, Einbrüche, Vandalismus und Psychoterror militanter Tierrechtler gehören seiner Meinung nach zum Alltag in reichen westlichen Gesellschaften. Die militanten Aktionen richten sich gegen Mediziner, Pharmazeuten, Zoologen, Landwirte, Kürschner, Fischer und alle, die mit Tieren arbeiten oder von Tieren leben. Tierrechtsorganisationen fungieren regelmäßig als legales Sprachrohr, distanzieren sich aber nicht von den militanten Aktionen ihrer Aktivisten. So beeinflusse dieser Psychoterror und die soziale Ausgrenzung junger Talente, die immer mehr Berufe meiden, in denen an Tieren geforscht werde. Eine extremistische Komponente nehmen Tierrechtler wie der Salzburger „Veganguru" Dr. Helmut F. Kaplan an, der in einem Interview des Magazins Stern erklärt habe: „Toleranz gegenüber Fleischessern zu fordern ist ebenso absurd und obszön, wie Toleranz gegenüber Vergewaltigern und Mördern zu fordern." Kaplan sieht die Tierrechtsbewegung als logische Fortsetzung anderer Befreiungsbewegungen. Ihm geht es um die „Überwindung der Diskriminierung aufgrund moralisch irrelevanter Merkmale".

Die Gewalt deutscher Tierrechtskämpfer zielte bisher zwar nicht direkt auf Menschenleben. Doch auch Kaplans Gesinnungsfreund Edmund Haferbeck - „Verleger und Westimport der Grünen in Schwerin" -propagierte Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch … Diebstahl und Nötigung als „immer berechtigt, um die eklatanten Energien gegen … die Natur und die Mitgeschöpfe abzuwehren und abzustrafen"; selbst die Gründung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung sei gerechtfertigt.

Die deutschen Verfassungsschutzbehörden befassen sich mit dem Thema nur sehr zögerlich und im Zusammenhang mit unterschiedlichen Kampagnen von Linksextremisten. So berichtet die Verfassungsschutzbehörde des Landes Brandenburg in ihrem Bericht aus dem Jahre 2001 von entsprechenden Aktionen gegen die Kaufhauskette C&A wegen des Verkaufes von Pelzbekleidung sowie gegen einen Zirkus, den verschiedene Boykottaufrufe erreichten und dem eine Mail mit der Parole „Feuer und Flamme für Zirkuszelte" zugesandt wurde. Miersch sieht in der Ausbreitung der Tierrechtsidee einen Ausstieg aus dem westlichen Wertekanon. Extremistische Veganer seien davon überzeugt, dass Tiere gleichwertig sind und Rechte auf Leben und individuelle Freiheit besitzen. Letztlich gehe es den Aktivisten um die Abschaffung der vorgeblich unberechtigten menschlichen Vorherrschaft. Nach dem Attentat auf Fortuyn halte die niederländische Justiz Tierrechtler nicht mehr für harmlose Idealisten. Es seien 189 Gewaltdelikte, die seit 1983 von militanten Tierfreunden begangen worden seien, neu aufgerollt worden. Darunter befindet sich auch ein Mord an einem Beamten der Umweltbehörde, der für die Genehmigung von landwirtschaftlichen Betrieben zuständig war, gegen die van der Graaf prozessiert hatte. Der Beamte wurde 1996 mit Patronen des gleichen Kalibers erschossen, durch die auch Pim Fortuyn getötet worden sei.