„Äußerste Kraft zurück“:
Vom Kurswechsel der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Versuch des schweren Wohnungseinbruchsdiebstahls
Von Staatsanwalt Dr. Sören Pansa, Kiel1
Der Beitrag beleuchtet die diesbezügliche aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere die bemerkenswerte Neuausrichtung des 5. Senats des Bundesgerichtshofes.2 Des Weiteren wird dargestellt, welche Herausforderungen sich hinsichtlich ermittlungstaktischer Maßnahmen im Bereich des schweren Wohnungseinbruchsdiebstahls stellen und wie unmittelbar sich die höchstrichterliche Rechtsprechung auf diese auswirkt.
1 Hintergründe
Am 22. Juli 2017 ist durch das Inkrafttreten des § 244 Abs. 4 StGB der Einbruchsdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung als eigenständiger Straftatbestand geschaffen worden.3 Der Strafrahmen beträgt nunmehr zwischen einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe und ein minder schwerer Fall ist nicht mehr vorgesehen. Der Gesetzgeber hat hierdurch auf die seit mehreren Jahren bundesweit gestiegenen Fallzahlen reagiert.4 Ferner sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass derartige Taten einen schwerwiegenden Eingriff in den persönlichen Lebensbereich der Geschädigten darstellen, der neben den finanziellen Auswirkungen, gravierende psychische Folgen und eine massive Schädigung des Sicherheitsgefühls zur Folge haben kann5 Auf die Neuregelung wurde vielfach mit Kritik reagiert.6
Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung hat zunächst keinen einheitlichen Ansatz hinsichtlich der neuen Materie gefunden. So war zunächst unklar, wie der Straftatbestand im Sinne des § 244 Abs. 4 StGB zu bezeichnen wäre. Der 5. Senat erwog „Privatwohnungseinbruchsdiebstahl“ oder „schwerer Wohnungseinbruchsdiebstahl“, entschloss sich dann jedoch gegen eine gesonderte Bezeichnung oder Erwähnung im Schuldspruch.7 Der 3. Senat entschied sich für „schwerer Wohnungseinbruchsdiebstahl“ und eine Kenntlichmachung im Schuldspruch.8 Dieser Vorgehensweise scheint nun auch der 5. Senat zuzuneigen.9 Des Weiteren waren auch die Hauptverhandlungen vor den Tatgerichten vom unterschiedlichen Verständnis der Norm geprägt. Dem Staatsanwalt etwa, der in seinem Schlussvortrag psychische Auswirkungen der Tat auf die Geschädigten strafschärfend würdigte, wurde regelmäßig seitens der Verteidigung unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung ein Verstoß bezüglich § 46 Abs. 3 StGB vorgeworfen. Denn diese Tatfolgen wären bereits durch die Strafschärfung des § 244 Abs. 4 StGB im Vergleich zu § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB vollumfänglich berücksichtigt worden. Diesem Irrglauben hat der 3. Senat des Bundesgerichtshofes inzwischen eine deutliche Absage erteilt.10
Aus ermittlungstaktischer Sicht ist die Einführung des § 244 Abs. 4 StGB uneingeschränkt zu begrüßen. Ein erheblicher Teil der Taten wird „reisenden Tätergruppierungen“ zugeschrieben, die sich nur kurze Zeit in einer Region aufhalten, dabei jedoch eine Vielzahl von Wohnungseinbruchsdiebstählen begehen.11 Für die Ermittlungsbeamten stellt es insofern bereits eine erhebliche Herausforderung dar, innerhalb dieses engen Zeitfensters solche Personen zu identifizieren. Hierbei wirkt sich der Umstand erschwerend aus, dass diese typischerweise kurzfristig in Wohnungen Dritter unterkommen und daher ihre Gegenwart meist erst mittelbar aus dem plötzlichen Anstieg der Fallzahlen gefolgert werden kann. Eine wertvolle Informationsquelle für die Kriminalpolizei stellen deshalb im Zuge schutzpolizeilicher Fahrzeugkontrollen gewonnene Erkenntnisse dar. Die von den Taten betroffenen Wohngebiete werden dabei oftmals seitens der zuständigen Stellen als Orte deklariert, in welchen unter gefahrenabwehrrechtlichen Aspekten erleichterte Identitätsfeststellungen und Durchsuchungen von Personen sowie Kraftfahrzeugen durchgeführt werden können.12 Bei einer solchen Kontrolle werden oftmals nach Einbruch der Dämmerung mehrere männliche Personen angetroffen, in deren Kraftfahrzeug sich potentielle Tatwerkzeuge wie Schraubendreher oder ein sog. Kuhfuß befinden.
Bis zum Inkrafttreten des § 244 Abs. 4 StGB war ein solches Verhalten grundsätzlich noch nicht strafrechtlich relevant, bzw. konnte eine Relevanz kaum bewiesen werden. Bezüglich des Versuchs eines Wohnungseinbruchsdiebstahls i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB a.F. fehlte es am unmittelbaren Ansetzen. Hinsichtlich der Verabredung eines Verbrechens i.S.d. § 30 Abs. 2, 3. Var. StGB waren keine konkreten Hinweise bezüglich eines infrage kommenden Verbrechens, wie etwa eines schweren Bandendiebstahles gemäß § 244a StGB, ersichtlich. Ferner ist für eine Bande bekanntermaßen der Zusammenschluss von mindestens drei Personen erforderlich13, wodurch ein diesbezüglicher Anfangsverdacht bei etwa lediglich zwei kontrollierten Tatverdächtigen faktisch nicht begründbar war. Insofern konnten einem Ermittlungsrichter selten die erforderlichen Tatsachen für den Erlass eines Beschlusses hinsichtlich einer längerfristigen Observation i.S.d. § 163f StPO oder anderer Maßnahmen präsentiert werden. In einigen Bundesländern half man sich in solchen Situationen deshalb mit der Anordnung gefahrenabwehrrechtlicher Observationsmaßnahmen, die keinem Richtervorbehalt unterlagen.14
Durch die Klassifizierung des § 244 Abs. 4 StGB als Verbrechen i.S.d. § 12 Abs. 1 StGB ergibt sich nun bei der genannten Beweislage ein Anfangsverdacht bezüglich § 30 Abs. 2, 3. Var. StGB, wenn zumindest zwei Tatverdächtige vorhanden sind. Falls der Ermittlungsrichter diese Ansicht teilen sollte, sind daher umfangreiche verdeckte Ermittlungsmaßnahmen möglich, wobei sich die längerfristige Observation i.S.d. § 163f StPO unter Zuhilfenahme technischer Mittel i.S.d. § 100h StPO als effektivstes Werkzeug der Ermittlungsbeamten erwiesen hat. Denn hinsichtlich der Durchführung von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen fehlt bei reisenden Tätergruppierungen oftmals die Zeit, relevante Gerätenummern zu ermitteln. Ferner ist inzwischen auch das Wissen um die Ermittlungsmöglichkeiten bezüglich der Nutzung von Mobiltelefonen weit verbreitet, so dass diese seitens der Täter im Bereich der Tatplanung und -ausführung nur sporadisch zum Einsatz kommen. Das Ziel der Ermittlungsmaßnahmen ist es stets, „vor die Lage zu kommen“; also bereits mit erheblichen Kräften die Tatverdächtigen verdeckt zum potentiellen Tatort zu begleiten und sobald diese mit der Tatausführung begonnen haben, die vorläufige Festnahme zu vollziehen. Bei der Entscheidung, wann der Zugriff erfolgen soll, wird die Frage virulent, ab welchem Zeitpunkt ein unmittelbares Ansetzen i.S.d. §§ 244 Abs. 4, 22, 23 Abs. 1 StGB vorliegt. Im Folgenden soll daher die diesbezügliche höchstrichterliche Rechtsprechung der letzten Jahre dargestellt und die unterschiedlichen Lösungsansätze erläutert werden.
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