Observationskräfte als Zeugen vor Gericht
Von POK Christian Behrendsen, Flensburg
1 Einleitung
„Der Zeugenbeweis ist eines der wichtigsten Beweismittel“.2 Diese häufig festgestellte Vorrangstellung des Personalbeweises verdeutlicht die Wichtigkeit der Auseinandersetzung mit dem hier behandelten Themenfeld. So finden sich auch Polizeibeamte als verlängerter Arm der Strafverfolgung regelmäßig als Zeugen vor Gericht wieder. Für die Polizei ist es wie für jedes andere staatliche Organ geboten, an der rechtstaatlichen Wahrheitsfindung mitzuwirken.3
Häufig ist die Polizei die erste Instanz der Strafverfolgung, die frühzeitig an den Ermittlungsverfahren beteiligt ist und erste Eindrücke vom Sachverhalt erlangen kann. Die Beamten sind regelmäßig in der Lage, erste Feststellungen zu treffen und im besten Fall beweissicher festzuhalten. Die durch die eingesetzten und ermittelnden Polizeibeamten im Laufe des Ermittlungsverfahrens gesammelten Beweise sind für den Ablauf der Hauptverhandlungen und den Ausgang der Gerichtsverfahren häufig unverzichtbar.4
Wo einerseits der geschulte und beweissichere Umgang mit Sachbeweisen in den Köpfen der Beamten verankert ist, ist hingegen der Personalbeweis häufig ein ungeliebtes Thema innerhalb des Kollegiums. Die Behandlung der Themen rund um den Sachbeweis und Spuren nehmen im Vergleich zur Thematik Personalbeweis naturgemäß einen Mammutanteil im Rahmen der Ausbildung ein.5
Durchaus ist das Thema Polizeibeamte vor Gericht und der damit verbundene als Polizeibeamter oder Polizeibeamte verkörperte Personalbeweis Inhalt der Ausbildung. Der rechtliche Rahmen der Vernehmungen sowie die kriminalistische und psychologische Betrachtung der in der Hauptverhandlung aktiven Beteiligten wird in Studium und Ausbildung behandelt. Auch Lehrgänge zu diesem Themenbereich gibt es innerhalb des Fortbildungsprogrammes der Landespolizeien. Gleichwohl ist der Zeitansatz für diesen Bereich ungleich niedriger. Vielleicht ist das der Grund, warum viele Polizeibeamte Hemmungen vor der zeugenschaftlichen Aussage haben, sobald eine Vorladung vorliegt.
Zurecht stellt Artkämper fest, dass das Verhältnis zwischen Polizeibeamten und Justiz getrübt ist und dass eine Abneigung gegenüber der Hauptverhandlung im Kollegium der Polizei existiert.6
Die Signifikanz der Feststellungen der Polizei und der Aussagen der Beamten sind gerade bei den Verfahren erkennbar, in denen es keine „externen“ Zeugen und keine Sachbeweise gibt. Ermittlungsverfahren mit opferlosen Straftaten zum Beispiel im Bereich der Kontrollkriminalität, in denen es keine Opfer gibt, oder die Opfer noch nicht bekannt sind, leben von den Beobachtungen der eingesetzten Beamten.
Eine besondere Stellung erhalten hier Beamte von operativen Einheiten, die sich vor allem dem Feststellen von Beweisen widmen. Der Aufsatz setzt sich mit diesen operativ ermittelnden Einsatzkräften und deren Umgang mit der Zeugenaussage vor Gericht auseinander.
In Schleswig-Holstein sind es Spezialeinheiten des LKA sowie die Zivilen Streifenkommandos (ZSK) der Polizeidirektionen, die für bedeutende Feststellungen in Verfahren sorgen können.7 Die durch die sachbearbeitenden Dienststellen angeforderten Einheiten ermitteln verdeckt, indem sie observieren und protokollieren. Und das vermehrt unter Zuhilfenahme von einsatzunterstützender Technik. Die GPS-Ortungstechnik, das Abhören von Telefonen und die Überwachung von Innenräumen tangieren die operativen Einheiten genauso, wie das unmittelbare Feststellen von Tatsachen unter Einsatz von optischen Hilfsmitteln wie Nachtsichtgeräten und Wärmebildkameras.
Diese Maßnahmen sind besonders sensibel zu behandeln und in der Kriminalitätsbekämpfung nicht mehr wegzudenken. Doch nicht nur der Einsatz von Technik, auch die taktischen Überlegungen und Strategien sind als besonders sensibel zu bewerten. Aus welcher Position etwas gesehen werden konnte und wie viele Beamte sich regelmäßig an einer Observation beteiligen, unterliegt aus offensichtlichen Gründen einem besonderen Geheimhaltungsinteresse. Dieses Geheimhaltungsinteresse liegt in einem Spannungsfeld mit dem damit betroffenen Interesse des Staatswohls und der Erfüllung öffentlicher Aufgaben einerseits und dem Interesse an uneingeschränkter und umfassender Wahrheitsfindung und dem Recht auf ein faires Verfahren andererseits.8
Welche rechtlichen Grundlagen es in Schleswig-Holstein gibt und welche Besonderheiten sich für diese Observationskräfte ergeben, werden in diesem Aufsatz beleuchtet.
2 Abgrenzung zu anderen verdeckt agierenden Einsatzkräften
Bei den hier genannten Einsatzkräften handelt es sich meist um Observationskräfte. Es sind nicht offen als Polizeibeamte erkennbare Beamte, die in ziviler Kleidung mit zivilen Fahrzeugen Informationen zu Personen und Sachverhalten einholen.9 In Teilen werden Legenden in Anspruch genommen, wodurch es im operativen Einsatz zu optischen Veränderungen von Polizeibeamten und Fahrzeugen kommt. Abzugrenzen ist dieser Personenkreis von Verdeckten Ermittlern, Informanten, Vertrauenspersonen und deren VP- und VE-Führern sowie nicht öffentlich ermittelnden Polizeibeamten (noeP). Auch wenn sich die hier geschilderten Interessen ähneln, stellen sich doch Besonderheiten für diese spezialisierten Beamten und Nicht-Beamten heraus.10 Zudem ist eine Abgrenzung zu Privatpersonen vorzunehmen, dessen Aussagen vor Gericht ebenfalls sensible Beobachtungen betreffen und von großer Bedeutung sein können. Auch aus deren Aussagen können sich Gefahren für Leib, Leben und Freiheit der Zeugen ergeben.11
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