Kriminalitätsbekämpfung

Polizeiliche Fotografie: Anforderungen an das Beweismittel „digitales Foto“

Von EKHK Frank Rabe, Duisburg

 

1 Rückblick und Einleitung

 

In Ausgabe 2/2020 dieser Fachzeitschrift habe ich die Bedeutung von Tatortbefundberichten dargelegt, Zweifel an der Objektivität des Befundes geäußert und die Reduzierung von beschreibenden Textanteilen zugunsten von Lichtbildern empfohlen. Lichtbildern als Ergänzung/Ersatz von Textpassagen in Tatort-/ und Unfallbefundberichten kommt damit die Aufgabe der „Dokumentation“ der Situation vor Ort zum Zeitpunkt der polizeilichen Arbeit zu. Ich möchte diesen Beitrag allerdings mit dem Begriff der „fotografischen Spurensicherung“ ergänzen, die sich als kriminaltechnischer Standard in vielen Situationen als alternativlos etabliert hat. Wenngleich die Begriffe verschiedene Zielrichtungen verfolgen und unterschiedliche Aufnahmetechniken erfordern, so sind beide aus Strafverfahren nicht mehr wegzudenken. Während beschreibender Text in Berichtsform nach den Grundsätzen des Strengbeweises anerkanntermaßen als Urkunde ins Beweisverfahren eingebracht werden kann, stellt sich allerdings die Frage, welcher juristische Stellenwert Lichtbildern beigemessen wird und welche formellen und materiellen Anforderungen an die polizeiliche Fotografie zu stellen sind, um einerseits im Rahmen der freien Beweiswürdigung der Gerichte ins Verfahren einfließen zu können und andererseits den verschiedenen Zielrichtungen zu genügen.

 

2 Juristische Einordnung


Mit Einführung der digitalen Beweisfotografie bei der Polizei NRW wurde in der Fachwelt erneut der Beweiswert von Lichtbildern im Strafverfahren generell diskutiert, obwohl der BGH analoge Fotos bereits im Jahr 1960 als Augenscheinobjekt im Verfahren anerkannt hat.2 Die Rahmenrichtline „Digitale Bildaufnahme und -übertragung zur Einführung der digitalen Fotografie bei den Polizeien des Bundes und der Länder“3 befasst sich ausführlich mit der Thematik und kommt letztendlich zu dem Ergebnis, dass polizeiliche Fotos sowohl unterstützende Funktion als Beweishilfsmittel haben können, beispielsweise zur Unterstützung einer Zeugenaussage oder eines Berichtes (z.B. Tatortbefundbericht; vgl. Abb. 1) als auch die von originären Beweismitteln, wenn die zu beweisenden Tatsachen sich ausschließlich aus dem Inhalt des Fotos ergeben, z. B. eine lediglich fotografisch gesicherte Spur, die per Gutachten einem Spurenleger zugeordnet wird (vgl. Abb. 2). In jedem Fall kann Lichtbildern somit erhebliches Gewicht durch unmittelbare Einbeziehung in gerichtliche Entscheidungsprozesse zukommen.

 

Abb. 1: Übersichtsaufnahme engerer Tatort


Diese erneute Diskussion wurde durch den Gedanken geleitet, dass die digitale Fotografie und insbesondere die digitale Nachbearbeitung von Lichtbildern Manipulationsmöglichkeiten bieten, die den Beweiswert von Lichtbildern sowohl im Einzelfall als auch generell infrage stellen können. Die Gerichte müssen in jedem Einzelfall in der Lage sein, die Zuverlässigkeit von Lichtbildern zu beurteilen und nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung4 über deren Zulässigkeit im Rahmen der Beweisaufnahme5 zu befinden. Als Grundlage solcher Entscheidungsprozesse war zunächst die Frage der generellen Eignung von digitalen Lichtbildern im Strafverfahren, bzw. die Frage nach den dazu notwendigen Voraussetzungen zu klären. Dieser Beitrag widmet sich hier zunächst den formellen Voraussetzungen.

 

3 Formelle Voraussetzungen

 

Abb. 2: Daktyloskopische Spur

 

Bereits in den Anfängen der Nutzung von Lichtbildern in Gerichtsverfahren war unbestritten, dass sich hier ein großer Gewinn für die Sachaufklärung aus der technischen Möglichkeit ergeben würde, ein in der Vergangenheit liegendes Geschehen in seiner optischen Erscheinung mit allen Einzelheiten für die Zukunft festzuhalten. Die Zuverlässigkeit analoger Fotos galt als unbestritten.6 Die Gerichte signalisierten, dass sie generell Digitalfotos gleichwertig in die Verfahren einbeziehen würden, wenn „in besonderem Maße sichergestellt ist, dass ihnen bei individueller Überzeugungsbildung derselbe Beweiswert beigemessen werden kann, wie aufgrund ihres Vertrauens in die Unverfälschtheit eines Analogfotos.“7 Die Unverfälschtheit gilt als unbestritten, wenn keine Zweifel

 

  • an der detailgetreuen Fixierung und der objektiven Wiedergabe vergangener Begebenheiten8
  • bzw. an der Wiedergabe einer Szene, wie sie mit dem menschlichen Auge zum Zeitpunkt der Aufnahme gesehen wurde, direkt oder unter zu Hilfenahme technischer Hilfsmittel9 bestehen.


Damit wäre der Beweiswert im Einzelfall gefährdet, wenn die dem Foto eigene Objektivität und Vergangenheitsbezogenheit angezweifelt werden kann (Fälschung, Manipulation).10 An dieser Stelle schließt sich der Kreis im Hinblick auf die Definition des Begriffes „Objektivität“ unter Hinweis auf den Beitrag aus Heft 2/2020 „Die Subjektivität des objektiven Befundes“. Ich bitte die Leserinnen und Leser, die nachfolgenden Lichtbilder einmal nur vor dem Hintergrund der Objektivität einerseits und möglicher Hinweise auf Manipulationen andererseits zu betrachten:


Grundsätzlich wird die Objektivität eines Bildes unterstellt, wenn keine inhaltliche Veränderung (Integrität des Datensatzes) der Ursprungsdatei vorgenommen worden ist und die Aufnahme unter nachvollziehbaren Umständen zustande gekommen ist (Authentizität des Datenursprungs: Zeit, Ort, Fotograf) und.11 Authentizität und Integrität stehen in engem Zusammenhang und beeinflussen den Beweiswert eines Fotos nachhaltig.

Seite: 123weiter >>