Recht und Justiz

Fehlende Harmonisierung der Eingriffsbefugnisse

Eine föderale Herausforderung

 

Von Hartmut Brenneisen, Worms/Preetz1

 

 

Auf einer Fachtagung der GdP unter dem Titel „Brennpunkt Bereitschaftspolizei“ ging es unter anderem um die fehlende Harmonisierung hoheitlicher Eingriffsbefugnisse und die damit verbundenen Probleme für bundesweit eingesetzte Polizeikräfte. Ich habe bei dieser sowie inhaltlich korrespondierenden Veranstaltungen in Güstrow, Hamburg, Münster und Berlin Impulsreferate gehalten und fasse nachfolgend wichtige Aussagen zusammen.

 

1 Gewaltenteilung und föderale Staatsordnung


Das Prinzip der Gewaltenteilung und die damit verbundene gegenseitige Kontrolle ist eine bedeutende Grundlage unseres heutigen demokratischen Rechtsstaates. Es handelt sich um ein tragendes Organisationsprinzip, das durch die sog. Ewigkeitsklausel des Art. 79 III GG gesichert wird und in Ansätzen bereits auf die zukunftsweisenden Staatstheorien von Montesquieu zurückzuführen ist. Zu unterscheiden sind die horizontale (Legislative, Exekutive, Judikative) und die vertikale (Bund, Länder, Gemeinden) Gewaltenteilung.2 Allerdings beinhaltet das Grundgesetz keine simple Aufteilung, sondern vielmehr differenzierte Abhängigkeiten, Gewaltenverschränkungen und -ausbalancierungen.3

Ihre Ziele liegen insbesondere in der Mäßigung der Staatsgewalt und damit in der Stärkung der Freiheitsrechte im Sinne des „status negativus“. Gerade die Vorzüge des Föderalismus werden aber auch darin gesehen, dass er zu einer hohen Verbundenheit der Bürger mit ihrem Land führen, identitätsstiftend wirken und die Demokratiezufriedenheit stärken kann. Zudem ist er als gelungene Reaktion auf den nationalsozialistischen Unrechtsstaat zu bewerten.4Zum föderativen Staatsaufbau gibt es jedoch auch kritische Stimmen. So wird konstatiert: „Terroristen finden Föderalismus gut5, Föderalismus kann Leben kosten6oder einfach nurFöderalismus ist Panne7. Darauf Bezug nehmend hat Bundeskanzlerin Merkel am 26.4.2017 angemerkt:8Wir werden nicht akzeptieren, dass wir 16 verschiedene Sicherheitsniveaus in 16 Bundesländern haben.


Ein Ausgleich möglicher Defizite soll durch die Einheit der Verfassung, die Homogenitätsklausel des Art. 28 I Satz 1 GG, eine ausbalancierte Verteilung der Gesetzgebungskompetenz sowie die Kollisionsregel des Art. 31 GG gewährleistet werden. Allerdings: Das Grundgesetz „will nicht Konformität oder Uniformität, sondern nur ein gewisses Maß an Homogenität.“9Es geht eben nicht um eine vollständige Übereinstimmung bis hin zur Aufgabe der landesspezifischen Individualität.

Im Ergebnis fehlt eine wünschenswerte Harmonisierung der bestehenden Rechtsnormen, so dass es häufig zu streitigen sicherheitspolitischen Diskussionen kommt. Musterschriften10 sollen die Rechtseinheit unterstützen, bilden jedoch allein keinen wirksamen Ausgleich.

 

2 Unterschiedliche sicherheitspolitische Ansätze


Eine fehlende Einheitlichkeit ist insbesondere in den Materien des allgemeinen Polizeirechts und des im Jahr 2006 aus der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes entlassenen Versammlungsrechts zu bemängeln.

 

2.1 Allgemeines Polizeirecht

Die allgemeinen Gefahrenabwehrgesetze des Bundes und der Länder haben sich trotz des seit den 1970er Jahren vorliegenden Musterentwurfs keinesfalls gleichmäßig entwickelt.11

 

2.1.1 Höchtsdauer des Polizeigewahrsams

Ein Beleg dafür ist die legislatorisch festgeschriebene Höchstdauer des Polizeigewahrsams. Die Regelungen der Länder gehen hier deutlich auseinander, lassen aktuell Freiheitsentziehungen zwischen vier Tagen (§ 33 I ASOG Bln, § 20 I BbgPolG, § 42 I BPolG, § 57 II BKAG, § 40 I SOG LSA), 3 Monaten (Art. 20 I BayPAG) und einem Jahr (§ 204 V LVwG SH, § 18 I BremPolG - jeweils i.V.m. § 425 I FamFG) zu und beinhalten zum Teil zusätzlich ein- oder mehrfache Verlängerungsmöglichkeiten (§ 38 II PolG NRW, § 21 NPOG, Art. 20 I BayPAG). Es entsteht der Eindruck „einer gewissen Beliebigkeit.“12Als ausgleichende Klammer führt auch der Richtervorbehalt aus Art. 104 II GG zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis, wenngleich die Verfassungsnorm zumindest eine „absolute Grenze“ für eigenverantwortliche Maßnahmen der Polizeisetzt.13 Im Übrigen dürfte die allein subsidiäre Begrenzung durch das FamFG in Schleswig-Holstein und Bremen insbesondere aufgrund einer fehlenden Differenzierung zwischen den Gewahrsamsformen nur schwer mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot sowie der Verhältnismäßigkeit im engeren und weiteren Sinne zu vereinbaren sein.14

 

2.1.2 Schleierfahndungskontrollen

Neben den ermächtigungsbegrenzenden Bestimmungen zum Präventivgewahrsam sind die uneinheitlichen Kontroll- und Fahndungsmaßnahmen zur vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung besonders zu nennen. Von Bedeutung sind hier u.a. Kontrollen an sog. gefährlichen und gefährdeten Orten, lagebildabhängige, Schleierfahndungs- und automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen. Neben dem grundsätzlichen Streit15 über die Gesetzgebungskompetenz für die Strafverfolgungsvorsorge ist gerade auf die Regelungsvielfalt in den Länderpolizeigesetzen hinzuweisen. In Baden-Württemberg hat der Gesetzgeber sogar die „Fahndung nach Straftätern“ in § 26 I Nr. 4 u. 5 PolG dem Aufgabenkreis der „antizipierten Repression“ zugeschrieben. Berechtigt hat das BVerfG16 interveniert und die Regelung als verfassungswidrig zurückgewiesen.

Wiederholt wurden zuletzt landesrechtliche Vorschriften über Schleierfahndungskontrollen „als ein wirksames Instrument zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und illegalen Migration“ herausgestellt und eine schnelle Umsetzung empfohlen.17 Dabei ist zunächst festzustellen, dass Maßnahmen dieser Art keinesfalls anlass- und verdachtslos erfolgen dürfen. Insofern geht die Gleichsetzung der Schleierfahndung mit „anlass- und verdachtslosen Kontrollen“ fehl und berücksichtigt nicht die vorliegende Rechtsprechung zu diesem Fahndungsmodell. Willkürliche Kontrollen sind auch im Grenzgebiet abzulehnen. Die Polizei hat vielmehr in jedem Einzelfall „entsprechende Lageerkenntnisse und einschlägige Erfahrungen“ als handlungsbegrenzende Tatbestandsmerkmale zugrunde zu legen und damit auf die Verhältnismäßigkeit im engeren und weiteren Sinne abzustellen.18 Zudem bestehen deutliche Unterschiede bei der Ausgestaltung der aktuell vorliegenden Befugnisse. Während beispielsweise durch das BayPAG mit dem Anhalten (Art. 13 II), der Identitätsfeststellung einschließlich erforderlicher Folgemaßnahmen (Art. 13 I Nr. 5, 13 II), dem Datenabgleich (Art. 43 I) sowie der Personen- und Sachdurchsuchung (Art. 21 I Nr. 4, 22 I Nr. 4) ein umfangreiches taktisches Portfolio geschaffen wurde, ist dies nach § 27a Nr. 2 SOG MV grundlegend anders. Zulässig sind dort auf der Rechtsfolgenseite lediglich das kurzfristige Anhalten von Personen und die Inaugenscheinnahme mitgeführter Fahrzeuge, insbesondere deren Kofferräume und Ladeflächen. Unzulässig sind die Feststellung der Identität und damit auch der Datenabgleich sowie die Personen- und Sachdurchsuchung, zumal die Argumentation über sog. „Verbundstrategien“ zumindest fragwürdig erscheint.19

Insofern ist allein der Ruf nach der Schleierfahndung wenig zielführend. Es geht stets um die zugelassenen taktischen Maßnahmen. In Schleswig-Holstein bestand mit § 180 III Nr. 2 LVwG (a.F.) im Übrigen eine vergleichbare Regelung wie in Mecklenburg-Vorpommern. Die Norm ist jedoch aus gutem Grund mit Gesetzesänderung vom 16.12.2016 aufgehoben worden, wenngleich eine vorausgehende Normevaluation durch eine unabhängige Forschungsstelle wünschenswert gewesen wäre.20

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