Wirtschaftskriminalität durch entgleiste Führungskräfte

Analysen zu Derailment und Managerversagen

Von Prof. Dr. Herbert Csef, Würzburg1

 

1 Wirtschaftsskandale durch kriminelle Führungskräfte im letzten Jahrzehnt

 

Im vergangenen Jahrzehnt wurden sehr bekannte Persönlichkeiten Deutschlands zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Ihr Delikt: Betrug, Untreue oder Steuerhinterziehung. Die Rede ist von Thomas Middelhoff, Heinrich-Maria Schulte, Helge Achenbach und Uli Hoeneß. Alle vier waren über Jahrzehnte lang sehr erfolgreiche und angesehene Persönlichkeiten, die gerade wegen ihrer wirtschaftlichen Erfolge im Rampenlicht der Öffentlichkeit standen. Aktuell (Juli 2020) finden sich in den deutschen Medien fast täglich neue Berichte über die Wirecard-Affäre. Nach der kriminellen Energie der beteiligten Akteure und der exorbitanten Höhe des verursachten Schadens dürfte dies der größte Wirtschaftskrimi der Nachkriegszeit Deutschlands werden. Hier laufen jedoch noch die Ermittlungen und erst das Gerichtsverfahren wird Licht in das Dunkel bringen.

 

2 Thomas Middelhoff – vom Starmanager zum Wirtschaftskriminellen2

 

Thomas Middelhoff galt lange Zeit als Vorzeige-Manager und war das Paradebeispiel für den Aufschwung der New Economy. Bereits mit 33 Jahren wurde er Manager und schließlich von 1998 bis 2002 Vorstandsvorsitzender in dem einflussreichen Medienkonzern Bertelsmann AG. Durch geschickte Schachzüge wie den äußerst lukrativen Verkauf von AOL brachte er seinem Konzern große Gewinne und sich selbst ein hohes Ansehen. Von 2005 bis 2009 war der Vorsitzender im Dax-Konzern Arcandor, dem Nachfolger der Karstadt-Quelle-Gruppe. Der Insolvenz dieses Konzerns folgte der Abstieg von Thomas Middelhoff. Der finale Absturz wurde dadurch eingeläutet, dass am Landgericht Essen ein Gerichtsverfahren gegen Thomas Middelhoff eingeleitet wurde. Am 14.11.2014 wurde er wegen Untreue in 27 Fällen und Steuerhinterziehung in 3 Fällen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Wegen Fluchtgefahr wurde er sofort nach der Urteilsverkündung im Gerichtssaal verhaftet.

 

3 Heinrich Maria Schulte – Medizinprofessor und Bankbesitzer wird der größte Betrüger der Nachkriegszeit

 

Heinrich Maria Schulte stammt aus einer angesehenen Arztfamilie. Wie seine Vorfahren wurde er auch Arzt und machte schnell Karriere. Er war Professor für Innere Medizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Auf der Höhe seines ärztlichen und wissenschaftlichen Ruhms gründete er gemeinsam mit dem Nobelpreisträger Manfred Eigen die Biotech-Firma Evotec. Diese entwickelte sich sehr erfolgreich, und der Börsengang brachte ihm ein Millionen-Vermögen ein. Im Jahre 2006 kaufte Schulte die Wölbern-Bank. Mit dieser gab er eigene Investment-Fonds heraus. Durch geschickte Betrügereien und Täuschungsmanöver zog er aus diesen Fonds Gelder ab, die er für privaten Luxus verwendete. Er kaufte Villen, Yachten, Gemälde – alles, was teuer ist und Statussymbol-Charakter hat. Als der Schwindel aufflog, entpuppte sich Heinrich Maria Schulte als der größte Betrüger der Nachkriegszeit Deutschlands. Im Gerichtsverfahren am Hamburger Landgericht wurde er im Jahre 2013 wegen 327 Betrugsfällen in einer Gesamthöhe von 147,3 Millionen Euro zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Dies ist die höchste Gefängnisstrafe, die je in einem deutschen Wirtschaftsstrafprozess gefällt wurde.

 

4 Der Kunsthändler Helge Achenbach – der „Aldi-Betrüger“

 

Helge Achenbach hat an der Universität Düsseldorf Sozialpädagogik studiert und interessanterweise anschließend ein einjähriges Praktikum in der Justizvollzugsanstalt Siegburg absolviert. Er kannte also das Gefängnisleben von innen und ist 43 Jahre später wieder Gefängnisinsasse geworden – allerdings als Häftling, der zwei Drittel seiner sechsjährigen Haftstrafe absitzen musste. Mit 26 Jahren gründete er eine Firma für Kunstberatung und Kunsthandel, die er „Achenbach-Art-Consulting“ nannte. Er gründete Filialen in anderen deutschen Städten und eröffnete 1992 in Kaiserswerth seine Firmenzentrale, die immerhin zweitausend Quadratmeter Bürofläche hatte. Nach eigenen Angaben hat er 2.500 Kunst-Transaktionen vermittelt mit einem Gesamtwert von 750 Millionen Euro. Der heutige Schätzwert dieser Kunstwerke soll bei etwa drei Milliarden Euro liegen. Helge Achenbach ging als „Aldi-Betrüger“ in die Geschichte ein. Dem Sohn des Aldi-Nord-Gründers Theo Albrecht – Berthold Albrecht – hat Achenbach Kunstwerke und Oldtimer im Wert von 120 Millionen Euro verkauft. Nach dem Tod von Berthold Albrecht hat dessen Witwe Babette Albrecht Klage wegen Betrug gegen Achenbach erhoben. Im Juni 2014 kam Achenbach in Untersuchungshaft und wurde im Dezember desselben Jahres wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Untreue zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt. An die Erben von Berthold Albrecht musste er 19,4 Millionen Euro Schadensersatz bezahlen.

 

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