Aktuelle Bedrohungen durch Islamismus und islamistischen Terrorismus in Deutschland und Europa

Von Prof. Dr. Stefan Goertz, Lübeck

 

1 Einleitung

 


Bis zum Herbst 2020 – vier islamistische Anschläge: In Dresden (homophobes Motiv), bei Paris (Enthauptung eines Lehrers im Kontext von Mohammed-Karikaturen), in Nizza (in einer Kirche) sowie in Wien – war es in den deutschen Medien und in der deutschen Politik ruhig geworden um die Bedrohung durch islamistische Terroristen in Deutschland und Europa. Dabei hatten die hohe Zahl islamistischer Gefährder und Jihad-Rückkehrer aus Syrien und dem Irak sowie die Zahl der von deutschen Polizei- und Verfassungsschutzbehörden in Deutschland verhinderten islamistischen Anschlägen schon seit Jahren eine konkrete und hohe Bedrohung der Inneren Sicherheit Deutschlands durch islamistische Terroristen nachgewiesen!

Dieser Beitrag untersucht einführend die aktuellen vier islamistischen Anschläge in Europa, dabei u.a. die Hintergründe der Attentäter. Das Kapitel drei beleuchtet die Ideologie von Islamisten und Salafisten, ihre Akteure und Strategien. Das vierte Kapitel analysiert aktuelle Bedrohungen durch den islamistischen Terrorismus in Deutschland und Europa, dabei ausführlich islamistische Gefährder und Jihad-Rückkehrer sowie Anschlagsszenarien durch islamistische Terroristen.

 

2 Vier islamistische Anschläge im Herbst 2020: Die Bedrohung war nie weg!

 

2.1 Der islamistische Anschlag in Wien – Hintergründe zum Attentäter

Der österreichisch-nordmazedonische islamistische Gefährder Kujtim Feizulai tötete bei seinem islamistischen Anschlag am 2.11.2020 vier Menschen und verletzte 23 (teilweise) schwer. Nach Angaben der Polizei Wien gab es sechs verschiedene Tatorte. Die ersten Schüsse fielen nahe der Hauptsynagoge in einem Wiener Ausgehviertel, wenige Stunden vor Beginn des teilweisen Lockdown in Österreich. Die Lokale im ersten Bezirk, der Gegend um die Hauptsynagoge Seitenstettengasse, der Bauernmarkt, Fleischmarkt, Morzinplatz, der Salzgries und der Graben waren gut besucht. Laut Polizei wurden die ersten Schüsse in der Seitenstettengasse abgegeben. Dort befindet sich auch die Synagoge. In einem Tweet der Wiener Polizei hieß es, unter den Schwerverletzten sei auch ein Polizist, der die Synagoge bewacht habe.2Um 20:04 Uhr kam es zu einem heftigen Schusswechsel mit den lediglich mit Faustfeuerwaffen ausgestatteten Wiener Polizeibeamten, die sich dem Attentäter höchst couragiert entgegen stellten. Einer der beiden Beamten wurde dabei schwer verletzt und musste notoperiert werden.

Der von der Polizei erschossene Attentäter war den Behörden bekannt. Der 20-jährige islamistische Gefährder war wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorbestraft. Nach Angaben des österreichischen Innenministeriums wollte er in der Vergangenheit nach Syrien ausreisen, um sich dort der jihadistischen Organisation „Islamischer Staat“ anzuschließen. Er wurde von den Sicherheitsbehörden daran gehindert und stattdessen im April 2019 wegen Mitgliederschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 22 Monaten Haft verurteilt.

Vor dem Anschlag postete der Attentäter auf Facebook ein Bild mit den Tatwaffen. Dazu zählten eine Kalaschnikow mit verkürztem Lauf, ein Sturmgewehr, eine Faustfeuerwaffe und eine Machete. Während des Anschlags trug er zudem eine Sprengstoffgürtel-Attrappe. Der slowakischen Polizei war er vor dem Anschlag bei einem versuchten Munitionskauf aufgefallen.3

Der damalige österreichische Innenminister und jetzige Bundeskanzler Karl Nehammer erklärte gegenüber den Medien, dass dieser islamistische Anschlag eine „Bruchlinie im System sichtbar gemacht“ habe. Dass der Attentäter vorzeitig aus der Haft entlassen worden sei, zeige, dass man „in Zukunft klarer und stärker gegen radikalisierte Gewalttäter vorgehen“ müsse. Der damalige Innenminister Nehammer forderte daher eine Evaluierung des Systems von Prävention und Deradikalisierung sowie eine Optimierung der Justiz. Der junge Attentäter hatte es geschafft, die Mitarbeiter des Deradikalisierungsprogrammes zu täuschen und damit eine vorzeitige Entlassung zu erwirken.4

2.2 Der islamistische Anschlag in Nizza – Eine Nachahmer-Tat

Der tunesische Flüchtling und islamistische Terrorist Brahim Issaoui verübte am 29.12.2020 einen Anschlag auf drei Christen in der Kirche Notre Dame in Nizza. Er schnitt einer Frau die Kehle durch. Der Attentäter, der mehrfach „Allahu Akbar“ (Allah ist groß) gerufen hatte, wurde beim Einsatz der Polizei durch Schüsse verletzt und in ein Krankenhaus gebracht. Nach Angaben des Bürgermeisters von Nizza, Christian Estrosi, wurden die Opfer in der Kirche Notre Dame in Nizza auf die „abscheulichste Art“ getötet, der Attentäter wollte offenbar ähnlich wie beim Anschlag auf den Lehrer Samuel Paty vorgehen, sagte Estrosi. Präsident Macron verurteilte den „islamistischen Terroranschlag“ und kündigte den Einsatz von 7000 Antiterror-Kräften der Streitkräfte in Frankreich an, das sind mehr als doppelt so viele wie bisher.5 Der Bürgermeister von Nizza forderte eine Verstärkung der Polizeipräsenz an allen Kirchen Frankreichs. „Einmal mehr bezahlen die Franzosen durch ein barbarisches Verbrechen einen hohen Preis“, sagte Estrosi. Nizza war am 14.7.2016, dem französischen Nationalfeiertag, von einem schweren Terroranschlag heimgesucht worden, als ein islamistischer Attentäter mit einem Lastwagen 86 Menschen tötete. Seither gab es zahlreiche Anschläge mit Dutzenden Toten und Verletzten in Frankreich. Am 26.7. 2016 drangen zwei Islamisten in Saint-Étienne-du-Rouvray in Nordfrankreich in die Kirche ein und töteten den Priester Jacques Hamel mit einem Messer. Der Bürgermeister von Nizza erklärte nach dem Anschlag, Frankreich befinde sich in einem Krieg und müsse mit allen Mitteln gegen die Feinde der Republik vorgehen. Es könne nicht angehen, dass aufgrund von Datenschutz-Bedenken die elektronische Gesichtserkennung nicht genutzt werde, dass man Gefährder, die bekanntermaßen gefährlich seien, nicht ins Ausland abschiebe und dass man Franzosen mit hohem terroristischem Gefährdungspotential in den Gefängnissen nicht konsequent isoliere.6

Der Anschlag in der Kirche in Nizza muss als Nachahmer-Tat, als copycat-Anschlag des Anschlages in einer Kirche in Nordfrankreich im Sommer 2016 bewertet werden, als zwei Islamisten einem Priester vor dem Altar die Kehle durchgeschnitten haben. Kirchen als Symbole für die christliche Welt sind also definitiv auch zukünftig Anschlagsziele und auch Synagogen, die meisten Islamisten sind auch Antisemiten, würden einer islamistischen Anschlagslogik entsprechen.7

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