Sabotage sichtbar machen




Ein Hubschrauber schwebt über der ICE-Trasse Mannheim Frankfurt. An Bord eine Spezialkamera. Noch während des Fluges vergleicht ein Computer die Aufnahmen mit einem Basisfilm, der vier Tage zuvor im gleichen Streckenabschnitt erstellt worden ist. Bei Bahnkilometer 47 meldet ein Signalton, dass hier etwas nicht stimmt. Dort unten wurde das Gleisbett manipuliert. Der Computer markiert eine nur postkartengroße Stelle auf dem Monitor; sie weist eine andere Färbung auf. Der speziell geschulte Beamte, der das PC-Programm überwacht, schlägt Alarm. Wenige Minuten später rücken die Sprengstoffexperten des Landeskriminalamtes aus. Dort unten könnte die Bombe versteckt sein, vor der ein anonymer Anruf gewarnt hat.




Noch ist diese Szenerie Fiktion, doch vielleicht wird sie bald Realität – möglicherweise schon zur Fußball-WM. Bis dahin könnte das Anti-Terrorspray der Chemiefirma Lanxess in Produktion gehen, um die Gäste aus aller Welt noch besser zu schützen. Sicherheitsexperten bezeichnen die Erfindung als äußerst vielversprechend.

Bei der Substanz, an deren Entwicklung ein Team aus der Forschungsabteilung des Leverkusener Unternehmens seit über drei Jahren tüftelt, handelt es sich um eine witterungsfeste Chemikalie, die ohne viel Aufwand großflächig im Gelände versprüht werden kann. Zum Beispiel vom Hubschrauber aus. Für das menschliche Auge ist sie unsichtbar, unter Laserlicht aber leuchten die präparierten Stellen bläulich.

Ein Computer vergleicht nun aktuelle Bilder einer Laserkamera mit Aufnahmen des Geländes unmittelbar nach der Markierung. Noch aus 100 Metern Entfernung lassen sich – laut Lanxess – auch kleinste Veränderungen im Gelände sicher erkennen. Bei Tag und bei Nacht. Wird bei einem Kontrollflug eine Störung registriert, so kann sie von geschultem Personal gezielt untersucht werden. Wildspuren und Bauarbeiten werden von der Software als solche erkannt und lösen keinen Alarm aus.

In Stadien könnten auf diese Weise Grünflächen, Mauern oder Zäune präpariert werden. Mit dem Spray, so hoffen Experten, ließen sich Flughäfen, Kraftwerke, Versorgungspipelines oder – wie im Beispiel erwähnt – Bahnstrecken besser schützen. Wenn sich jemand an einem Gleisbett zu schaffen macht, wird er zwangsläufig Steine oder Erdreich bewegen und damit die einheitliche Färbung der Fläche zerstören. Eine versteckte Bombe bliebe dann wohl kaum unbemerkt.


Die Bestandteile der Substanz sind schwer zu beschaffen. Doch selbst wenn, würde nachträgliches Übersprühen einer manipulierten Stelle im Gelände erkannt, da die Lumineszenz des Markers im Laufe der Wochen stetig abnimmt. Später eingesprühte Bereiche leuchten heller. Die Vorteile eines solchen Systems liegen – wenn es funktioniert – auf der Hand. Es wäre mit geringem Aufwand einsetzbar, ist unkompliziert und wirtschaftlich – denn es könnte Kontrollgänge – etwa am Gleisbett einer Bahntrasse – ersetzen, die zeit- und personalintensiv, teuer, fehlerträchtig und für die damit beauftragten Beamten sogar gefährlich sind.

Aber auch die Wege von Schleuserbanden durch Grenzgebiete ließen sich auf diese Weise möglicherweise nachvollziehen. Lanxess hofft, dass das Patent Objektschutz und Anlagensicherheit auf eine völlig neue Basis stellt.

Und wie steht es mit der Umweltverträglichkeit? Auch dies, heißt es seitens der Firmenleitung, sei gründlich geprüft worden. Das Hauptaugenmerk habe von Anfang an der Abbaubarkeit der Substanz gegolten. Sowohl der Inidikator selbst, als auch der Binder, der die Haftung auf einer Vielzahl von Untergründen sicherstellt, hätten umfangreiche ökotoxikologische Untersuchungen mit Erfolg passiert.

Das Projekt ist übrigens für ein Chemieunternehmen weniger fachfremd, als es zunächst scheint. Es leitet sich aus dem Textildruck ab. Seine Erfinder haben lediglich das Anwendungsspektrum ihrer Produkte auf ein derzeit sehr aktuelles Themenfeld übertragen. Mittlerweile interessieren sich auch Sicherheitsbehörden anderer Länder dafür.