Vermögensabschöpfung im kriminalpolizeilichen Alltag

Staatsanwalt Arne Rettke, Lübeck1

Die Vermögensabschöpfung galt bislang eher als strafrechtliches Nischenprodukt, das nur ausnahmsweise angewendet wurde und besonderen Fallkonstellationen wie z.B. der Verfolgung von Betäubungsmitteldelikten vorbehalten war. Wo bislang dennoch im Ergebnis Vermögensabschöpfung bei der Verfolgung allgemeiner Straftaten stattfand, insbesondere durch die Beschlagnahme von Diebesgut, lag der Fokus zunächst vor allem auf der Eignung als Beweismittel; erst bei der Frage nach einer möglichen Herausgabe wurde der Verletzte in den Blick genommen. Die Bedeutung der Vermögensabschöpfung ist durch das am 1.7.2017 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung2 deutlich gestiegen. Hieraus folgt eine Mehrbelastung u.a. der Polizei, die bei der zukünftigen Bemessung des Personals zu berücksichtigen sein wird.3 Die Bundesregierung hat in ihrem Gesetzesentwurf4 die zum damaligen Zeitpunkt geltenden Regelungen der Vermögensabschöpfung als äußerst komplex und unübersichtlich und zudem mit zahlreichen rechtlichen Zweifelsfragen belastet bezeichnet. Es bestünden nicht vertretbare Abschöpfungslücken. Der Staat habe aber alles rechtsstaatlich Mögliche zu unternehmen, um die Nutznießung von Verbrechensgewinnen zu unterbinden. Durch die Reform solle daher das Recht der Vermögensabschöpfung vereinfacht, die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten erleichtert, die nachträgliche Abschöpfung von Vermögensgegenständen ermöglicht und nicht vertretbare Abschöpfungslücken geschlossen werden.

1 Grundlegendes und Begrifflichkeiten

Die Reform der Vermögensabschöpfung bringt tiefgreifende Änderungen mit sich. Dies zeigt sich weniger an der Änderung einiger Begrifflichkeiten. Der zuvor im § 73 StGB gebrauchte Begriff „Verfall“ wird durch „Einziehung von Taterträgen“ ersetzt, und heißt damit ähnlich wie die „Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten“ im Rahmen des § 74 StGB. Diese Angleichung der Bezeichnungen erleichtert zwar die Übersetzung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten,5 im deutschen Recht muss jedoch zwischen der Einziehung gemäß § 73 StGB und derjenigen gemäß § 74 StGB unterschieden werden, da sich bei unterschiedlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Einziehung auch andere Rechtsfolgen ergeben.6 Anstelle der aus der Tat erlangten Vorteile sind nun die durch die Tat erlangten Vorteile abzuschöpfen. Das vom Bundesgerichtshof aus dem Begriff aus hergeleitete Unmittelbarkeitskriterium wurde damit aufgegeben (siehe Ziff. 2.2). Wesentlich bedeutender ist die Abschaffung der Rückgewinnungshilfe. Während es nach altem Recht (§ 73 Abs. 1 S. 2 StGB a.F.) ausgeschlossen war, den Verfall anzuordnen, wenn das aus der Tat Erlangte einem Verletzten zustand (was meistens der Fall war), spielt es nun keine Rolle mehr, ob es einen Verletzten der Tat gibt oder nicht. Die neuen Regeln schaffen einen umfassenden staatlichen Einziehungsanspruch. Sofern der Anspruch des Verletzten nicht erloschen ist (Ziff. 3), sind die Belange des Verletzten erst im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Auch für die Fragen, ob man ausnahmsweise von der Einziehung absehen darf (Ziff. 7) oder ob vorläufige Maßnahmen ergriffen werden dürfen (Ziff. 8), kommt es, weil es sich um einen staatlichen Einziehungsanspruch handelt, auf die Person des Verletzten und dessen Möglichkeiten, selbst das auf seine Kosten Erlangte zurückzuerhalten, nicht an. Durch den Verzicht auf die ehemalige Beschränkung der selbständigen Einziehung auf tatsächliche Gründe kann nun auch dann, wenn wegen der Straftat keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann, die Einziehung in fast allen Fällen angeordnet werden (Ziff. 6). Ferner kann die Einziehung auch dann angeordnet werden, wenn zur Überzeugung des Gerichts der erlangte Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt. Dies gilt nicht nur für die Fälle der jetzt ausgeweiteten erweiterten Einziehung (Ziff. 5), sondern neuerdings auch ohne Nachweis einer konkreten Straftat, sofern zuvor ein Verfahren wegen einer Katalogstraftat geführt wurde (Ziff. 6.2). Im Ergebnis ist die Vermögensabschöpfung bis auf wenige Ausnahmen jetzt immer dann möglich und auch zwingend, wenn jemand durch oder für eine (nicht zwangsläufig konkret zu bestimmende) Tat etwas erlangt hat.

2 Die Bestimmung des einzuziehenden Etwas bzw. Betrags

Bei der Bestimmung des Erlangten kommt es darauf an, ob ein Gegenstand erlangt wurde, der aufgrund seiner Beschaffenheit gegenständlich eingezogen werden kann und noch vorhanden ist (Einziehung von Taterträgen) oder nicht (Einziehung des Wertes von Taterträgen).

2.1 Einziehung von Taterträgen

Der Einziehung unterliegt, was der Täter oder Teilnehmer oder der andere in den Fällen des § 73b StGB7durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangt hat. Für die Tat erlangt ist der Tatlohn, der z.B. in der Vergütung des Auftragsmörders oder aber auch in der Gebührenrechnung eines an einer Steuerhinterziehung beteiligten Steuerberaters oder dem für eine illegale Entsorgung von Abfällen gezahlten Entgelt liegen kann. Durch die Tat erlangt wurde zunächst einmal das, was der Täter gegenständlich erlangt. Dabei kann es sich – trotz der allgemeinen Einordnung der Regelung der §§ 73 ff. StGB in den Bereich der Vermögensabschöpfung – auch um objektiv wertlose Sachen ebenso wie um nicht verkehrsfähige Gegenstände wie z.B. gefälschte Markenartikel handeln. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Erlangens sind während der Tat erlangte Gegenstände wie z.B. die gestohlene Schnapsflasche, das unterschlagene Fahrrad oder die im Wege des Betrugs erlangte Schrankwand einzuziehen. Etwas vor Versuchsbeginn Erlangtes kann mangels Straftat nicht durch die Tat erlangt sein.8 Nach der Tatbeendigung Erlangtes stammt ebenfalls nicht mehr aus der Straftat. Solche Vermögenswerte können allerdings aufgrund eines Anspruchs, eines Versprechens oder einer Aussicht gewährt worden sein. Sofern dies der Fall ist, wäre dann der Wert dieses Anspruchs o.ä. im Rahmen der Einziehung des Wertes von Taterträgen einzuziehen. Ein Belassen von entdecktem gegenständlich noch vorhandenem Taterlangten beim Beschuldigten dürfte nach der Neuregelung kaum noch in Betracht kommen, es wird vielmehr regelmäßig zu beschlagnahmen sein (siehe Ziff. 8 und 8.1).

 2.2 Einziehung des Werts von Taterträgen

Vielfach besteht das Taterlangte in ersparten Aufwendungen, z.B. in Form ersparten Aufwands für die fachgerechte Entsorgung von Abfällen und anderen Stoffen (§§ 324 ff. StGB). Durch eine Straftat können ferner immaterielle Werte wie z.B. eine Firmenwertsteigerung erlangt sein. Durch die Aufgabe des Unmittelbarkeitskriteriums können nun auch mittelbar erlangte Vorteile eingezogen werden.

Die vorgenannten Vermögensvorteile können aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht gegenständlich eingezogen werden. § 73c StGB sieht für diesen Fall vor, dass der Wert des Erlangten einzuziehen ist. Eine Unmöglichkeit der Einziehung ergibt sich auch bei dem Untergang des Gegenstands als solchem, z.B. durch Zerstörung, aber auch durch Verarbeitung gemäß § 950 BGB, wenn eine Sache zu einer neuen Sache umgebildet wird, oder durch Vermengung z.B. von Bargeld.9 Eine Einziehung ist nur dann möglich, wenn jeder einzelnen Tat das Taterlangte zugeordnet werden kann. Stammt das aufgefundene Erlangte ausschließlich aus mehreren Straftaten, kann aber nicht festgestellt werden, welcher Gegenstand durch welche Straftat zu wessen Lasten erlangt wurde (eine Vielzahl ähnlicher Schmuckstücke nach mehreren Raubüberfällen auf Juweliere oder Bargeld nach mehreren Betäubungsmittelgeschäften), so ist der Wert der Taterträge einzuziehen. Dabei werden freilich regelmäßig körperlich vorhandene (aber nicht zuzuordnende) Gegenstände zur späteren Verwertung im Rahmen eines Vermögensarrests gepfändet werden (siehe Ziff. 8.2). Falls die Gegenstände keinen legalen Wert haben sollten, z.B. Betäubungsmittel, so ist an eine Einziehung gemäß besonderer Vorschriften, in diesem Fall § 33 BtmG, zu denken.

Ein in der Praxis häufiger Fall der Unmöglichkeit der Einziehung des erlangten Gegenstands beim Täter ist der, dass der Täter den Gegenstand verkauft, verschenkt oder verbraucht hat. Wird z.B. die gestohlene Schnapsflasche oder die ertrogene Schrankwand vom Täter verkauft, ist beim Täter der Wert der Gegenstände im Zeitpunkt des Erlangens durch den Täter einzuziehen.

Durch die Reform wurden in § 73d StGB erstmals Regelungen zur Bestimmung des einzuziehenden Betrags im Rahmen der Wertersatzeinziehung eingefügt. Zwar sind danach Aufwendungen für den Erwerb des Taterlangten gemäß § 73d Abs. 1 S. 1 StGB abzuziehen. Allerdings führt die Rückausnahme des § 73d Abs. 1 S. 2 1. Halbsatz StGB, der anordnet, dass die Aufwendungen, die für die Begehung der Straftat oder deren Vorbereitung gemacht wurden, bei der Bestimmung des einzuziehenden Betrag außer Betracht bleiben, dazu, dass – mit Ausnahme der Verfahren wegen fahrlässigen Handelns, der Verfahren gegen jugendliche Straftäter und der Rückrückausnahme des § 73d Abs. 1 S. 2 2. Halbsatz StGB vor allem für die Fälle des Eingehungsbetrugs – der Abzug von Aufwendungen regelmäßig ausgeschlossen und das Brutto-Erlangte einzuziehen ist.10

Im Rahmen der durch den polizeilichen Sachbearbeiter durchzuführenden Ermittlungen ist für die Einziehung von Taterträgen der Wert des Erlangten zu ermitteln und mit einem Betrag in Euro zu beziffern. Insoweit ergibt sich keine nennenswerte Änderung der Anforderungen, da auch in der Vergangenheit der durch die Tat verursachte Schaden für die Strafzumessung zu ermitteln war. Lediglich die Wertangabe wird nun etwas genauer ausfallen müssen, wobei der (Mindest-)Wert des Erlangten gemäß § 73d Abs. 2 StGB auf Grundlage von ermittelten Anknüpfungstatsachen geschätzt werden kann.

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