Steuerverwaltung und Geldwäsche

Von Dr. Karsten Webel, LL.M. (Indiana), Hamburg

 

1 Einleitung


Dem Tatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB) kann sowohl im Rahmen eines Besteuerungsverfahrens als auch eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat erhebliche Bedeutung zukommen. Dementsprechend soll in der Folge zwischen diesen beiden Verfahren unterschieden werden, da sie als Verwaltungsverfahren einerseits und Strafverfahren andererseits unterschiedlichen Regeln unterliegen und der Verdacht einer Geldwäsche in diesen Verfahren ganz unterschiedliche Fragen aufwirft und Folgen auslöst.

Die Darstellung wird mithin zunächst auf das insbesondere im Besteuerungsverfahren relevante Steuergeheimnis und dessen Durchbrechung im Fall eines Geldwäscheverdachts eingehen (unter 2.). Dabei handelt es sich um Fragen, denen – entgegen dem ersten Eindruck – durchaus auch Bedeutung für Strafverfahren wegen Geldwäsche zukommen kann. Es folgen dann die Frage nach dem Verhältnis zwischen Geldwäsche und Steuerstrafverfahren (unter 3.) sowie abschließend kurze Hinweise zu den strafprozessualen Folgewirkungen eines Verdachts der Geldwäsche in Verfahren wegen des Verdachts einer Steuerhinterziehung (unter 4.).

 

 

2 Die Bedeutung des Geldwäscheverdachts im Besteuerungsverfahren

 

2.1 Die Bedeutung des Steuergeheimnisses

Das in § 30 AO geregelte Steuergeheimnis ist eine der zentralen Normen der Abgabenordnung (AO) und wird teilweise sogar als „Grundpfeiler unseres Steuerrechts“ angesehen. Es schützt den Bürger gegen die unbefugte Verwertung und Verwendung seiner individuellen Daten und gewährleistet dadurch im steuerlichen Bereich sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Dementsprechend wird dem Steuergeheimnis in der Literatur zwar kein Grundrechtscharakter, aber mindestens eine mittelbare verfassungsrechtliche Absicherung zugesprochen.2 § 30 AO hat in § 355 StGB darüber hinaus seine strafrechtliche Entsprechung, was die hohe Wertigkeit dieser Norm unterstreicht.3 Das Steuergeheimnis ist erforderlich, da im Steuerrecht das Prinzip der „gläsernen Taschen“ gilt, nach dem alle persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Tatsachen vollständig und wahr zu offenbaren sind, soweit sie steuererheblich sind. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn strafbare oder gegen die guten Sitten verstoßende Handlungen steuerlich relevant sind (vgl. § 40 AO)4, z.B. wenn der Steuerpflichtige seinen Lebensunterhalt durch den An- und Verkauf gestohlener Sachen oder durch Menschenhandel bestreitet oder sich bestechen lässt. Auch die insoweit erzielten Gewinne müssen zwingend erklärt werden und unterliegen der Besteuerung. Als „Gegenleistung“ für diese sehr weitgehenden Mitwirkungs- und Offenbarungspflichten wird der Bürger durch § 30 AO geschützt, denn die sich aus der Abgabenordnung ergebenden weitgehenden Erklärungs-, Mitwirkungs- und Duldungspflichten (z.B. §§ 90, 93, 200 AO) sind den Steuerpflichtigen nur zuzumuten, wenn sie vor einer Weitergabe der Informationen durch die Finanzbehörde grundsätzlich geschützt sind.5 In der Praxis ergeben sich daraus – wie sich auch in der weiteren Darstellung zeigen wird – jedoch zahlreiche Folgen, die auch einer Nutzung der den Finanzämtern vorliegenden Daten im Rahmen der Strafverfolgung entgegenstehen. Diese Beschränkung der Strafverfolgung wird darüber hinaus auch immer wieder durch eine zu weitgehende Auslegung des Steuergeheimnisses durch die Finanzverwaltung noch deutlich ausgeweitet.

 

2.2 Verpflichteter Personenkreis

Zur Wahrung des Steuergeheimnisses sind selbstverständlich alle Steuerbeamten verpflichtet. Aus § 30 Abs.1 i.V.m. § 7 AO ergibt sich darüber hinaus aber, dass auch alle anderen Amtsträger verpflichtet sind, das Steuergeheimnis zu beachten, also alle Beamten und Richter nach deutschem Recht (z.B. auch Polizeibeamte). Darüber hinaus sind gem. § 7 Nr. 2 AO auch andere Personen in öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnissen (z.B. Notare, Minister) und gem. § 7 Nr. 3 AO sonstige mit öffentlichen-rechtlichen Aufgaben betraute Personen (z.B. Dolmetscher und Sachverständige) dem Steuergeheimnis verpflichtet.

 

2.3 Gegenstand des Steuergeheimnisses

Durch § 30 AO sind geschützt „personenbezogene Daten eines anderen“ sowie fremde Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, wenn sie dem Amtsträger in Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit (vgl. § 30 Abs. 2 Nr. 1 a-c AO) bekannt geworden sind oder im automatischen Verfahren gespeicherte Daten.

Zu den personenbezogenen Daten eines anderen gehört alles, was über diese Person bekannt werden kann, d.h. ihre gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Umstände wie z.B. Umsatz, Eigentums- und Vermögensverhältnisse, Schulden, Lebensalter, religiöse und politische Einstellung, eheliche und nichteheliche Kinder sowie Geschäftsbeziehungen. Dazu gehört aber auch schon die Tatsache, dass eine bestimmte Person steuerlich überhaupt geführt wird, in welchem Finanzamt sie geführt wird und welche Steuernummer sie hat. Es ist ohne Bedeutung, ob die jeweiligen Umstände und Tatsachen steuerlich bedeutsam sind. Die Tatsache, dass die jeweiligen Informationen auch anderweitig erlangt werden können, enthebt den Verpflichteten nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht. Geschützt sind neben den Verhältnissen des Steuerpflichtigen auch die aller anderen Personen, die im Besteuerungsverfahren auftauchen, wie z.B. Auskunftspflichtige gem. § 93 AO sowie Namen von Anzeigeerstattern.6

Fremde Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sind Dinge, die nur einem kleinen Personenkreis bekannt sind, bzgl. derer ein Geheimhaltungswille besteht und die für den Betrieb oder das Geschäft von Bedeutung sind, z.B. Patente, Kundenlisten, Bezugsquellen oder geplante Investitionen.

Von den personenbezogenen Daten eines anderen oder den fremden Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen muss der Amtsträger i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a-c AO dienstlich Kenntnis erlangt haben. Folglich sind alle Daten geschützt, die nicht bei rein privaten Veranstaltungen oder nur im zeitlichen (aber nicht sachlichen) Zusammenhang mit dem Dienst erlangt werden. Sie unterliegen dem Schutz des Steuergeheimnisses, gleich ob sie zielgerichtet erhoben wurden oder Zufallsfunde darstellen.7 Der zwischen Kenntniserlangung und der dienstlichen Tätigkeit bestehende unmittelbare Zusammenhang wird mit Rücksicht auf den hohen Rang des Steuergeheimnisses in einem sehr weiten Sinn verstanden.8 Alles, wovon der Verpflichtete auf anderem Wege – also z.B. auf dem Weg zum Dienst, bei einem Pausengespräch oder bei einer privaten Feier – Kenntnis erlangt hat, ist nicht durch § 30 AO geschützt.

Auf den in § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a-c AO genannten Wegen können auch Amtsträger außerhalb der Steuerverwaltung Kenntnis erlangen, so dass auch auf sie § 30 AO anwendbar ist (z.B. Polizisten, Sachbearbeiter in der Sozialbehörde). Die Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses ist nicht zeitlich begrenzt, so dass auch Pensionäre oder Rentner noch gegen § 30 AO verstoßen können.

Durch § 30 Abs. 2 Nr. 3 AO werden darüber hinaus auch im automatischen Verfahren gespeicherte Daten geschützt, nicht hingegen solche in manuell geführten Dateien oder Karteien. Deren Schutz wird ausschließlich durch Nr. 1 und 2 gewährleistet. Unter im automatisierten Verfahren gespeicherten Daten sind nur solche Daten zu verstehen, die einerseits unter Einsatz eines Datenverarbeitungssystems erfasst worden sind und die andererseits im Besteuerungsverfahren angefallen sind. Dies umfasst aber auch Daten, die von anderen Stellen für das Besteuerungsverfahren geliefert werden, z.B. automatische Mitteilungen des Bundeszentralamts für Steuern über Rentenbezüge.

 

 

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