Kurzbeitrag: Teilnehmerrechte bei demonstrativen Klimaschutzaktionen

Von Hartmut Brenneisen, Worms/Preetz

 

Klimaschutzaktionen der globalen „Fridays-for-Future-Bewegung“gehören zum politischen Alltag und es dürfte angesichts der bestehenden Umweltbelastungen noch eine deutliche Steigerung zu erwarten sein. Kundgebungen, Aufzüge, Mahnwachen, Blockaden, Besetzungen und Widerstandscamps sind nur einige der einfallsreichen Gestaltungsformen. Mit diesen Aktionen sind aber auch Rechtsprobleme verbunden, die sich u.a. auf die Teilnehmerrechte beziehen.

 

1 Verfassungsrechtliche Grundlagen


Demonstrative Klimaschutzaktionen sind regelmäßig an Art. 8 GG auszurichtende Versammlungslagen. Danach haben alle Deutschen das Recht, „sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln“. Der verfassungsrechtliche Versammlungsbegriff ist durch die personale, physisch-räumliche, zeitliche und thematisch-gegenständliche Dimension gekennzeichnet, wobei der geistigen Komponente die größte Relevanz zukommt. Trotz deutlicher Kritik aus der Literatur2 dürfte der hier bestehende Meinungsstreit judikativ zu Gunsten des engen Versammlungsbegriffs entschieden sein.3 Der Terminus des GG lässt sich allerdings nicht ohne Einschränkungen auf die einfachgesetzlichen Ausformungen übertragen. Insbesondere ist dort die Versammlungsfreiheit als Jedermannsrecht ausgestaltet und nicht auf Deutsche begrenzt. Allein aus diesem Grund ist bei Versammlungslagen nicht zwingend zugleich der Schutzbereich des Art. 8 GG eröffnet. Umgekehrt engen die besonderen Gefahrenabwehrgesetze den Versammlungsbegriff im Einzelfall auch ein. So definiert z.B. § 2 I VersFG SH die personale Untergrenze einer Versammlung mit drei Personen, ohne dass diese Einschränkung allerdings Auswirkungen auf den verfassten Schutz haben kann.


Art. 8 GG überlässt den Grundrechtsträgern das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung. Geschützt ist die Teilnahme an einer Veranstaltung ebenso wie die Entscheidung, dieser unter Umständen fernzubleiben. Die Beteiligten haben das Recht auf die eigene und unbeeinflusste Darstellung ihres Anliegens in der Öffentlichkeit und die freie Entscheidung über die Teilnahme. Den Staatsorganen ist es verwehrt, dominierend auf Programm, Form und Ablauf Einfluss zu nehmen. Die dadurch garantierte Gestaltungsfreiheit ist Ausdruck von Liberalität, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewussten Bürgers. Dieser freiheitliche Grundgedanke enthält jedoch keine uneingeschränkten Befugnisse, sondern fordert die gebotene Rücksichtnahme auf entgegenstehende Positionen. Die zuständigen Behörden haben im Einzelfall durch beschränkende Verfügungen den Ausgleich zwischen kollidierenden Rechten herbeizuführen (= „praktische Konkordanz“4). Was die inhaltliche Gestaltung angeht, ist durch Art. 8 GG Typenfreiheit gewährleistet. Die thematische Offenheit führt zur Pluralität der durch die Verfassungsnorm geschützten Versammlungsformen. Diese berechtigt allerdings nicht zum Kampf gegen den Staat und seine Verfassung oder zu zielgerichteten Normverletzungen. Der Schutz des Art. 8 GG kann von Personen, die unter dem Deckmantel der Versammlungsfreiheit Gewalttätigkeiten ausüben oder eine bestehende Versammlung verhindern wollen, nicht in Anspruch genommen werden. Er endet dort, wo es nicht um die – wenn auch kritische – Teilnahme an einer Versammlung, sondern um deren Verhinderung oder die Anwendung von Gewalt geht.


Von grundlegender Bedeutung für Klimaschutzaktionen ist daneben Art. 20a GG. Die Bestimmung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und Tiere wurde im Jahr 1994 geschaffen und 2002 erweitert. Ausweislich der Entstehungsgeschichte normiert Art. 20a GG ein konkretes Staatsziel. Es handelt sich damit nicht um einen subjektiven Anspruch von Einzelpersonen, sondern um eine objektive Verpflichtung des Staates mit rechtlicher Bindungswirkung.5 Dabei gilt der Umweltschutz trotz dieser herausragenden Bedeutung nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung bzw. nach Maßgabe von Gesetz und Recht und ist entsprechend stets mit anderen Verfassungsrechtsgütern in Ausgleich zu bringen.6 Dennoch verstärkt die Regelung den Schutzbereich des Art. 8 GG bei themenbezogenen Versammlungen.

 

2 Teilnehmerrechte


Ohne Teilnehmer ist eine Versammlung nicht denkbar. Dies gilt naturgemäß auch für demonstrative Aktionen der Klimaschutzbewegung. Teilnehmerist jeder, der durch aktive Teilnahme oder passive Teilhabe an einer Versammlung Anteil nimmt.

2.1 Grundrechtsträger

Träger des Grundrechts der Versammlungsfreiheit sind alle Deutschen. Art. 8 GG ist als Bürgerrecht ausgestaltet und knüpft an die deutsche Staatsangehörigkeit an.7 Daneben gehört die Versammlungsfreiheit aber auch zu den elementaren vorstaatlichen Menschenrechten, die keiner besonderen staatlichen Anerkennung bedürfen. Damit verfügt Art. 8 GG trotz seiner grammatikalischen Ausgestaltung über einen Menschenrechtskern, der an der Uneinschränkbarkeit des Würdesatzes teilhat und partiell Nicht-Deutschen zur Seite steht, ohne dass ihnen dieselbe „Nettofreiheit“ zugebilligt wird wie einem Deutschen.8Diese Ausgangslage ist speziell im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt aus Art. 8 II GG von Relevanz, denn gemeinsam mit der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG vermag sie legislatorischen Bemühungen durchaus Schranken zu setzen.


Die vorgenannte Argumentationslinie wird durch die Landesverfassungen weiter gestärkt. Diese gehen teilweise über das GG hinaus und schreiben die Versammlungsfreiheit unmittelbar als Menschenrecht fest. So wird beispielsweise in Art. 23 LV Bbg und Art. 26 LV Bln ausdrücklich allen Menschen das Recht zugesprochen, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.


Daneben billigt das Völkerrecht durch Art. 11 EMRK die Versammlungsfreiheit allen Menschen ohne Rücksicht auf die individuelle Staatsangehörigkeit zu. Zwar gilt die EMRK in Deutschland lediglich im Rang eines einfachen Bundesgesetzes,9 dennoch wird die personelle Beschränkung des Art. 8 GG dadurch zumindest teilweise überlagert. In diesem Kontext ist auch Art. 12 I EuGrCh zu betrachten, nach dem die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit jeder Person zugesprochen wird. Auch wenn sich die politischen Entscheidungsprozesse im steten Wandel befinden, dürfte das Ende nationaler Bürgerrechte zumindest auf europäischer Ebene eingeläutet sein. So heißt es in einer Entscheidung des VG Hamburg:10„Es spricht Gewichtiges dafür, den durch Art. 8 Abs. 1 GG gewährten Schutz der Versammlungsfreiheit in unmittelbarer Anwendung auf Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union zu erstrecken.“


Die einengende Ausgestaltung des Art. 8 GG verliert nahezu vollends ihre praktische Bedeutung, indem die die Verfassungsnorm konkretisierenden VersG des Bundes und der Länder von einem Jedermannsrecht ausgehen und so dem Ausschluss von Ausländern und Staatenlosen entgegentreten.11 Zudem geht die h.M. davon aus, dass Nicht-Deutsche sich auf Art. 2 I GG als Auffanggrundrecht berufen können,12 wenngleich auch unter den weitergehenden Begrenzungsmöglichkeiten der Schrankentrias.

 

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