Kriminalpolizeiliches Licht im zivilrechtlichen Dunkel

Einführung in das Zivilrecht undin das Zivilprozessrecht – Teil 2

4. Anfechtung, §§ 119ff BGB
Unter einem Irrtum versteht man das unbewusste Auseinanderfallen von Erklärung und Willen. Dabei ist zwischen Fehlern bei der Willensäußerung und Fehlern bei der Willensbildung zu unterscheiden. Fehler bei der Willensbildung, also warum jemand eine Erklärung abgibt (Motivirrtum – Person irrt über den Beweggrund seiner Erklärung) sind dem Geschäftspartner an und für sich egal, daher ist dieser Irrtum grundsätzlich irrelevant.

Dirk Weingarten
Polizeihauptkommissar & Ass. jur.
Polizeiakademie Hessen

Beispiel: A kauft eine Flasche Sekt für ein romantisches Abendessen mit B. B hat jedoch keine Lust auf A. Dieses Motiv des A ist dem Verkäufer egal.
Einzig der irrige Umstand über die Eigenschaft der Vertragssache oder der Person des Geschäftspartners im Sinne wertbildender Faktoren berechtigt zur Anfechtung (Eigenschaftsirrtum).
Beispiel: Vertragspartner irrt über die Fachkenntnis seines Vertragspartners oder die Fahrleistung eines PKW. Dieser Fehler in der Willensbildung berechtigt zur Anfechtung.




Neben dem Vorliegen eines der oben dargestellten Anfechtungsgründe ist es notwendig, die Anfechtung einseitig empfangsbedürftig dem Vertragspartner zu erklären (§ 143 BGB) und dies innerhalb einer Frist (§ 121 BGB) unverzüglich („ohne schuldhaftes Zögern„). Die Rechtsfolgen sind zum einen die Nichtigkeit von Anfang an (§ 142 BGB) und zum anderen ggf. Schadensersatz durch den Anfechtenden
(§ 122 BGB), wenn der Vertragspartner auf die Gültigkeit der ursprünglichen Erklärung vertrauen durfte.
Neben dem Irrtum bei der Willensbildung/-äußerung gibt es auch eine Anfechtungsmöglichkeit wegen Willensbeeinflussung, so bei arglistiger Täuschung oder rechtswidriger Drohung (§ 123 BGB). Die Anfechtungsfrist (§ 124 BGB) beläuft sich dann auf jeweils 1 Jahr nach Entdeckung der Täuschung bzw. Beendigung der Zwangslage.
Betrugsartige Züge } wenn der Erklärende durch Hervorrufen oder Aufrechterhalten eines Irrtums, durch Vorspiegeln oder Unterdrücken von Tatsachen auf die Vorstellung eines anderen einwirkt.
Das Inaussichtstellen eines empfindlichen Übels.

5. Vertretung
Oft handeln Personen für andere; dabei unterscheidet man
zwischen gesetzlicher (z.B. Eltern für ihre Kinder, §§ 1626, 1629 BGB) und rechtsgeschäftlicher Vertretung (§§ 164ff BGB).





Die Stellvertretung, auch Vollmacht genannt, kann grundsätzlich formfrei im Innen- oder Außenverhältnis erteilt werden. Bezüglich des Umfanges ist zwischen der Spezialvollmacht (bezieht sich auf ein einzelnes Rechtsgeschäft; Kauf eines bestimmten Autos), der Artvollmacht (bezieht sich auf alle Geschäfte einer bestimmten Art; Kauf eines Autos eines bestimmten Typs) und der Generalvollmacht (bezieht sich auf alle möglichen Geschäfte) zu unterscheiden.

(kein höchstpersönliches Geschäft, wie z.B. Hochzeit)
(gewisser Beurteilungsspielraum ≠ Bote)
(Offenkundigkeitprinzip; mitteilen, für wen gehandelt wird; Ausnahme: Ge-
schäfte des täglichen Lebens, dann Vertragspartner egal) (Umfang)

Neben der oben dargestellten Entstehung der Vertretung gibt es zwei weitere Bereiche, die zu erwähnen sind, die Duldungs- und die Anscheinsvollmacht; beide sind vollwirksame Vertretungen. Bei der Duldungsvollmacht weiß der Geschäftsherr/Vertretener, dass jemand ohne Vertretungsmacht für ihn handelt, duldet dies aber. Zudem darf der Dritte von der mangelnden Vertretungsmacht nichts gewusst haben. Bei der Anscheinsvollmacht glaubt der Dritte auch an die Vertretungsmacht, der Geschäftsherr kennt zwar das Auftreten eines anderen für ihn nicht, hätte es aber erkennen und verhindern können.
Handelt ein Vertreter ohne Vertretungsmacht (§ 179 BGB), gibt es unter anderem für den Vertretenen auch die Möglichkeit der Genehmigung des Rechtsgeschäftes. Ihre Grenzen findet die Vollmacht dort, wo eine Person im Ergebnis mit sich selbst Geschäfte abschließen möchte (§ 181 BGB).

6. Verjährung
Die allgemeinen Verjährungsfristen finden sich in §§ 194ff. BGB. Daneben gibt es noch eine Reihe spezieller Verjährungsvorschriften, die beispielsweise bei den einzelnen (besonderen) Schuldverhältnissen (wie z.B. dem Kaufvertrag, §§ 433, 438 BGB) zu finden sind. Ist eine Forderung/Anspruch verjährt, ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern; das heißt nicht, dass er sie nicht mehr schuldet. Die Verjährung beschreibt also die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen, nicht das Ende der Ansprüche.



Verjährungsbeginn (§§ 199 - 201 BGB) ist zumeist das Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (Jahresabschlussverjährung); Hemmungen und Neubeginn sind möglich.
Will heißen: Die Einrede der Verjährung von dem Schuldner geltend gemacht werden; so muss sie beispielsweise auch vor Gericht vorgetragen werden. Der Richter prüft dies nicht von Amtswegen.

Exkurs: Eintreiben verjährter Forderungen

Derzeit (Frühjahr 2010) versuchen verschiedene (Inkasso-)Firmen verjährte Forderungen einzutreiben. Bei den offenen Forderungen handelt es sich um Kleinstbeträge im Cent-Bereich, die durch das sog. Call-by-Call-Verfahren aufgelaufen sind und auch auf Telekom Rechnungen ausgewiesen wurden. Zudem werden 5 Mahngebühr addiert und um Überweisung innerhalb einer relativ kurzen Frist gebeten. Für den Fall der Nichtbezahlung werden erheblich höhere Kosten in Aussicht gestellt. Da die meisten in Rede stehenden Gespräche vor mind. 3 Jahren aufwärts geführt wurden, haben die Betroffenen keine Unterlagen mehr oder erinnern sich nicht mehr und bezahlen.
Grundsätzlich ist es jedermann unbenommen, verjährte Forderungen einzutreiben, wenn diese Forderungen tatsächlich noch bestehen. Strafbar ist ein solches Verhalten nicht. Zivilrechtlich hat der Schuldner die Möglichkeit die Einrede der Verjährung zu erheben und somit dem Spuk ein Ende zu machen.

II. Schuldrecht Allgemeiner Teil (§§ 241 – 432 BGB)

Im Gegensatz zum SchR-BT werden wie bereits oben dargestellt im SchR-AT allgemeine Dinge geregelt, die sich mit Schuldverhältnissen beschäftigen. Sie gelten immer, jedoch besonders dann, wenn im SchR-BT ein Umstand nicht in jeder Hinsicht geregelt ist und somit ergänzend dann auf den SchR-AT zurückgegriffen werden muss.
Im Bereich des Kaufvertrages § 437 BGB – SchR-BT) sind zwar „die Rechte des Käufers bei Mängeln„ erwähnt, deren jeweilige konkrete Regelungen befinden sich teilweise aber im SchR-AT.
Unter einem Schuldverhältnis versteht man ein Rechtsverhältnis zwischen mindestens zwei Personen, kraft dessen die eine (Gläubiger) von der anderen (Schuldner) eine Leistung fordern kann. Das Recht des einen ist die Pflicht des anderen! Innerhalb dieser Schuldverhältnisse gibt es drei Bereiche von Pflichten: Primär-, Sekundär- und Nebenleistungspflichten. Die Primärpflichten ergeben sich zumeist aus dem jeweiligen Paragraphen, so z.B. beim Kaufvertrag, § 433 BGB (Zahlung des Kaufpreises auf der einen Seite und Pflicht zur Übergabe und Eigentum zu verschaffen auf der anderen Seite). Als Sekundärpflichten werden solche Pflichten bezeichnet, die neben oder an die Stelle der Primärleistung – bei Leistungsstörung – treten, wie beispielsweise Schadensersatz oder ähnliches. Schließlich die Nebenleistungspflichten, die die Vertragsparteien dazu anhalten, auf die Interessen und Rechtsgüter der anderen Vertragspartei Rücksicht zu nehmen (insb. Aufklärungs-, Auskunfts- und Hinweispflichten).

1. Entstehung von Schuldverhältnissen
Schuldverhältnisse sind von einfachen gesellschaftlichen Gefälligkeitsverhältnissen (wie Einladung zu einer Feier) abzugrenzen. Jedoch ist zu beachten, je bedeutender die Gefälligkeit für eine der Personen ist (versprochene Fahrt zum Flughafen), umso eher können auch daraus Sekundärpflichten erwachsen.
Einerseits entstehen gesetzliche Schuldverhältnisse kraft Gesetz, wenn z.B. eine Person Sachen einer anderen Person zerstört, ist sie zum Schadensersatz verpflichtet (§ 823 Abs. 1 BGB), andererseits entstehen vertragliche Schuldverhältnisse durch Willenserklärungen seitens der Vertragsparteien (z.B. Kaufvertrag, § 433 BGB).
Die vertraglichen Schuldverhältnisse bewegen sich im Rahmen gegenseitiger Verträge, wie exemplarisch der Kaufvertrag, bei dem die eine Person etwas macht (Geld geben), damit die andere auch etwas macht (Sache Übergeben und Eigentum verschaffen; sog. Abhängigkeitsverhältnis) bis hin zu einseitigen Verträgen, beispielsweise die Bürgschaft (§ 765 BGB), bei der nur der Bürge etwas machen muss.


Schuldrechtlich ist dies ein Kaufvertrag (Brötchen gegen Geld); in sachenrechtlicher Hinsicht zwei Übereignungsverträge, Eigentumsübertragung des Brötchens und Eigentumsübertragung des Geldes7.
Zur zwingenden Trennung Schuldrecht und Sachenrecht (sog. Abstraktionsprinzip) später mehr.

2. Zurückbehaltungsrechte
Dieses Rechtsinstitut stellt ein Hilfsmittel zur Durchsetzung eigener Rechte dar, indem die Erfüllung von Ansprüchen des Vertragspartners so lange zurückgestellt wird, bis dieser seinerseits seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommt. Die Grundform des Zurückbehaltungsrechtes ist in § 273 BGB geregelt. Die Geltendmachung setzt voraus, dass der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat. Dann kann er die geschuldete Leistung verweigern, bis der Gläubiger seinerseits den Gegenanspruch erfüllt. Zudem darf das Zurückbehaltungsrecht nicht ausgeschlossen sein; ein Zurückbehaltungsrecht aus gegenseitigem Vertrag ist speziell in § 320 BGB (Einrede des nichterfüllten Vertrags) – teilweise abweichend – geregelt.

Exkurs: Zurückbehaltungsrecht bei
privater Abschleppung8


Eine Abschleppfirma (A) überwacht im Kundenauftrag Einkaufsmarktparklätze. Die Grundstücke sind mit entsprechenden Hinweisschildern bzw. Parkverbotsschildern versehen. Bei Zuwiderhandlungen schleppt A den PKW ab und/oder befestigt eine Parkkralle; Polizeibeamte werden zur Durchsetzung des Herausgabeverlangens hinzu gerufen.
Den Polizeibeamten steht keine Aufgabenzuweisung bzw. keine Ermächtigungsgrundlage zu, die Herausgabe des PKW zu verfügen.
Zwar ist es Aufgabe der Polizei zum Schutz privater Rechte oder im Rahmen der Gefahrenabwehr zu erwartende Straftaten zu verhüten9, aber beides ist hier nicht gegeben.
Ein Einschreiten zum Schutz privater Rechte verbietet sich, da dies nur möglich ist, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Eine besondere Eilbedürftigkeit lässt sich dem Sachverhalt nicht entnehmen und der Halter erhält seinen PKW nach Entrichtung der Kosten zurück. Ob die Höhe angemessen war, darüber befindet das Zivilgericht.
Polizeiliches Handeln zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten kommt auch nicht in Betracht, da dem Grundstückseigentümer (G) ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB zusteht, welches er dem Herausgabeanspruch des Halters aus §§ 985, 986 BGB (danach kann der Eigentümer vom Besitzer die Sache heraus verlangen, wenn der Besitzer kein Recht zum Besitz an der Sache hat) entgegenhalten kann. Der Grundstückeigentümer hat also gerade ein (Zurückbehaltungs-)Recht zum Besitz des PKW, welches er auf A übertragen hat. Dieses Zurückbehaltungsrecht stützt G darauf, dass er gegen den Fahrzeugführer einen Schadensersatzanspruch wegen unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB) hat, da dieser sein Besitzrecht am Privatgrundstück durch verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) störte.
Da nach der hier vertretenen Auffassung das Handeln des G selbst oder durch A nicht zu beanstanden ist, gibt es auch strafrechtlich keine Erfolgsaussichten. Schließlich ist sogar eine Feststellung der Identitäten obsolet, da der Halter mittels Formular über den Standort seines PKW und die Herausgabebedingungen informiert wird.

3. Beendigung von Schuldverhältnissen Auch das schönste Schuldverhältnis geht irgendwann einmal zu Ende. So ist es beispielsweise, wenn die gegenseitigen Verpflichtungen erfüllt worden sind (Erfüllung, § 362 BGB), einvernehmlich an Erfüllung statt, § 364 BGB, geleistet wurde, die Parteien aufgerechnet haben (Aufrechnung, §§ 387ff BGB), ein Vertrag gekündigt wurde oder rechtswirksam von einem Vertrag zurückgetreten wurde, §§ 364ff BGB.

4. Leistungsstörungen Aber leider läuft nicht immer alles einvernehmlich und so kann es bisweilen zu Störungen im Leistungssystem kommen.
Dabei unterscheidet man drei große Bereiche: Unmöglichkeit (§§ 283, 275 BGB), Verzug (§§ 286, 280, 293ff. BGB) und Schlechtleistung (§§ 280ff. BGB). Innerhalb dieser Leistungsstörungen gibt es dann eine Reihe von Verschiedenartigkeiten und Folgen zu unterscheiden, die sich zusammengefasst darin erschöpfen sollen, dass hier die Begrifflichkeiten erklärt werden und die hauptsächliche Folge kurz angerissen wird, nämlich der Schadensersatz.

Es ist noch nicht geleistet worden und kann auch nicht mehr geleistet werden. (Beispiel: Der verkaufte PKW ist vor/nach Abschluss des Kaufvertrages ausgebrannt oder wurde gestohlen.)
Es ist noch nicht geleistet worden, es kann aber noch geleistet werden. (Beispiel: Die für den 01.06.2010 vereinbarte Waschmaschine ist am 15.06.2010 noch immer nicht geliefert worden.)
Es ist geleistet worden, aber nicht in der rechten Art und Weise. (Beispiel: Es wurde ein PKW gekauft und geliefert, der bereits 14 Tage nach Ingebrauchnahme wegen eines Motorschadens liegen bleibt.)

5. Schadensersatz Unter Schadensersatz versteht man allgemein den Ausgleich des Nachteils, den jemand durch ein bestimmtes Ereignis an seinem Vermögen oder an seinen sonstigen rechtlich geschützten Gütern erleidet. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob der Nachteil aus Verletzung einer Primär-, Sekundär oder Nebenleistungspflicht herrührt.
Einerseits gibt es im BGB sehr viele Anspruchsgrundlagen und Umstände woraus sich Schadensersatzansprüche ergeben andererseits aber auch viele verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten der Schadensersatzleistung. Der Umfang des Schadensersatzes orientiert sich an §§ 249ff. BGB und bezieht sich auf unmittelbare und mittelbare, materielle und immaterielle Schäden (wie Schmerzensgeld, § 253 BGB). Grundsätzlich haftet jeder für sein eigenes Handeln (§ 276 BGB), hinsichtlich Vorsatz und Fahrlässigkeit. In Teilbereichen gibt es auch eine Haftungsverschärfung in Form einer Verantwortlichkeit des Schuldners auch für Dritte, wenn er sich z.B. einer Person zur Erfüllung geschuldeter Leistungen bedient, sog. Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB).
Malermeister (M) hat sich vertraglich verpflichtet, einen Raum zu tapezieren und er schickt zum Tapezieren seinen Gesellen (G), der nicht vorschriftsmäßig arbeitet und Schäden verursacht. In diesem Fall ist M auch für die Handlungen des G verantwortlich.
Demgegenüber gibt es auch eine Haftungsminderung, die beispielsweise einem Verleiher zugutekommt, da er nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat, (§ 599 BGB).



7 Zu diesem Thema: Weingarten, Wer ist Eigentümer des Geldes?, Polizei-Info 4/2009, S. 49
8 Dieser Themenbereich ist sehr umstritten; hier wird nur eine (gut) vertretbare Meinung dargestellt.9
§ 1 Abs. 3 und 4 Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) in der Fassung vom 14. Januar 2005 (GVBl. I 2005, 14) zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. Dezember 2009 (GVBl. I S. 635)