Die beiden Varianten des Wohnungseinbruchsdiebstahls
§ 244 I Nr. 3, IV StGB
Von Prof. Dr. Dennis Bock, Kiel1
1 Einleitung; Allgemeines
Laut Polizeilicher Kriminalstatistik von 2018 fielen 97.504 der erfassten Straftaten unter die Kategorie des Wohnungseinbruchsdiebstahls. Ähnliche hohe Zahlen werden für das Jahr 2019 erwartet. Schon dies ist Anlass, die nunmehr zwei Varianten des Wohnungseinbruchsstahls, normiert in § 244 I Nr. 3 und IV StGB, näher zu beleuchten.
Bei § 244 handelt es sich um eine Qualifikation des (einfachen) Diebstahls zu § 242 StGB, was bedeutet, dass beim kumulativen Vorliegen der zusätzlichen Voraussetzungen des § 244, der reguläre Strafrahmen des § 242 auf den des § 244 angehoben wird.2 Die besondere psychische Belastung der Opfer bei Wohnungseinbruchbrüchen im Vergleich zum (regulären) Diebstahl veranlassten bereits den Gesetzgeber des 6. StrRG im Jahr 1998, die zuvor nur in § 243 I 2 Nr. 1 StGB enthaltene Regelung als schärfer bestrafte Qualifikation in § 244 I StGB festzuhalten. Im Vergleich zum Regelbeispiel nach § 243 StGB ist die Strafrahmenverschärfung bei § 244 StGB abschließend und zwingend.
Im Rahmen von Wohnungseinbrüchen dringen die oder der Täter regelmäßig tief in die Privat- und Intimsphäre des Opfers ein und können ernste psychische Störungen wie Angstzustände hervorrufen. Schlimmer als der materielle Verlust kann die Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls sein, welches sich letztlich oft psychisch stark belastend auswirkt.3 Hinzu kommt die besondere Gefährlichkeit der Tatausführung für das Opfer und die darin zum Ausdruck kommende besondere Rücksichts- und Hemmungslosigkeit des Täters.4 Eine vergleichbare Vorschrift wie § 243 II StGB existiert im Rahmen von § 244 StGB nicht, so dass ein geringer Wert der Diebsbeute die Anwendung der Qualifikation nicht hindert. Eine analoge Anwendung des § 243 II StGB zugunsten des Täters kommt nicht in Betracht.5
Den minder schweren Fall des § 244 I Nr. 1-3 StGB regelt § 244 III StGB. Einen minder schweren Fall des 2017 neu geschaffenen § 244 IV StGB gibt es nicht.
Der Versuch ist gem. § 244 II StGB strafbar. Wie bei allen Qualifikationen ist zu beachten, dass die Versuchsstrafbarkeit ein unmittelbares Ansetzten auch zum Grunddelikt, also zur Wegnahmehandlung voraussetzt.6
2 Wohnungseinbruchsdiebstahl, § 244 I Nr. 3 StGB
Gemäß § 244 I Nr. 3 wird der Täter mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er einen Diebstahl begeht und bei Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält.
2.1 Wohnung
Wohnung ist eine zur (auch nur vorübergehenden) Unterkunft des Menschen dienende Räumlichkeit.7 Der Wohnungsbegriff ist abzugrenzen von bloßen Arbeits- oder Geschäftsräumen, die lediglich von § 243 I 2 Nr. 1 StGB erfasst werden. Im Ausgangspunkt ist der Wohnungsbegriff deckungsgleich mit dem des Hausfriedensbruchs gem. § 123 StGB. Angesichts der qualifizierten Strafandrohung des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB von sechs Monaten bis zu zehn Jahren ist es nicht ganz unproblematisch, inwieweit der Wohnungsbegriff restriktiver als bei § 123 StGB auszulegen ist, da dessen Strafrahmen lediglich Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe normiert.8
Die herrschende Meinung wendet die Qualifikation bzgl. Nebenräumen und Nebengebäuden (z.B. Geräteschuppen, Gartenhäuschen, Terrasse, Garten, Keller, Dachboden) nicht an. Erfasst sind auch Wohnwagen9 und Wochenendhäuser10. Allerdings hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass mit Blick auf den anderen Schutzzweck und die Mindeststrafe des § 244 I Nr. 3 StGB zu weite Umschreibungen nicht unkritisch übernommen werden dürfen. Nebenräume wie Flure, Toiletten, Keller und Speicher werden bei § 244 I Nr. 3 StGB nur dann geschützt, wenn sie mit dem eigentlichen Wohnungsbereich unmittelbar verbunden und daher so integriert sind, dass insgesamt eine in sich geschlossene Wohneinheit vorliegt. Im Komplex dieser Wohneinheit kommt es auf die Art der Nutzung des Raumes nicht an.11
Innerhalb eines Einfamilienhauses gehören auch Kellerräume und geschäftlich genutzte Räume wie das Arbeitszimmer oder Büro etwa eines Rechtsanwalts oder Pfarrers zur Wohnung.12Nicht zur Wohnung gehören außerhalb der Wohneinheit liegende, d.h. von ihr völlig abgetrennte Geschäftsräume. Typisch dafür sind gemischt genutzte Gebäude (z.B. Ladenlokal im Erdgeschoss, wobei der Wohnbereich im Obergeschoss des Gebäudes liegt).
In entsprechender Weise nicht erfasst sind: Freistehende Gartenhäuser13; freistehende Garagen; „offene Zubehörflächen“ wie Terrassen und Gärten; Flure, Kellerräume und Aufzüge in Mietshäusern/Wohnblocks.14 Keine Wohnung sind ferner der Flur und der offene Empfangsbereich des Foyers eines Senioren- und Pflegeheims, es sei denn, dass diese Räumlichkeiten den Charakter von Nebenräumen der bewohnten Zimmer haben.15 Auch kurzfristig genutzte Hotelzimmer stellen keine Wohnung im Sinne des § 244 I Nr. 3 StGB dar, denn ein Tatopfer, das die Unterkunft bald aufgibt, ist nicht den typischen, sich wiederholten psychischen Belastungen ausgesetzt.16
Demgegenüber sind Wohnmobile und Wohnwagen jedenfalls dann als Wohnung einzustufen, wenn sie zumindest vorübergehend, etwa auf einer Urlaubsreise, zur Unterkunft diesen.17 Ob Wohnungseigenschaft nur solange besteht, wie Wohnmobil oder Wohnwagen auch tatsächlich als Unterkunft genutzt werden, lässt der BGH offen, ist aber zu bejahen.18
Der Wohnungsbegriff umfasst ferner Wochenendhäuser.19
2.2 Tatmodalitäten
Die in § 244 I Nr. 3 aufgeführten Tathandlungen sind deckungsgleich mit denen des § 243 I 2 Nr. 1 StGB.
2.2.1 Einbrechen
Einbrechen ist die Aufhebung der Umschließung durch eine nicht unerhebliche Gewaltanwendung, die dem Eindringen in den Raum dient.20 Hierfür genügt sowohl die Erweiterung einer bereits vorhandenen Öffnung21 als auch das Hineingreifen in eine so erweiterte Öffnung. Der Täter muss den Raum nicht betreten.22 Ein Hineingreifen in eine bereits bestehende Öffnung genügt aber nicht, da sich hier gerade nicht die erhöhte kriminelle Energie des Täters in der gewaltsamen Öffnung manifestiert.23
Strittig ist – dies betrifft alle Tathandlungsvarianten des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB –, ob es von Bedeutung ist, wenn der Täter im Allgemeinen berechtigt ist, sich in dem Gebäude (z.B. als Mitbewohner oder Angestellter) aufzuhalten bzw. es zu betreten.24 Während die Rspr.25 und die h.L.26 dies für irrelevant halten, setzt ein Teil der Lehre27 eine allgemeine Nichtberechtigung voraus. Zwar wird die kriminelle Energie eines gänzlich unberechtigten Täters noch größer sein als die eines Täters, der grundsätzlich Zugang zur Örtlichkeit hat. In der besonderen Tathandlung liegt aber ein hinreichend eigenständiger Unwert, dass die Anwendung des § 243 I 2 StGB auch dann geboten ist. Eine Aufenthaltsberechtigung ist eben keine Einbruchsberechtigung.
Kein Einbrechen liegt vor, wenn der Täter die Gewaltanwendung erst anwenden muss, um aus dem Raum herauszugelangen.28
Zwar sind besondere Kraftanstrengungen oder Substanzverletzungen für ein Einbrechen nicht konstituierend, jedoch genügen ganz unerhebliche Kraftanstrengungen nicht.29 Hoch sind die Anforderungen freilich nicht.
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