Der Verdeckte Ermittler im LVwG SH

Eine überzeugende Ergänzung?


Von KK Lasse Dähling, Kiel1

 

1 Einleitung

 

Mit der Novellierung des Landesverwaltungsgesetzes Schleswig-Holstein (LVwG SH) im Februar 2021 hat der Gesetzgeber wichtige Regelungen im Bereich des Polizeirechts neu erfasst und strukturiert.2 Nach mehr als dreijähriger Vorbereitung sind diverse Rechtsgrundlagen neu geschaffen, konkretisiert oder nach aktueller Rechtsprechung grundrechtskonform ausgestaltet worden, um den heutigen Anforderungen an die polizeiliche Gefahrenabwehr gerecht zu werden. So ist beispielsweise der „finale Rettungsschuss“ gem. § 258 Abs. 1 S. 2 LVwG SH normiert sowie die Möglichkeit des Einsatzes von Distanz-Elektroimpulsgeräten (DEIG) gem. § 258a LVwG SH und körpernah getragener Aufnahmegeräten („Bodycams“) gem. § 184a LVwG SH geschaffen worden. Auch die elektronische Aufenthaltsüberwachung („Fußfessel“) gem. § 201b LVwG SH hat Einzug in das schleswig-holsteinische Polizeirecht gehalten.

Neben den oben genannten Bestimmungen wurden auch wesentliche Regelungen im Bereich der verdeckten Maßnahmen erneuert. Diese finden regelmäßig in Bereichen der Schwerstkriminalität wie z.B. organisierter Kriminalität oder politisch bzw. religiös motivierter Kriminalität Anwendung.3 Hier können häufig aufgrund der abgeschotteten Personenkreise und deren konspirativen Verhalten mit offenen polizeilichen Maßnahmen nicht ausreichend Informationen zur Gefahrenlage erhoben werden, gleichzeitig jedoch gebietet die Gefahrenlage für gewichtige Rechtsgüter den Einsatz solch eingriffsintensiver Maßnahmen. Insbesondere bei Sachverhalten in der Terrorismusabwehr, zu denen oft noch keine strafbare Handlung vorliegt, wohl aber die Gefahr eines extremistisch motivierten Anschlags hinreichend begründet werden kann4, sind solch verdeckte Maßnahmen daher vielfach wichtige Quellen der Datenerhebung, um die Gefahr abzuwenden. Sowohl die neu geschaffene Möglichkeit der Unterbrechung der Telekommunikation gem. § 185b LVwG SH als auch die nun umfangreiche Ausgestaltung der Rechtsgrundlage zum Einsatz von Vertrauenspersonen (VP) gem. § 185c LVwG SH (welche vor der Novellierung allenfalls rudimentär gefasst war) können dabei geeignete Mittel zur Abwendung der Gefahr sein. Hier wurde zusammen mit der Anpassung der gesamten Normen der verdeckten Maßnahmen im Sinne des Urteils des BVerfG zum BKAG5 ein großes Stück Normenklarheit und Grundrechtsschutz geschaffen.

 

2 Verdeckter Ermittler als Datenerhebungsmaßnahme gem. § 185 LVwG SH


Daran schließt sich auch die Neueinfügung des Verdeckten Ermittlers (VE) an. Dieser wurde mit der Novellierung in § 185 Abs. 1 Nr. 3 LVwG SH als „Polizeivollzugsbeamtin oder Polizeivollzugsbeamten unter einer ihr oder ihm verliehenen, auf Dauer angelegten Legende“6 legal definiert und reiht sich damit in die besonderen Mittel der Datenerhebung des § 185 LVwG SH als spezielle Ermächtigungsgrundlage ein.7 Anders als ein „undercover agent“, der komplett in die Szene eintaucht8, soll ein VE für eine bestimmte Zeit im Rahmen eines klar definierten Auftrags verdeckt Daten erheben.9

Die Maßnahme unterliegt (allein schon aus der Systematik heraus) denselben Eingriffsvoraussetzungen wie die anderen in § 185 LVwG SH normierten Maßnahmen, z.B. der längerfristigen Observation. Es müssen damit gem. § 185 Abs. 2 LVwG SH Tatsachen vorliegen, die einen Schaden für die dort genannten Rechtsgüter erwarten lassen und die Maßnahme zur Sachverhaltsaufklärung unerlässlich machen.

Über die bereits vor der Novellierung genannten Rechtsgüter Leib, Leben und Freiheit von Personen sowie gleichgewichtige Sach- und Vermögenswerte und die Umwelt sind nun auch der Bestand und Sicherheit des Bundes bzw. eines Landes genannt.

Dieser Ausfluss aus dem Urteil des BVerfG zum BKAG ist vor dem Hintergrund der stetig anhaltenden Gefahr terroristischer Bedrohungen in Deutschland10 durchweg zu begrüßen, da Täter von terroristischen Anschlägen regelmäßig das Sekundärziel verfolgen, durch eine möglichst öffentlichkeitswirksame Tat den Bestand oder die Sicherheit des Staates zu erschüttern.11 Auch wenn aus der Gefahr eines einzelnen Anschlags sicherlich nicht immer zwangsläufig auf eine Gefahr für den Bestand des Bundes geschlossen werden kann,12 ist doch allen extremistischen Strömungen die Ablehnung bzw. Abschaffung der freiheitlich demokratischen Grundordnung und die damit verbundene Implementierung einer anderen Staatsordnung gemein.13 Somit könnte nun bei einer solchen Gefahrenlage auch auf das langfristig verfolgte Ziel abgestellt werden, insbesondere wenn möglicherweise noch kein detaillierter Anschlagsplan besteht, aber schon der Tatentschluss mit entsprechender Motivation gefasst wurde.

 


Demonstrative Proteste gegen die Novellierung des LVwG SH

 

Seite: 123weiter >>