„Ein Freund, ein guter Freund“

Von den Besonderheiten des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen (Teil 2)

Von Oberstaatsanwalt Dr. Sören Pansa und Staatsanwalt Dr. Marius Heller, Schleswig/Kiel

 

4 Urteil des Landgerichts Berlin vom 17.3.20202

 


Am 17. März 2020 hat die 22. Große Strafkammer als Schwurgericht des Landgerichts Berlin den A nach 46 Hauptverhandlungstagen wegen Mordes in Tateinheit mit Vergewaltigung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, im September 2006 ein 14-jähriges Mädchen (G) unter einem Vorwand in einen Kellerraum gelockt, mit einem Gegenstand niedergeschlagen, vergewaltigt, anschließend erwürgt und im Hausmüllcontainer entsorgt zu haben. Die Überzeugung von seiner Täterschaft stützte das Gericht auf ein Geständnis des A, welches dieser gegenüber einem verdeckten Ermittler (VE-2) abgegeben hatte. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat mangels Rechtsfehlern zum Nachteil des A die Revision des A gegen das Urteil verworfen und damit den Einsatz Verdeckter Ermittler im geschilderten Sachverhalt für rechtmäßig erachtet.3 Einer Begründung bedurfte es dabei in dem nach § 349 Abs. 2 StPO ergangenen Verwerfungsbeschluss als letztinstanzliche Entscheidung nicht.4 Der landgerichtlichen Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde.

 

4.1 Sachverhalt

Nachdem die G im September 2006 verschwunden war, blieben die eingeleiteten Ermittlungen mehrere Jahre ohne Erfolg. Rund zehn Jahre nach der Tat geriet der A im Jahr 2016 aufgrund seines sexuell übergriffigen Verhaltens gegenüber mehreren Mädchen in den Fokus der Ermittlungsbehörden. In der Folgezeit setzte die Polizei mit staatsanwaltschaftlicher und gerichtlicher Zustimmung mehrere verdeckte Ermittler ein. Ab Oktober 2017 nahm zunächst der verdeckte Ermittler VE-1 Kontakt zum A in einem Café in Berlin auf. Der A entwickelte in der Folgezeit ein freundschaftliches Verhältnis zu dem VE-1. Ende Januar 2018 stellte VE-1 dem A den weiteren verdeckten Ermittler VE-2 vor. Ende Februar 2018 trafen sich VE-1, VE-2 und der A erneut. Auf Wunsch des A verbrachten sie zu dritt den Abend in einem Bordellbetrieb, wobei VE-1 den Eintritt für alle bezahlte. Im Folgenden kamen VE-1 und VE-2 mit dem A überein, dass dieser für 250 Euro einen von VE-2 in Berlin erworbenen Sportwagen zusammen mit VE-1 mittels Transporter nach Frankfurt a.M. überführen sollte. Anfang März 2018 erfolgte diese Überführung. Den Abend verbrachte man erneut zu dritt in mehreren „Laufhäusern“ sowie einem bordellartigen Betrieb in Frankfurt a.M. In der Folgezeit kam es zu zahlreichen fernmündlichen Kontakten zwischen A und VE-2. Ferner besuchte VE-2 den A im Zeitraum März bis Mai 2018 mehrfach in Berlin. Dabei lud der A den VE-2 auch zu sich nach Hause ein, wo er die Familie des A kennenlernte. Es entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis und VE-2 nahm auch an familiären Unternehmungen, wie z.B. Grillen im Park oder Treffen mit Freunden der Familie des A, teil. Im Juli 2018 berichtete VE-2 dem A in einem Gespräch wahrheitswidrig, er habe Probleme mit seiner Freundin. Auf die Frage des A, warum er sich nicht einfach von ihr trenne, antwortete VE-2, dass dies nicht so einfach sei, da seine Freundin etwas gegen ihn in der Hand habe. Der A fragte ihn daraufhin, ob er jemanden umgebracht habe, worauf VE-2 entgegnete, er könne hierüber nicht so einfach sprechen. Der A thematisierte die Möglichkeiten der Trennung durch die Freundin des VE-2 oder der „Erledigung“ der Freundin. VE-2 antwortete daraufhin scherzhaft, er käme darauf zurück, wenn der A so weitermache. Hierauf erwiderte der A ernst, er würde dies für VE-2 tun, insbesondere da er Geldprobleme habe. Am Folgetag wiederholte der A seine Bereitschaft zur „Beseitigung“ der Freundin. VE-2 gab vor, sich dies ernsthaft zu überlegen, wenn er wüsste, dass der A so etwas sicher durchführen könne. Dieser versicherte hierauf erneut, eine solche Tat würde bei entsprechender Planung kein Problem darstellen. Mitte September 2018 kam es dann zum nächsten Treffen zwischen dem A und VE-2. Bei einem gemeinsamen Essen fragte der A, ob VE-2 über seinen Vorschlag nachgedacht habe, was dieser bejahte. Der A schlug daraufhin mehrere Modalitäten vor, wie man die Freundin töten könnte, unter anderem die Variante eines Raubmordes. VE-2 kritisierte dies wegen der dabei entstehenden Spuren. Der A fragte VE-2 dann unaufgefordert, ob er wisse, was mit dem Mädchen G passiert sei. VE-2 gab an, dies nicht zu wissen. Der A erwiderte darauf, diese habe bei ihm in der Straße gewohnt und sei eines Tages verschwunden. VE-2 sagte, es wäre ihm am liebsten, wenn seine Freundin auch einfach verschwinden würde. Im Rahmen des nächsten Treffens zwischen VE-2 und dem A Anfang Oktober 2018 gab VE-2 erneut vor, sich mit seiner Freundin gestritten zu haben. Der A interessierte sich für das Beweismittel, über welches die Freundin verfügte. VE-2 erzählte dem A, dass er im Streit eine Person geschlagen habe, die infolge des Schlages und eines unglücklichen Sturzes gestorben sei. Andere Personen hätten die Leiche für ihn entsorgt, nachdem er der Person die Armbanduhr abgenommen hätte. Seine Freundin, die wisse, wem die Uhr zuvor gehört hat, habe diese an sich genommen. Daraufhin bot der A erneut an, die Freundin zu töten, um sich seiner Geldsorgen zu entledigen und versicherte, deswegen keine Gewissensprobleme zu haben. Kurz darauf lud VE-1 sowohl den A als auch VE-2 zu einem Abendessen in seine Wohnung ein. Während des Treffens war der Fernseher eingeschaltet und es lief die Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ mit dem Beitrag über das Verschwinden von G, den der A interessiert verfolgte. Im Anschluss an das Essen sprachen VE-2 und der A allein über die Entlohnung für die Tötung der Freundin des VE-2. Hierfür bot er dem A 100.000 Euro sofort und weitere 50.000 Euro, falls die Leiche binnen eines Jahres nicht auftauchen würde, womit der A sofort einverstanden war. Beide thematisierten erneut mögliche Varianten der Tatbegehung. VE-2 sagte, dass der A das Töten nicht auf die leichte Schulter nehmen solle, woraufhin der A kurz innehielt und dann angab, er kenne das Gefühl, jemanden zu töten. Vor 20 Jahren habe er bereits jemanden getötet. Auf Nachfrage gab der A gegenüber VE-2 weiter an, er habe die Person in dem Keller seiner früheren Wohnung mit einem Gegenstand bewusstlos geschlagen, diese dann gewürgt und in einem Stück in den Müll geworfen. Anschließend kam man überein, dass die Tötung der Freundin des VE-2 genauso erfolgen sollte. Wiederum eine Woche später redeten VE-2 und der A erneut über die Planung der Tötung. Der A beabsichtigte es genauso wie damals zu machen, dies sei nunmehr 10-12 Jahre her und an seiner jetzigen Wohnanschrift gewesen. Der A schilderte im weiteren Gesprächsverlauf noch Einzelheiten hinsichtlich des damaligen Tatablaufs. Nach dem Geschlecht des Opfers befragt, gab der A an, dass die Person weiblich war. In einem weiteren Gespräch fragte VE-2 den A, ob es sich bei dem Mädchen um die G aus der Fernsehsendung gehandelt habe, woraufhin dieser zwar einen Moment angespannt wirkte, es dann aber verneinte. Das Mädchen habe ein paar Häuser weiter gewohnt als G. Ende Oktober 2018 trafen sich VE-2 und der A erneut, um ihr Vorhaben in Ruhe zu besprechen, wobei VE-2 bei diesem Treffen ein Mikrofon trug. Der A berichtete im Rahmen mehrerer über den Tag verteilter Gespräche betreffend die geplante Tötung der Freundin weitere Details der damaligen Tötung des Mädchens. Auf Nachfrage des VE-2, ob es sich bei dem Mädchen nicht doch um die G aus der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ gehandelt habe, entgegnete der A, dass er wisse, dass das Mädchen aus der Sendung mit einem aus Jugoslawien stammenden Jungen abgehauen sei. VE-2 vertraute dem A anschließend an, dass eine der Personen, die für ihn die Leiche entsorgt hätten, nachdem er die Uhr an sich genommen hatte, VE-1 gewesen sei. Im weiteren Verlauf des Gesprächs fragte der A den VE-2 nach einem Vorschuss in Höhe von 5.000 bis 10.000 Euro. VE-2 stellte dem A eine solche Summe in Aussicht, äußerte jedoch Bedenken, ob der A die von ihm behauptete Tat nur erfunden haben könnte, damit er den Auftrag von VE-2 erhalte. Zu der vom A behaupteten Tat habe VE-2 recherchiert und nichts gefunden. Darauf gab der A an, er würde dem VE-2 nunmehr zu 100% vertrauen, zumal VE-2 auch den VE-1 erheblich belastet habe. Bei der Getöteten habe es sich tatsächlich um die G gehandelt. Des Weiteren äußerte der A gegenüber VE-2 anschließend noch weitere Einzelheiten der damaligen Tatbegehung.

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