Mit dem Musterpolizeigesetz zu gemeinsamen Standards bei der Terrorbekämpfung?

Die anhaltende Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus führt nicht zuletzt nach dem Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz am 19.12.2016 zu einer Vielzahl von Maßnahmen und Anpassungen zur Abwehr von terroristischen Gefahren. In der 206. Konferenz der Innenminister und -senatoren (IMK) im Juni 2017 in Dresden wurde zur Erreichung gemeinsamer Standards bei der Terrorbekämpfung u.a. die Erarbeitung eines Musterpolizeigesetzes beschlossen, um die Harmonisierung der Landespolizeigesetze zu fördern.2

Von PD Dirk Staack, Owschlag1

1 Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes

Der Ansatz, einen Musterentwurf als Handreichung bei der Schaffung einheitlicher Gefahrenabwehrgesetze zu entwickeln, ist nicht neu. Bereits in den 1970er Jahren versuchte die IMK durch die Verabschiedung des „Schwerpunktprogramms Innere Sicherheit“, das u.a. die Entwicklung eines Musterentwurfes eines einheitlichen Polizeigesetzes vorsah, den Herausforderungen des linksextremistisch motivierten Terrorismus sowie der Gründung der Roten Armee Fraktion (RAF) zu begegnen.3 Mit Beschluss der IMK vom 25.11.1977 wurde auf dieser Grundlage der „Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder (MEPolG)“

Die darin enthaltenen unverbindlichen Grundsätze für die zuständigen Gesetzgeber wurden nur teilweise durch die Länder umgesetzt und der Gedanke des Musterentwurfes in den Folgejahren nicht konsequent fortgeschrieben. Zwar führte das Volkszählungsurteil des BVerfG4 zu einem „Vorentwurf zur Änderung des Musterentwurfes“, der allerdings bei der Überarbeitung der Gefahrenabwehrgesetze nur zum Teil beachtet wurde.5 Die Folge ist eine sehr unterschiedliche Entwicklung der Befugnisse in den Polizeigesetzen von Bund und Ländern.6

Auf der 206. Konferenz IMK im Juni 2017 in Dresden wurde nunmehr ein neuer Anlauf für die Entwicklung eines Musterpolizeigesetzes unternommen, um die Harmonisierung der Befugnisse im Hinblick auf die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus zu unterstützen. Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, begrüßte den Vorstoß der IMK in der Herbsttagung des BKA am 16. und 17.11.2017 ausdrücklich und konstatierte, dass die Rechtsnormen der Länder z.T. erhebliche Unterschiede aufweisen.

2 Ausgewählte Regelungen

Der vorliegende Beitrag soll anhand von ausgewählten Befugnisnormen die Uneinheitlichkeit der Polizeigesetze in Bund und Ländern sowie die Folgen unterschiedlicher Regelungen darstellen und den dringenden Handlungsbedarf für eine Harmonisierung unterstreichen. Wie dringend die Modernisierung tatsächlich ist, zeigt der Umstand, dass auf der IMK-Frühjahrstagung die Möglichkeit der Überwachung von sog. Messenger-Diensten gefordert wurde, gleichzeitig aber noch nicht einmal alle Gesetze der Länder über eine Standardbefugnis zur präventiven Telekommunikationsüberwachung7 verfügen.

2.1 Aufenthaltsverbot, Aufenthaltsgebot sowie Kontaktverbot

Das polizeiliche Aufenthaltsverbot wurde in den 1990er Jahren zur Bekämpfung sog. offener Drogenszenen in die Polizeigesetze eingeführt.8 Die Befugnisnorm, die mittlerweile in allen Landesgesetzen vorhanden ist, wird auch gegen Fußballhooligans, Randalierer oder Stalker eingesetzt. Der mit einem längerfristigen Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in die Freizügigkeit nach Art. 11 GG sowie der in Abs. 2 enthaltene qualifizierte Gesetzesvorbehalt in Form des sog. Kriminalvorbehaltes begrenzt die Zielrichtung der Ermächtigungen auf die Verhütung von Straftaten. Die Diskussion um neue Befugnisse zur Abwehr terroristischer Gefahren durch islamistische Extremisten warf die Frage auf, ob Platzverweise und Aufenthaltsverbote allein ausreichend sind, um die Planung, Vorbereitung und Durchführung terroristischer Anschläge zu verhindern. Neben den Möglichkeiten, einer Person zu verbieten, bestimmte örtliche Bereiche zu betreten bzw. anzuordnen, diese zu verlassen, zielt das sog. Aufenthaltsgebot9 (teilweise auch als Aufenthaltsvorgabe bezeichnet) darauf ab, die betroffene Person am Verlassen eines bestimmten örtlichen Bereiches (z.B. der Wohnortgemeinde) zu hindern. Kontaktverbote, die bisher vor allem in Fällen von Häuslicher Gewalt oder Stalking auf Grundlage der Befugnisgeneralklausel angeordnet wurden,10 sollen verhindern, dass „die betroffene Person Kontakt zu anderen gefährlichen Personen oder Gruppierungen sucht, etwa um konspirativ die Begehung von Straftaten vorzubereiten oder zu planen.11 Beide Maßnahmen liegen unterhalb einer Freiheitsentziehung als stärkster Eingriff in die Freiheit der Person, ergänzen die Handlungsmöglichkeiten der Polizei und ermöglichen ein abgestuftes Vorgehen. Der Bundesgesetzgeber hat mit seinem Gesetz zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtsgesetzes (BKAG)12 bereits Befugnisnormen zur Aufenthaltsvorgabe und zum Kontaktverbot in § 20y BKAG verankert. Eine entsprechend Norm enthält auch das durch das Änderungsgesetz vom 15.11.2017 ergänzte Polizeigesetz Baden-Württemberg (PolG BW)13. Das aktuell geänderte Sicherheits- und Ordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (SOG MV)14 wurde zwar um ein Aufenthaltsgebot ergänzt, auf die Normierung eines Kontaktverbotes wurde hingegen verzichtet.

Anzustreben ist eine entsprechende Ergänzung der bestehenden gesetzlichen Befugnisse zum Aufenthaltsverbot um die Möglichkeit zum Erlass von präventiven Aufenthaltsgeboten. Gleichzeitig sollte das Kontaktverbot in den Katalog der präventiven Standardmaßnahmen aufgenommen werden. Die Nichtbeachtung entsprechender Anordnungen sollte als ultima ratio mit Hilfe der Gewahrsamnahme durchgesetzt werden können, die gesetzliche Regelung zur Gewahrsamnahme wäre entsprechend zu ergänzen.15 Ob es einer Strafnorm bedarf, um Aufenthalts- und Kontaktverbote zur Wirksamkeit zu verhelfen, wie es aktuell in Nordrhein-Westfahlen, Niedersachsen und Bremen diskutiert wird und in Baden-Württemberg sowie in Mecklenburg-Vorpommern eingeführt wurde, bleibt abzuwarten.16 In Sachsen-Anhalt sind zur Überwachung von Aufenthaltsanordnungen und Kontaktverboten zur Verhinderung terroristischer Straftaten unter besonderen Voraussetzungen auch Maßnahmen zur Erhebung von Telekommunikationsdaten geplant, Verstöße sollen hingegen als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.17 Das Beispiel veranschaulicht, wie sich selbst neue Befugnisnormen in der rechtspolitischen Diskussion unterschiedlich entwickeln und so zur Uneinheitlichkeit der Polizeigesetze beitragen.