Medienschelte hilft nicht weiter – reden, reden, reden!

Von Michael Legband, Kiel

 

Der Journalist Michael Legband kennt beide Seiten des Ladentisches, wie er gerne sagt. Als langjähriger Print- und TV-Mann sind ihm nahezu alle Facetten im weiten Feld des Journalismus geläufig. In seiner Eigenschaft als Kommunikationsverantwortlicher der Industrie- und Handelskammern in Schleswig-Holstein ist ihm die Gegenseite des Geschäfts mehr als vertraut. Die Redaktion hat den versierten Medienmann im aktiven Ruhestand gebeten, aus seiner Sicht etwas zum Umgang mit den Medien und zur Öffentlichkeitsarbeit im Allgemeinen zu Papier zu bringen.

 

1 Einführung


Von der Meinungsvielfalt zur Medienkonzentration. So stellt sich zurzeit die Medienlandschaft im Land dar. Für das nördlichste Bundesland bedeutet dies: Es gibt noch zwei Zeitungsgruppen. Es ist der sh:z mit seinen Untergruppen wie dem A. Beig-Verlag und auf der anderen Seite die Madsack-Gruppe mit den Zeitungsgruppen aus Kiel und Lübeck. Es gibt das Landesbüro der Deutschen Presseagentur, die Hörfunker von NDR und der privaten RSH-Familie. Das NDR-Fernsehen soll auch nicht vergessen werden, ebenso wie die Redaktionen von RTL und SAT 1. Charmante Nischenprodukte wie Flensburg Avis (Zeitung für die dänische Minderheit) und den Deutschlandfunk lasse ich hier mal bei Seite. Diese Konzentration von Umfang und Inhalt macht sich bemerkbar. Ein Rücksprung von dreißig Jahren verdeutlich dies: Bei den wöchentlichen Pressekonferenzen im Landeshaus tummelten sich locker bis an die zwanzig Medienvertreter. Viele Zeitungen hatten noch eigenständige Redaktionen und waren im Landeshaus akkreditiert. Die Agenturjournalisten von dpa, AP, Reuters kamen hinzu und die Korrespondenten von RSH, Delta und Nora. Das ZDF guckte auch mal rein und der NDR hatte und hat ein eigenes Studio im Landeshaus. Die Zeitungen BILD, Hamburger Morgenpost, Hamburger Abendblatt und die alternative taz hatten Büros in Kiel und besuchten die Pressekonferenzen. Wenn heute drei Medienvertreter auf diesen Veranstaltungen sind, haben die Einladenden schon das große Los gezogen.

 

2 Trend hin zum Boulevard


Zur Medienkonzentration gesellt sich eine gewaltige Verunsicherung in den Traditionshäusern seit dem Siegeszug des Internets. Auflagen gehen zurück, Personal wird im großen Stil mehr oder weniger sozialverträglich abgebaut. Allerdings sind die Umsatzrenditen bei den Produkten meist noch ganz ordentlich. Die verunsicherten Redaktionen reagieren allzu häufig mit einer gewissen Boulevardisierung ihrer Berichterstattung. Dabei ist es nachgewiesen, dass ein derartiges Verhalten für Regional- und Lokalzeitungen keine neuen Leser bringt. Eher verunsichert dies die Leser. Die Zeitungen laufen mit der Hinwendung zur Krawallberichterstattung Gefahr ihre Glaubwürdigkeit als Stimme vor Ort zu verlieren. Zu einigen Mechanismen, die diese Gemengelage nach sich zieht: Es gab Zeiten, da hatte der Journalist durchaus mal die Zeit sich für eine gute Story eine Woche Zeit zu lassen. Heute hat er eine Stunde und muss auch noch vorrangig die online-Redaktion beliefern und unter Umständen auch noch kleine Filmchen für das Internet drehen. Da kann mir keiner erzählen, dass die Inhalte nicht leiden. Zeitgleich zu diesen vielfältigen Anforderungen führen nahezu alle Verleger (oder besser gesagt Verlagsmanager) und auch Chefredaktionen das Wort Qualitätsjournalismus im

Mund. Man muss nur lange etwas behaupten und dann glaubt man es selber!

 

3 Der Apparat will immer siegen


Eines ist jedoch auch klar: Wir haben keine anderen Medien und müssen mit ihnen klarkommen. Wie ist dies am ehesten zu bewerkstelligen? Erst einmal müssen Gewerkschaften, Unternehmen, Institutionen die mit den Medien ins Geschäft kommen wollen, bei sich gucken und die richtigen Strukturen schaffen. Wo laufen bei Anfragen von Journalisten, die Anrufe und Mails auf? Verfügt die Organisation über einen Pressever-antwortlichen. Wenn ja, sollte dieser Person möglichst freie Hand gelassen werden. Vertrauen ist hier das Zauberwort. Es gibt kaum etwas Schlimmeres, als wenn der Medienverantwortliche im Dschungel der Hierarchien umkommt. Als langjähriger Pressesprecher einer Industrie- und Handelskammer weiß ich wovon ich hier schreibe. Der Apparat will immer siegen. Da bedarf es auf der einen Seite eine starke Persönlichkeit als Sprecher und auf der anderen Seite selbstbewusste Vorgesetzte, die ihre Sprecherinnen und Sprecher sozusagen frei laufen lassen.

Die Arbeitsverdichtung und die Zeitnot in den Redaktionen erfordern von den Informierenden schnelles Reagieren. Wenn der Sprecher sich erst lange rückversichern muss, ist die Geschichte schnell ohne seine Stellungnahme im Blatt oder auf Sendung. Vertrösten des nachfragenden Journalisten geht gar nicht. Der Pressesprecher muss sicherstellen, dass etwa zugesagte Rückrufe durch Experten seines Hauses auch zeitnah funktionieren. Hier müssen gegebenenfalls Schulungen in den Abteilungen erfolgen. Und geht die Berichterstattung aus Sicht der Organisation schief, nicht gleich den Pressesprecher schlachten. Aus derartigen Ereignissen kann man lernen. Beispielsweise die eigene Bedeutung und die seiner Einrichtung nicht zu hoch hängen. Während die Aufregung noch groß ist, ist in der Zeitung längst ein Fisch eingewickelt und die Redaktion ist schon dabei, eine „neue Sau durchs Dorf zu treiben“, wie Altkanzler Konrad Adenauer einmal zutreffend formulierte. Gelassenheit ist in so einer Situation das Gebot der Stunde.

 

4 Nicht schmollend zurückziehen


Ist die Berichterstattung so danebengegangen, dass sofortiges Handeln erforderlich ist, dann das Gespräch suchen. Niemals schmollend zurückziehen! Immer daran denken, es gibt keine anderen Medien. Man muss nehmen was man hat. Also den Telefonhörer nehmen und erst einmal mit dem Autor des Artikels reden. Bleibt der beratungsresistent, dann hingehen und mit dem Chefredakteur das Gespräch suchen. Es empfiehlt sich bei dieser Gelegenheit auch gleich ein neues Thema im Gepäck dabei zu haben. Journalisten und ganz besonders ihre Chefs lieben News. So etwas muss von Fall zu Fall wiederholt werden. Es geht nicht anders. Immer wieder das Gespräch suchen. Die Jobkarussells drehen sich. Es kommen auch dann und wann andere handelnden Personen zum Vorschein. Mit denen muss man wieder ganz neu anfangen, Vertrauen aufzubauen. Dies ist manchmal schwer. Es geht aber nicht anders. Zur unbedingten Akzeptanz der Pressefreiheit gehört auch gelegentlich das Hinnehmen von beruflichen Schwächen der Zunft. Es gilt natürlich nach wie vor die alte Regel, Information steht vor Meinung. Jedoch beobachte ich heutzutage den Trend, den ich einmal so beschreiben möchte: Der Meinende ist dem Wissenden überlegen. Die Recherche der Fakten und ihre Auswertung kommt zu kurz. Das ist natürlich nicht immer gut zu vertragen. Die Hochschulen sollten deutlich mehr als bisher das Thema Ethik im Journalismus unterrichten. Das muss mehr sein als eine Pflichtübung. Den Journalisten muss klargemacht werden, dass sie nicht in erster Linie für ihre Chefs arbeiten, sondern für die Nutzer ihrer Medien. Das Grundrecht Pressefreiheit ist ein hohes Gut, dem die Journalistinnen und Journalisten auch mit ordentlichem Handwerk entsprechen sollten.

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