Interview mit dem neuen Leiter der Abteilung Poliz

Interview mit dem neuen Leiter der Abteilung Polizeilicher Staatsschutz (ST)
des BKA, Herrn LKD Wittling

Klaus Wittling,
Leiter der Abteilung
Polizeilicher Staatsschutz (ST)


Interview:
Herr Wittling, Sie sind mit Wirkung vom 01.06.2005 als Nachfolger von Abteilungspräsident Maurer neuer Leiter der Abteilung Staatsschutz (ST). Welche Gründe gab es, die Position des Leiters ST neu zu besetzen?

Verschiedene personelle Veränderungen im BKA, so z.B. in Zusammenhang mit der Bildung der neuen Abteilung IK (Internationale Koordinierung) in Berlin und die Übertragung der Position des Leiters von Europol an den ehemaligen Leiter der Abteilung OA, Herrn Ratzel, haben zu der Entscheidung geführt, Herrn Maurer mit der Leitung dieser wichtigen Abteilung zu betrauen. Es freut mich, dass die Leitung des Bundeskriminalamtes und der Bundesminister des Innern mich zu seinem Nachfolger berufen haben.

Wird es mit Ihrer Person eine Neuausrichtung in der Aufgabenwahrnehmung der Abteilung geben?

Im Zusammenhang mit der anhaltenden Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus nach den Anschlägen in den USA am 11.09.2001 musste sich die Abteilung ST neu „aufstellen“. Zudem bestand sowohl die politische Forderung als auch die fachliche Notwendigkeit der Stärkung des BKA in Berlin.
Aufgrund dieser Rahmenbedingungen wurde innerhalb der Abteilung ST bereits im Februar 2002 die Bekämpfung der Politisch motivierten Ausländerkriminalität – Islamistischer Terrorismus – auf Gruppenstärke ausgebaut und ein Teil dieser Gruppe im Dezember 2004 nach Berlin verlagert. Die restlichen Mitarbeiter der Gruppe werden noch im Laufe dieses Jahres ihre Tätigkeit in Berlin aufnehmen. Diesen Prozess habe ich als ständiger Vertreter des Abteilungsleiters begleitet und mitgetragen.
Weil die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus voraussichtlich noch über Jahre einen Schwerpunkt bei der Aufgabenbewältigung darstellen wird, ist Kontinuität in der Aufgabenwahrnehmung der Abteilung geboten.
Es wird also keine grundsätzliche Neuausrichtung in der Aufgabenwahrnehmung geben.
Bereits im vergangenen Jahr haben wir im BKA einen Priorisierungsprozess aufgelegt, der auch in der Abteilung ST zu Veränderungen führen wird. Mein Ziel ist es, die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes in allen Phänomenen der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) weiter zu stärken. Hierzu weitere Ausführungen zu machen, wäre aber verfrüht.

Anfang Dezember 2004 wurde durch den Bundesminister des Innern, Herrn Schily, sehr öffentlichkeitswirksam das neue „Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ)“ in den Räumlichkeiten des BKA in Berlin eingeweiht. Lässt sich zur Arbeit im GTAZ bereits eine Zwischenbilanz ziehen?

Unter dem Dach des GTAZ arbeiten in der Polizeilichen Informations- und Analysestelle (PIAS) und der Nachrichtendienstlichen Informations- und Analysestelle (NIAS) mittlerweile 40 Behörden mit insgesamt ca. 160 Mitarbeitern zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus eng zusammen. Dies gewährleistet eine größtmögliche Nähe und Kooperation der einzelnen Behörden bei gleichzeitiger Beachtung des gesetzlich geforderten Trennungsgebotes.
Vertreten sind im GTAZ neben dem BKA sämtliche Landeskriminalämter, das BfV, die Landesämter für Verfassungsschutz, der BND, der MAD, das ZKA, der GBA und das BAMF.
Die enge tägliche Zusammenarbeit der verschiedensten Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder an einem Ort ermöglicht eine schnelle Bündelung, Verdichtung und gemeinsame Bewertung aller verfügbaren Informationen. Bedrohungsszenarien können frühzeitig erkannt und bewertet werden, operative Maßnahmen können abgestimmt werden.
Diese Art der Zusammenarbeit hat sich bereits in etlichen Fällen bewährt, insbesondere bei der Abklärung von Gefährdungshinweisen.
Dennoch ist anzumerken, dass die Aufbau- und Anlaufphase des GTAZ noch andauert und dass noch einige Hürden zu nehmen sind. Hierzu zählt z.B. die Realisierung der geplanten gemeinsamen Indexdatei sowie verschiedener Projektdateien.
Trotzdem meine ich, dass wir mit dem bisher Erreichten zufrieden sein können, wir sind auf dem richtigen Weg.

Der Präsident des BKA, Herr Ziercke, hat mehrfach die Entwicklung von Frühwarnsystemen zur effektiven Kriminalitätsbekämpfung thematisiert. Welche Auswirkungen haben diese Überlegungen auf die Abteilung ST?

Die Arbeit im GTAZ, wie ich sie bereits geschildert habe, geht in diese Richtung.
Durch die Analyse der Informationen unterschiedlicher Behörden im GTAZ werden bereits jetzt Erkenntnisse über Tatmittel, Begehungsweise, Strukturen und Funktionsweise islamistischer Netzwerke gewonnen, die in entsprechende präventive Maßnahmen umgesetzt werden.
Diese Maßnahmen im Sinne einer Früherkennung von möglichen Strukturen, Gefährdungen usw. sind – auch im Bereich der übrigen PMK – noch zu optimieren. Hierzu werden wir Vorschläge vorlegen.

Welche Schwerpunkte sehen Sie neben der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus für die Abteilung ST?

In diesem Zusammenhang ist auf jeden Fall die Bekämpfung der PMK -Rechts- und die verstärkte internationale Ausrichtung der Verbrechungsbekämpfung zu nennen.

Die Zahlen im Bereich der PMK -Rechts- sind im vergangenen Jahr, mit Ausnahme der Gewaltdelikte, wieder gestiegen. Im Jahre 2005 hat es mehrere Urteile wegen Bildung krimineller und terroristischer Organisationen im Bereich der PMK -Rechts- gegeben, so z.B. gegen Martin WIESE, den Anführer der „Kameradschaft Süd“. Auch wenn wir unverändert nicht vom Vorhandensein fester überregionaler terroristischer Strukturen ausgehen, muss diesem Phänomenbereich unsere volle Aufmerksamkeit gelten.

Die internationale Ausrichtung der Terrorismusbekämpfung bedarf keiner besonderen Begründung. Im europäischen Rahmen wurden vielfältige Aktivitäten zur Bekämpfung des Terrorismus entfaltet. Ich erinnere an den EU-Aktionsplan mit zahlreichen Maßnahmen aus den unterschiedlichsten Politikfeldern. Herauszuheben ist in diesem Zusammenhang die gemeinsame europäische Terrorismusdefinition und der darauf fußende EU-Haftbefehl. Dies sind sehr wichtige Entwicklungen. Aber auch die zukünftige Möglichkeit gemeinsamer Ermittlungsgruppen auf EU-Ebene begrüße ich aus Sicht der Praxis ausdrücklich.

Blickt man auf die europäischen Kooperationsrahmen, geben Stichworte wie EUROPOL und die nach den Anschlägen in Madrid wieder ins Leben gerufene 2. Counter Terrorism Taskforce, die European Chiefs of Police Task Force, die G5-Kooperation, die jüngst unterzeichnete Schengen III-Initiative, die Police Working Group on Terrorism, aber auch zahlreiche bilaterale Initiativen einen Eindruck von der ganzen Vielfalt der polizeilichen Kooperationsforen in der EU. Aber auch darüber hinaus wurde seit dem 11.09.2001 auf Ebene der Vereinten Nationen, der G8 oder der IKPO, um nur diese zu nennen, intensiv gearbeitet und umfangreiche Initiativen ergriffen. Nur mit internationaler Zusammenarbeit kann man dem internationalen Terrorismus wirksam begegnen, einem Terrorismus, dessen Wesen ja gerade darin besteht, über die Grenzen hinweg zu agieren und die Vorteile weltweiter Vernetzung gezielt auszunutzen. Rein nationale Ansätze können hier nicht erfolgreich sein. Aber internationale Kooperation kann auch nur auf der Basis zielführender nationaler Maßnahmen wirklich positive Wirkung entfalten.

Das Bundeskriminalamt – und damit die deutsche Polizei – ist in zahlreichen Kooperationsrahmen vertreten oder steuert Vorschläge zur Verbesserung der internationalen Terrorismusbekämpfung bei.

Aus Ihren Ausführungen ist zu entnehmen, dass sich kaum ein Gremium – sei es auf Ebene der Europäischen Union (EU) oder darüber hinaus – nicht schwerpunktmäßig mit der Bekämpfung des internationalen Terrorismus beschäftigt. Besteht nicht die Gefahr von Redundanzen und mangelnder Koordination?

Natürlich besteht durch die Vielzahl der Institutionen und Gremien immer auch die Gefahr von Überschneidungen und Redundanzen. Hier ist es wichtig, die verschiedenen Initiativen vernünftig aufeinander abzustimmen. In vielen Feldern besteht aber auch noch großer Handlungsbedarf. Stichworte sind hier das Europäische Informationssystem, die konsequente Nutzung der Analysedateien bei EUROPOL oder auch die verbesserte Verzahnung polizeilicher Erkenntnisse und nachrichtendienstlicher Informationen auf europäischer Ebene, um nur einige Felder zu nennen.

Sehen Sie neue Ansätze bei der Bekämpfung der PMK?
In früheren Jahren wurde die PMK, wie andere Deliktsbereiche auch, mit den Mitteln des Strafprozessrechts bekämpft. Selten, dass andere Behörden und deren spezifische Möglichkeiten zusätzlich genutzt wurden.
Hier hat ein Umdenken stattgefunden. Unter dem Markenzeichen „Ganzheitlicher Ansatz“ wurden und werden auf nationaler aber auch internationaler Ebene eine Fülle von rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen ergriffen, um dem Terrorismus in einer möglichst umfassenden Weise zu begegnen. Eine Vielzahl von Behörden und Einrichtungen sind mit ihren spezifischen Aufgaben und Kompetenzen einzubeziehen. Nationale und internationale Maßnahmen müssen lückenlos in einander greifen. „Netzwerken ist durch Netzwerke zu begegnen“.
Ohne explizit auf Einzelheiten einzugehen, möchte ich beispielhaft nur einige Aufgabenbereiche im Feld der Innenpolitik nennen, die hier eine Rolle spielen: Visapolitik, Grenzkontrollen, Dokumentensicherheit, Ausländerrecht oder Luftsicherheit.
Wir bei der Abteilung ST halten das für einen richtigen Ansatz und werden uns auch zukünftig in diesen Prozess voll einbringen.

Wir bedanken uns für dieses Interview und wünschen Ihnen für Ihre zukünftige Aufgabe alles Gute!


Curriculum Vitae, Klaus Wittling, geboren am 6. Oktober 1951
in Wesseling, Abteilungsleiter Polizeilicher Staatsschutz im Bundeskriminalamt in Meckenheim

1975
Eintritt in das Bundeskriminalamt und Ausbildung zum gehobenen polizeilichen Vollzugsdienst

1979
Sachbearbeiter im Personenschutz und der polizeilichen Spionagebekämpfung

1982
Ausbildung zum höheren polizeilichen Vollzugsdienst an der Polizeiführungsakademie in Münster

1985
Referent Linksextremismus und politisch motivierte Ausländerkriminalität/internationaler Terrorismus im BKA

1988
Referent im Bundesministerium des Innern

1990
Referatsleiter Internationaler Terrorismus (arabisch/islamistische Täter) sowie Lage, Grundsatz und internationale Zusammenarbeit im BKA

2002
Gruppenleiter politisch motivierte Kriminalität links und rechts

2003
Gruppenleiter Internationaler – insbe-sondere religiös geprägter – Terrorismus im BKA

2004
Ständiger Vertreter des Abteilungsleiters Polizeilicher Staatsschutz im BKA

2005
Abteilungsleiter Polizeilicher Staatsschutz im BKA