Die Vernetzung von Berufsorganisationen

Die Vernetzung von Berufsorganisationen und Gewerkschaften der Polizei auf europäischer Ebene in EuroCOP
von Heinz Kiefer, EuroCOP-Präsident


Im vergangenen Jahr ist der Schengener Vertrag, die bei weitem wichtigste Grundlage für die polizeiliche Zusammenarbeit in der EU und darüber hinaus 20 Jahre alt geworden. Das ursprünglich als reines Kompensationsinstrument für den Wegfall der Grenzkontrollen im europäischen Binnenmarkt gedachte Abkommen ist in der Zwischenzeit das zentrale Instrument zur Intensivierung der polizeilichen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten geworden.

Heinz Kiefer,
EuroCOP-Präsident

Neben der Intensivierung der regionalen Zusammenarbeit, etwa durch bi- und multilaterale Verträge und gemeinsame Dienststellen, hat es in den letzten Jahren auch Fortschritte bei der Weiterentwicklung europäischer Instrumente, wie der Europol-Konvention gegeben.


Auf Basis dieser zunehmenden Anknüpfungspunkte insbesondere bei der Ermittlungsarbeit ist es nicht nur möglich, einer zunehmenden Zahl an grenzüberschreitenden Fällen von Kriminalität zu begegnen. Die zunehmende Zahl an grenzüberschreitenden Ermittlungsmöglichkeiten führt auch dazu, dass diese Zusammenarbeit nicht mehr allein die Aufgabe eines kleinen zentralen Stabes im Innenministerium ist, sondern im dienstlichen Alltag für immer mehr Kollegen auf allen Ebenen der Strafverfolgungsbehörden eine zunehmende Rolle spielt.

Gleiches gilt auch für die stetig wachsende Zahl von Beamten, die ihren Einsatzort zumindest zeitweise im Ausland haben – hierbei geht es längst nicht mehr ausschließlich um zeitlich begrenzte Einsätze im Ausland, wie etwa im Rahmen von UN-Friedenseinsätzen. Auch deren Zahl ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Eine steigende Zahl von Einsatzorten befindet sich allerdings dauerhaft im europäischen Ausland: Angefangen bei den zu Europol entsandten Beamten, über das dichte Netzwerk der Verbindungsbeamten an den deutschen Botschaften bis hin zu den Kollegen, die ihren Dienstort in einer gemeinsamen Dienststelle auf der anderen Seite der Grenzen haben, hat sich die Zahl der dauerhaft bestehenden Möglichkeiten einer Verwendung im Ausland vervielfältigt. Hinzu kommt noch eine zunehmende Zahl an gelegentlichen Auslandseinsätzen, etwa zur grenzüberschreitenden Unterstützung bei Großlagen, wie etwa beim G8-Gipfel in Evian. Zum polizeilichen Alltag in Grenzregionen gehören inzwischen vielfach auch grenzüberschreitende Observationen und weitere Maßnahmen.

Die immer größere Zahl von Kollegen, die sich im Alltag grenzüberschreitend bewegen und auch die Einflüsse auf das Berufsbild, die sich durch den interna-tionalen Einfluss ergeben, machen es auch für Gewerkschaften und Berufsvereinigungen in der Polizei erforderlich, sich zur besseren Wahrung der Interessen ihrer Mitglieder grenzüberschreitend zu vernetzen.

Neben der Solidarität unter Kollegen geht es auch darum, einen Gegenpol zum regen Austausch zwischen den europäischen Innen- und Justizministerien über strukturelle Fragen und Ausrichtung der Polizeien zu schaffen: Ausbildung, Bezahlung, soziale Absicherung, Disziplinar- und Pensionsrecht bleiben zwar fest in nationaler Hand, und nach wie vor ist kaum ein Bereich so wenig durch Europäische Rechtsnormen beeinflusst, wie das Dienstrecht der Polizei in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Auf der anderen Seite werden berufliche Anforderungen an den Polizeiberuf bis hin zum gemeinsamen Ausbildungsprogramm für die Grenzpolizeien in Europa längst grenzüberschreitend diskutiert und festgelegt.

Ohne eine starke Stimme der Berufsvertretungen und Gewerkschaften in der Polizei, wird die Frage einer Kopplung von hohen professionellen Anforderungen an eine entsprechende soziale und wirtschaftliche Absicherung auf der europäischen Ebene kaum relevant werden: Gerade in vielen der neuen Mitgliedsstaaten verdienen Polizeibeamte nach wie vor weniger als Facharbeiter in der Industrie.

Bereits 2002 haben sich 28 Polizeigewerkschaften und Berufsvertretungen in der Polizei aus mittlerweile 20 Europäischen Ländern daher zur Gründung einer Europäischen Dachorganisation entschlossen. Der Europäische Verband der Polizei, EuroCOP, vertritt die Interessen von über 600.000 Polizeibeschäftigten auf der Europäischen Ebene mit zwei zentralen Zielsetzungen:

Der Unterstützung der Mitgliedsorganisationen bei ihrer Arbeit und die Förderung und Verteidigung des Polizeiberufs auf der europäischen Ebene.

Seit 2002 hat sich EuroCOP Zug um Zug zu einer durchsetzungsfähigen und anerkannten Organisation in Europa entwickelt. Sowohl die Medien als auch die Politik schätzen inzwischen die große Nähe von EuroCOP zur polizeilichen Praxis. Mit der Anerkennung als Branchenorganisation für die Polizei durch den Europäischen Gewerkschaftsbund, EGB, ist diese Rolle noch gewachsen.

Jeweils im Herbst und im Frühjahr werden auf den Tagungen des EuroCOP- Komitees, der Vertretung aller Mitgliedsorganisationen, aktuelle Entwicklungen auf der europäischen Ebene diskutiert: Dabei reicht das Spektrum von klassischen Themen einer Berufsvertretung, wie etwa Fragen der Sicherheit am Arbeitsplatz und der Beurteilung technischer Entwicklung, wie der Einführung des Digitalfunks in der Polizei, bis hin zu übergreifenden Fragestellungen, wie etwa der Harmonisierung der gesetzlichen Regelung der Rolle privater Sicherheitsdienste in der EU.

Fragen und Probleme der Weiterentwicklung grenzüberschreitender Zusammenarbeit werden über Fachvorträge und Diskussionen begleitet. So trägt EuroCOP auch ganz nebenbei zur Verbreitung des Fachwissens über europäische Strukturen und die damit verbundenen Anforderungen im Bereich der Polizei bei.

Durch die immer engere Vernetzung der Organisation mit dem Europäischen Parlament und der EU-Kommission, sowie einer starken Präsenz beim Europarat in Brüssel ist gewährleistet, dass die Ergebnisse dieser Diskussionen auch von den politischen Entscheidungsträgern wahrgenommen werden. Zwischen den Sitzungen des EuroCOP-Komitees kümmert sich ein hochrangig besetzter Vorstand unter dem Präsidenten und bayrischen Polizeioberrat Heinz Kiefer um die Umsetzung von Entscheidungen, sowie die Interessenvertretung vor Ort in Brüssel und Straßburg. Unterstützt wird er dabei von einer professionell geführten ständigen Geschäftsstelle mit Sitz in Luxemburg.

Über EuroCOP ist damit erstmals ein unmittelbarer Einfluss von Berufsorganisationen der Polizei bei europäischen Entscheidungsträgern gewährleistet. Gerade dadurch ist es auch für Mitgliedsorganisationen möglich, wichtige Felder abzudecken und Informationen zu erhalten, für die im nationalen Alltagsgeschäft bisher oft die Ressourcen gefehlt haben.

Dabei beschränkt sich der Mehrwert von EuroCOP für Mitgliedsorganisationen nicht nur auf die europäische Ebene. Bereits in den ersten drei Jahren konnte EuroCOP wirksam unter Beweis stellen, dass die Organisation auch bei Blockaden auf nationaler Ebene unterstützend tätig werden kann. Gerade für Kollegen in Osteuropa, die sich häufig nicht auf gesetzlich abgesicherte Rechte verlassen können, ist die Rückversicherung über die Anbindung an einen europäischen Verband wichtig.

An der europäischen Vernetzung von Berufsvertretungen und Gewerkschaften der Polizei führt bereits heute kein Weg vorbei, wenn die Gestaltung des Europäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts nicht allein ein Projekt von Planern und Ministerien bleiben soll. Der europäische Einfluss auf den beruflichen Alltag nimmt langsam aber stetig zu und wird Berufsvertretungen wie Gewerkschaften auch in der Polizei mit neuen Fragen konfrontieren. Bei den Grenzpolizeien ist mit der Vereinbarung eines gemeinsamen Ausbildungsrahmens bereits der Grundstein für eine echte Harmonisierung der Ausbildung gelegt. Je enger die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene wird, desto größer wird auch der Druck, zumindest in Teilbereichen verbindliche, gemeinsame Mindeststandards zu setzen.

Die europäische Vernetzung von Berufsorganisationen und Gewerkschaften der Polizei ist damit nicht nur eine Frage der Solidarität unter Kollegen, sie ist vor allem auch eine strategische Investition, die Mitspracherechte für die Polizeibeschäftigten wahrt. Durch das europäische Engagement im Rahmen von EuroCOP wird quer durch Europa sichergestellt, dass die Stimme der Praxis bei der Gestaltung der polizeilichen Zusammenarbeit und bei der Festlegung gemeinsamer Standards gehört wird.