Umbruchprozesse und Polizeiarbeit –

Mit einem Ausblick auf die 2018er Herbsttagung des BKA

Von LKD Ralph Berthel, Frankenberg/Sa.1

Die nunmehr 64. Herbsttagung des Bundeskriminalamtes wird am 21. und 22. November 2018 in Wiesbaden stattfinden. Mit dem Thema „Sicherheit in einer offenen und digitalen Gesellschaft“ setzt das BKA die Tradition dieser Veranstaltungsreihe fort und wird aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen im Kontext der Herausforderungen an moderne Polizeiarbeit abbilden. Der Betrag greift Themen auf, die im Rahmen der letztjährigen Herbsttagung in Ingelheim am Rhein thematisiert wurden, verfolgt die aktuelle Fortentwicklung der dort aufgestellten Thesen und leitet damit zu den Erwartungen an die 2018er Ausgabe der Herbsttagung über.

1 Polizei im Umbruch

In der Einladung an die Vertreter der Medien zur BKA-Herbsttagung 2017 formulierte das Bundeskriminalamt den Anspruch an die Veranstaltung wie folgt: „Globalisierung, Migration, Digitalisierung und digitale Vernetzung sind Entwicklungen, die unsere Gesellschaft beschäftigen und die Polizei mit neuen Aufgaben und Herausforderungen konfrontieren. Dabei wird Kriminalität immer internationaler und nutzt den technischen Fortschritt. Hier muss die Polizei in Bund und Ländern mit ihren Mitteln der Kriminalitätsbekämpfung Schritt halten. Um als moderne und flexible Organisation auch künftig schlagkräftig gegen Terrorismus, aber auch Organisierte Kriminalität, Cybercrime und andere Kriminalitätsphänomene vorgehen zu können, muss sie die notwendigen Maßnahmen ergreifen. Was bedeutet dies konkret? Wo steht die Polizei im Bund, in den Ländern und international? Wo will und muss die Polizei hin, um auch künftig mit Blick auf neue und sich wandelnde Herausforderungen gut aufgestellt zu sein und reaktionsfähig zu bleiben? Welche Weichenstellungen und Veränderungen stehen auf der Agenda?“

Die damalige Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern, Dr. Emily Haber2 nahm auf der letztjährigen Herbsttagung zunächst Bezug auf das Programm „Polizei 2020“, das der ehemalige Bundesinnenminister, Dr. Thomas de Maizière bereits 2016 auf der 62. Herbsttagung in Mainz vorgestellt hatte. Mit diesem Programm waren weitreichende Veränderungen, nämlich nicht weniger als die Neuordnung der polizeilichen IT-Architektur verbunden. Sie verwies auch auf die „Saarbrücker Agenda der Innenministerkonferenz“ vom November 2016, in der sich neben dem Bund alle Länder zu den mit dem Programm verbundenen Zielen bekannt hatten. Kern dieser Agenda ist die Schaffung einer gemeinsamen, modernen, einheitlichen Informationsarchitektur, die alle relevanten Daten und Informationen in einem fachlichen, technischen und organisatorischen Gesamtsystem für die Polizeien in Bund und Ländern nutzbar macht und die die Grundlage für eine digitale, medienbruchfreie Vernetzung der Polizeien mit ihren nationalen und internationalen Partnern bildet.3

Unter der Überschrift „digitale Sicherheit“ hob die Staatssekretärin seinerzeit folgende 3 Elemente besonders hervor:

  1. Das erste Element sei dadurch gekennzeichnet, dass der Staat neben ausreichendem und gut qualifiziertem Personal gegenüber anderen Akteuren auch gleichwertige Befugnisse im Internet haben müsse. Wörtlich erklärte sie: „Wenn Kriminelle digitale Instrumente nutzen, warum sollte der Staat nicht auch gleichwertige Instrumente nutzen dürfen? Wie kann es eine Technologieoffensive von Straftätern und Terroristen geben, ohne dass ihr eine Technologieoffensive von Sicherheitsbehörden folgt?“ Und weiter führte sie in diesem Kontext aus: Deswegen arbeiten wir daran, in den nächsten Jahren einen großen Schritt nach vorn zu machen:
    • bei der biometrischen Gesichtserkennung,
    • bei der besseren Nutzung der DNA-Analyse und
    • bei der weiteren Vernetzung von vorhandenen Daten und Informationen der Sicherheitsbehörden.“
  2. Das zweite Element verband Frau Haber mit der Frage „Warum organisieren wir die Abwehr von Cyberangriffen auf öffentliche Infrastrukturen, die unser Land insgesamt bedrohen, nicht in einer zentralen Zuständigkeit?“ Das würde, so die Rednerin, Kompetenzen, Personal und auch Ressourcen sparen. Im Bund habe man mit der Errichtung der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS)4 bereits einen ersten großen Schritt bei der Bündelung der Kräfte getan. Im nächsten Schritt werde es um den Ausbau von ZITiS gehen.
  3. Das dritte Element, das der „digitalen Sicherheit“, bezeichnete Frau Haber als das bedeutsamste. Sie verband damit die Überlegung, dass man bestehenden Risiken nicht mehr nur mit Gesetzgebung beikommen könne, (So wie es seitens der Politik in der Vergangenheit viel zu oft getan und damit Probleme, die die Praxis aufgeworfen hatte, nicht selten abgetan wurden. [d. Verfasser]) sondern immer mehr mit konkreten Entscheidungen zu Personal, Technik und Organisation.

Durchaus ermutigend war die in diesem Kontext von Frau Haber getroffene Aussage: „Ich bin dafür, dass wir Neues erproben und erst dann überlegen, welches die Konsequenzen sind, die wir daraus ziehen können. Ich denke auch, wir sollten Ritualisierungen in Debatten meiden. Ritualsierungen, die reflexhaft fordern oder reflexhaft ablehnen.“ Sollte diese Aussage in der Praxis der Polizeien der Ländern und des Bundes tatsächlich dazu führen, dass aufgrund fachlich fundierter Analyse der Lage und Bewertungen von Erfordernissen deutlich rascher als bisher und vor allem deutlich weniger abhängig von (haushalt-)politischen Abwägungen entschieden werden sollte, könnte diese Aussage der Staatssekretärin tatsächlich zu einem Paradigmenwechsel in der Arbeit der deutschen Polizeien beitragen. 

2 Rechtsstaat im Umbruch

Sowohl Staatssekretärin Dr. Haber als auch weitere Redner der 2017’er Herbsttagung widmeten sich Herausforderungen an den Rechtsstaat, die die aktuellen und prognostizierten Umbrüche mit sich bringen würden. Umbrüche könnten genutzt werden, um ein Land zu modernisieren und die Anpassungsfähigkeit an neue Situationen zu verbessern. Ob das von ihr genannte Feld der Abschmelzung baurechtlicher Standards aufgrund der durch politisches Handeln verursachten Defizite beim Bau bzw. Erwerb von Gebäuden für „Flüchtlingsunterkünfte“5 als besonders geeignetes Beispiel für die Modernisierung eines Staates taugt, bleibt der Bewertung durch den Leser überlassen. Ganz grundsätzlich ist ihr jedenfalls zuzustimmen. Handlungsbedarf erkannte Frau Haber auch bei der „echten Vernetzung zwischen der Justiz und allen sicherheitsrelevanten Behörden, etwa Polizei, BAMF oder Ausländerbehörden“.

Fraglos sind krisenhafte Geschehen in der Menschheitsgeschichte auch immer Chancen für Veränderungen gewesen.6 Ob und inwieweit das gegenwärtige krisenhafte Geschehen tatsächlich für zukunftsweisende Umbrüche auch mit Blick auf die Fortentwicklung des Rechtsstaates genutzt wird, bleibt abzuwarten. Für überschäumenden Optimismus, gar Euphorie allein aufgrund der mutigen Worte der Staatssekretärin scheint jedoch beim Blick auf aktuelle Diskussionsprozesse der deutschen politischen Eliten zu sicherheitsrelevanten Fragen nur bedingt Grund zu sein.

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