Deutschland muss die UN-Konvention gegen Korruption ratifizieren

Vor über zehn Jahren wurde „Transparency International Deutschland„ (TI-D) gegründet - viele nennen die Organisation kurz, aber prägnant „Anti-Korruptions-Organisation„. Ziel von TI-D ist die effektive und nachhaltige Bekämpfung und Eindämmung von Korruption. Sylvia Schenk wurde vor wenigen Monaten zur Vorsitzenden von Transparency Deutschland gewählt. Im Gespräch mit „Die Kriminalpolizei„ äußert sie sich zur Korruption in Deutschland und zur Notwendigkeit der internationalen Zusammenarbeit bei der Korruptionsbekämpfung.

Silvia Schenk,
Vorsitzende von Transparency
International Deutschland

Fragen an Sylvia Schenk, Vorsitzende von Transparency International Deutschland



Die Kriminalpolizei:Frau Schenk, bei der Gründung von Transparency International Deutschland (TID) im Jahr 1993 ging es vorrangig darum, die internationale Korruption zu bekämpfen, um die armen Länder vor deren Auswirkungen zu schützen. Inzwischen ist auch die Korruptionsbekämpfung in Deutschland für TID zum Thema geworden. Warum?

Sylvia Schenk: Es ging Anfang der 90er Jahre vor allem darum, Korruption überhaupt erst einmal national wie international zum Thema zu machen. Bis dahin waren Bestechung und verwandte Delikte eher ein Tabu gewesen, es gab keinen Konsens über die Notwendigkeit eines gemeinsamen konsequenten Vorgehens und der Entwicklung entsprechender Instrumente. Hinzu kommt, dass Korruption im Geheimen stattfindet, es gibt zunächst keinen erkennbar Geschädigten, die Dunkelziffer ist schon von daher besonders hoch. Es ist aber eine Illusion zu glauben, in Deutschland gäbe es keine Korruption oder nur einige Schwarze Schafe. Auch wenn wir keineswegs bei Behördengängen oder sonst im Alltag gleich mit Forderungen nach Bestechungsgeldern konfrontiert werden, sind Intransparenz oder korruptive Strukturen in den verschiedensten Institutionen doch keineswegs eine Seltenheit.

Die Kriminalpolizei: TI setzt auf Zusammenarbeit von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft bei der Bekämpfung von Korruption. Gemeinsam sollen sie Korruption verhindern, bevor sie entsteht. Gibt es Beispiele dafür, dass dieser präventive Ansatz erfolgreich sein kann?

Sylvia Schenk: Es geht nur gemeinsam, mit einzelnen Aktionen kann man allenfalls auf ein Problem aufmerksam machen, es aber nicht wirklich in den Griff bekommen. Seit der Gründung von Transparency hat sich ja schon viel bewegt. Die Zahl der Ermittlungsverfahren ist gestiegen, das hat mit öffentlichem Druck, auch mit Recherchen engagierter Journalisten zu tun. Zudem wurden die strafrechtlichen Möglichkeiten erweitert. Grundlage waren u.a. internationale Abkommen – z.B. die OECD-Konvention gegen die Auslandsbestechung von 1997 – und deren Umsetzung in nationales Recht. Was Siemens heute vorgeworfen wird, war vor gut 10 Jahren noch als „Nützliche Aufwendungen„ von der Steuer absetzbar. Auch die Anforderungen an Transparenz in allen gesellschaftlichen Bereichen sind gewachsen, ebenso die Vorstellungen, wie mit Interessenkonflikten umzugehen ist. So sind z.B. zahlreiche Ermittlungsverfahren wegen sogenannter Vergnügungsreisen von Kommunalpolitikern, oft auf Einladung des örtlichen Energieanbieters, eingeleitet worden. Solche Reisen wurden früher von der Öffentlichkeit – und auch den Strafbehörden – eher akzeptiert, ebenso VIP-Einladungen zu großen Sport- oder Kulturveranstaltungen, die inzwischen kritisch beleuchtet werden.

Sylvia Schenk, Vorsitzende von Transparency International Deutschland, lebt in Frankfurt am Main. Die Olympiateilnehmerin von München 1972 (800m-Lauf) sowie ehemalige Rechts-, Sport- und Frauendezernentin von Frankfurt hat sich seit ihrer Jugend ehrenamtlich engagiert, vorrangig im Sport (u.a. von 2001 - 2004 Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer e.V.), in Frauenverbänden und in der SPD. Auf internationaler Ebene hat sie Funktionen im Weltverband des Studentensports (FISU) und des Radsports (UCI) innegehabt und dabei deren intransparente Strukturen kennen gelernt. Aus dieser Erfahrung heraus ist sie Anfang 2006 zu der neugegründeten Arbeitsgruppe Sport von Transparency International Deutschland gestoßen. 2007 wurde sie zur Vorsitzenden von TI Deutschland gewählt. „Wir treten in eine weitere Phase der Korruptionsbekämpfung ein. Das Bewusstsein für die zerstörerische Wirkung von Korruption und die Notwendigkeit ethischer Verhaltensmaßnahmen ist national und international gewachsen. Jetzt geht es darum, die erkämpften Konventionen und Gesetze weltweit in die Praxis umzusetzen und die Debatte über Ethik aktiv zu beeinflussen.“

Die Kriminalpolizei: Welche Unterstützung kann TI-D
Unternehmen und Verwaltungen anbieten, die an einer Zusammenarbeit interessiert sind?

Sylvia Schenk: Zunächst ist für die Charakterisierung der Arbeit von Transparency wichtig, dass wir keine Recherchen machen, auch keine umfassende Beratung von Unternehmen oder sonstigen Institutionen im Einzelfall. Das können wir als ehrenamtlich arbeitende Organisation – eine kleine Geschäftsstelle in Berlin koordiniert lediglich die themenbezogenen Arbeitsgruppen und die Verwaltung - gar nicht leisten. Wir bieten neben unserer Lobbyarbeit zum Kampf gegen Korruption allgemeine Aufklärung, Informationen und Vernetzung an, erarbeiten Stellungnahmen zu einzelnen Themenbereichen, auch z.B. zu Gesetzesinitiativen der Bundesregierung. Für deutsche Exportfirmen ist der CPI, unser jährlich international veröffentlichter Index über die Korruptionsanfälligkeit einzelner Länder, eine wichtige Grundlage, um Risiken einschätzen und ihre Compliance-Anforderungen entsprechend ausrichten zu können. Wir haben für den Bereich Kommunen eine „Handreichung für ein kommunales Integritätssystem„ entwickelt, für Unternehmen eine Checkliste für „Self-Audits„. Experten von Transparency halten Vorträge z.B. über gesetzliche Notwendigkeiten von Risikomanagement in Unternehmen. Mit der IHK Frankfurt am Main bereiten wir für den Herbst 2008 einen Sicherheitstag mit Beratungsangeboten insbesondere für den Mittelstand vor. Eine grundlegende Information zur Thematik findet bei uns jeder. Wenn es dann um die Durchleuchtung aller Strukturen geht, um die Suche nach Schwachstellen im Detail oder eben um die Aufklärung konkreter Vorfälle, muss dies von Beratungsunternehmen hauptberuflich übernommen werden.

Die Kriminalpolizei: Wer die Tagespresse verfolgt, hat den Eindruck: Immer häufiger geraten Vertreter von Wirtschaftsunternehmen unter Korruptionsverdacht – und nicht immer bleibt es beim Verdacht. Beispiele wie Siemens, VW, der Kölner Klüngel, Sportberichterstattung gegen Schmiergeld scheinen an der Tagesordnung zu sein. Stimmt der Eindruck, dass korruptives Verhalten in Deutschland zunimmt?

Sylvia Schenk: Es werden mehr Fälle aufgedeckt und problematisiert, das ist ja ein gutes Zeichen, auch wenn zunächst ein gegenteiliger Eindruck entsteht. Andererseits muss man auch sehen, dass manche neuen technischen Errungenschaften zu zusätzlichen Einfallstoren für Korruption und damit zusammenhängenden Delikten führen. Das Internet hat weltweite Sportwetten erst möglich gemacht – und damit der Manipulation von Wettkampfergebnissen den Boden bereitet.

Die Kriminalpolizei: Sie sehen es als Aufgabe von TI an, zur erfolgreichen Korruptionsbekämpfung „die erkämpften Konventionen und Gesetze weltweit in die Praxis umzusetzen„. Welche Schritte fordern Sie von der deutschen Politik?

Sylvia Schenk: Da sind zunächst zwei wesentliche Bereiche: Zum einen die ausreichende Ausstattung der Ermittlungsbehörden, um große Korruptionsverfahren, die oft sehr komplex sind mit einem Berg von Akten und einer großen Zahl beteiligter Personen, zügig durchführen zu können. Zum anderen fehlt als wesentliches Signal für die Ernsthaftigkeit der Anstrengungen die Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption durch Deutschland. Wir hinken weltweit hinterher, weil der Bundestag sich immer noch nicht aufraffen konnte, den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung den internationalen Erfordernissen anzupassen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, damit Deutschland auch seiner Vorbildrolle gerecht werden kann. Auch im Bereich der Informationsfreiheit gibt es noch einiges zu tun - hinsichtlich der Gesetzgebung in einzelnen Bundesländern, insbesondere aber in der Praxis. Den einzelnen Politikern empfehle ich Transparenz, verantwortlichen Umgang mit Interessenkonflikten und im Zweifelsfall: Geschenke, Einladungen und sonstige Vorteile ablehnen!

Die Kriminalpolizei: Wolfgang Hetzer von der Europäischen Anti-Korruptionsbehörde European Anti-Fraud Office (OLAF) stellt in seinem Artikel „Organisierte Kriminalität und Wirtschaftskriminalität zwischen Quantität und Qualität„ (s. S.15) unter anderem die These auf, dass „Korruption... zu einem der wichtigsten Funktionsprinzipien globalisierter Wirtschaft geworden„ sei, und dass sie der international verflochtenen Wirtschaftskriminalität geräuschlose – weil gewaltfreie - Effizienz ermögliche. Wie bewerten Sie diese These aus der Perspektive der täglichen Arbeit von TI D?

Sylvia Schenk: Es stimmt natürlich, dass Korruption andere Delikte begleitet – und umgekehrt. Die Geldwäsche, die seit den Anschlägen vom 11. September 2001 international im Fokus steht, gehört hierher, aber auch Drogen- und Waffenhandel gehen oft einher mit Bestechung usw.. Systemische Korruption untergräbt demokratische Entwicklungen und macht es der Kriminalität leicht. Deshalb ist auch für Transparency die internationale Arbeit wichtig, es gibt unsere Organisation in mehr als 90 Ländern.

Transparency International – Deutschland e.V. Transparency International Deutschland arbeitet gemeinnützig und ist politisch unabhängig. Mitglieder von Transparency Deutschland verpflichten sich den Zielen der Organisation; dies heißt, sich aktiv für die Bekämpfung von Korruption einzusetzen und die Ziele von Transparency Deutschland öffentlich zu vertreten. Korporative Mitglieder verpflichten sich zu hohen ethischen Standards im Geschäftsverkehr und erklären, dass sie Korruption in jeder Form ablehnen und sie im eigenen Bereich weder anwenden noch dulden und dass sie sich in den jeweiligen Interessenverbänden aktiv für die Bekämpfung von Korruption einsetzen. Weiterführendes Material zu relevanten Themen, u.a. - Hinweisgebersysteme, - Kommunale Ebene, - Verwaltung - Wirtschaft - ... findet man unter www.transparency.de

Die Kriminalpolizei: Unterstellt, Hetzers These sei richtig: Welche Schritte empfehlen Sie, um diese gefährliche Entwicklung zu stoppen oder umzukehren? Und wie sehen Sie die Rolle Ihrer eigenen Organisation dabei? Wie kann TI Unternehmen, Verwaltung und Zivilgesellschaft von der Sinnhaftigkeit ethischen Handelns überzeugen?

Sylvia Schenk: Ein wesentliches Handlungsfeld bleibt natürlich die internationale Verfolgung und Ahndung der entsprechenden Delikte, hier muss die Effizienz weiter erhöht werden. Im Übrigen geht es aber nicht allein um die Sinnhaftigkeit ethischen Handelns – langfristig verlieren alle, wenn Märkte nicht funktionieren oder Umweltschäden ins Unermessliche steigen, weil Korruption regiert. Außerdem sind die Risiken für Unternehmen in instabilen Ländern größer. Wer langfristig wirtschaftlich erfolgreich sein will, muss auch solche Gesichtspunkte beachten. Ethik steht nicht gegen den Profit. Inzwischen gibt es weltweite Initiativen von Großkonzernen, die sich auch aus Eigeninteresse für verantwortliches Investment einsetzen. Es kommt also weiter darauf an Allianzen zu bilden, Instrumente zu entwickeln und gemeinsam mit Wirtschaft und Politik der Korruption den Kampf anzusagen.