Der „Smart-Ort“ als Tatort

– wie neue digitale Spuren die Ermittlungsarbeit verändern

Von KOR Alexander Hahn, Kiel1

Digitale Spuren machen im Zeitalter der digitalen Geräte bzw. der digitalen Kommunikation einen nicht unwesentlichen Anteil aller Ermittlungsansätze aus – oftmals sind sie sogar die einzigen Ermittlungsansätze. Diese Thematik wird künftig weiter an Bedeutung gewinnen, da immer mehr Menschen mit immer mehr Geräten immer mehr digital kommunizieren werden. Bestes Beispiel ist das sogenannte „Internet der Dinge“: Zunehmend mehr Haushaltsgeräte und andere Alltagsgegenstände werden dabei an das Internet oder andere Netzwerke angeschlossen.

Auch Fahrzeuge oder sogar Heizungsanlagen dürften künftig vermehrt über einen eigenen Internetzugang verfügen. Sicher ist, dass auf diesem Weg enorme Mengen an digitalen Spuren erzeugt werden. Auch wenn Kommunikationsspuren von Heizungsanlagen eher selten zur Lösung eines Falles beitragen dürften, lässt sich zumindest erahnen, welche Bedeutung digitale Spuren in Fahrzeugen haben werden. Digitale Spuren in Computern und Smartphones sowie in Funkzellen gehören dabei zwar zum Thema, sind aber bereits ein „alter Hut“. Dieser Artikel beschäftigt sich mit neuartigen digitalen Spuren, die zukünftig überall sein werden – und von denen wir heute zum Teil noch gar nichts ahnen.

1 Digitale Spuren in Fahrzeugen


Über das Vorhandensein von digitalen Spuren in modernen Fahrzeugen besteht bereits ein gewisses Bewusstsein. Viel zu selten stehen sie aber im Rahmen der polizeilichen Arbeit zur Verfügung.


1.1 Verkehrsunfallermittlungen

Zumindest diejenigen Polizeibeamtinnen und -beamten, deren Ausbildung schon etwas länger zurückliegt, erinnern sich sicherlich noch an eine großartige kriminaltechnische Spurensicherungsidee: Wie kann man bei einem Verkehrsunfall nachweisen, ob ein unfallbeteiligtes Fahrzeug das Licht eingeschaltet, den Blinker gesetzt oder die Bremse getreten hatte? Zur Klärung dieser Frage wurde der Glühfaden in der relevanten Glühbirne unter dem Mikroskop kriminaltechnisch analysiert. Dem lag, kurz gesagt, die Idee zugrunde, dass der eingeschaltete Glühfaden heiß und biegsam ist und sich in diesem Zustand im Moment des Aufpralls durch den „Ruck“ charakteristisch verformt. Diese Idee funktioniert bei der Beleuchtung in heutigen Autos mit Xenon- oder LED-Licht allerdings nicht mehr. In diesen Fahrzeugen sind an den wesentlichen Stellen schon lange keine Glühbirnen mehr verbaut, sondern vielmehr computergesteuerte elektronische Leuchtmittel ohne Glühfaden.
Die Frage, ob ein Wagen das Licht eingeschaltet hatte, kann bei Ermittlungen aber eine wesentliche Rolle spielen. Vielleicht stellt aber auch der Beschuldigte in einem (Unfall-)Ermittlungsverfahren einen entsprechenden Beweisantrag oder der Staatsanwalt beauftragt die Polizei mit einer kriminaltechnischen Prüfung dieser Frage. Dafür gilt es, hinsichtlich der Frage „Licht an oder aus?“ elektronische Spuren im Computersystem eines modernen Autos zu finden. Nicht jede Polizei hat heutzutage selbst die Möglichkeiten für eine solche Prüfung, sondern beauftragt dafür in Einzelfällen entsprechende Gutachter.

1.2 Standortermittlung und Kriminalitätsbekämpfung

Auch bei der Verfolgung von Straftaten dürften digitale Spuren in und von Fahrzeugen eine immer größere Bedeutung erlangen. Die Tatsache, dass Hersteller künftig zwingend Mobilfunk- und GPS-Module in Kombination mit Crash-Sensoren verbauen müssen, um auf diesem Weg automatisch einen Notruf auslösen zu können, eröffnet dem kreativen Kriminalisten ganz neue Möglichkeiten zur Standortbestimmung eines Fahrzeugs. Denkbar ist aber auch eine Telekommunikationsüberwachung in Bezug auf eine fest im Fahrzeug verbaute SIM-Karte, um auf diesem Weg an Daten zu gelangen, die durch mobiles Surfen (Hotspot im Wagen) oder durch das Navigationsgerät (z.B. Verkehrsinformationen) erzeugt worden sind. Derartige Daten können möglicherweise sogar retrograd bei Fahrzeugherstellern oder Drittanbietern abgefragt werden – Erfahrungen oder Standards sind dabei bislang allerdings Mangelware.

1.3 Kraftfahrzeuge als Tatmittel

Telematik-2 und andere digitale Fahrzeugdaten dürften zukünftig nicht nur bei der Ermittlung von Unfallursachen eine Rolle spielen, sondern auch bei der Aufklärung von Straftaten helfen, bei denen Fahrzeuge als Tatmittel genutzt werden. Einerseits könnten Daten von Sitzdruck- oder Gurtschloss-Sensoren Hinweise auf die Anzahl von Tätern in einem Fahrzeug geben. Andererseits kann die Analyse der Multimedia- bzw. Infotainment-Komponenten in einem modernen Fahrzeug Hinweise auf mit der Fahrzeugelektronik gekoppelte Geräte oder sogar auf Daten geben, die aus Smartphones mit dem Fahrzeug synchronisiert wurden.

Seite: 123weiter >>