Recht und Justiz

Geld allein ist nicht alles; es muss einem schon gehören – Das Adhäsionsverfahren

Oberstaatsanwalt Dr. Sören Pansa, Schleswig¹

 

1 Einleitung


Das Adhäsionsverfahren ermöglicht dem Geschädigten einer Straftat, die daraus resultierenden Ansprüche im Strafverfahren geltend zu machen. Hierdurch sollen die Rechte der Geschädigten gestärkt und die Zivilgerichte entlastet werden, da eine entsprechende Klage dann unterbleiben wird. Diese Zielsetzung hat bereits 1943 zu einer entsprechenden Änderung der Reichsstrafprozessordnung geführt.2 Hierbei war das faktische Leitmotiv wohl jedoch eher die kriegsbedingte Abwesenheit der Justizbediensteten, welche so kompensiert werden sollte. Aber auch nach Entstehung der Bundesrepublik Deutschland hat der Gesetzgeber das Adhäsionsverfahren regelmäßig wieder aufgegriffen und erweitert.3


Aktuell ist dieses im Wesentlichen in den §§ 403-406c StPO geregelt. Für den Geschädigten weist das Adhäsionsverfahren im Vergleich zu der Erhebung einer Klage bei einem Zivilgericht zahlreiche Vorteile auf. So ist ersteres mit weniger Kosten verbunden und es besteht ab dem Landgericht auch kein „Anwaltszwang“. Ferner kann der Verletzte selbst als Zeuge vernommen werden. Auch gilt anders als im Zivilprozess der Amtsermittlungsgrundsatz, weshalb der Geschädigte nicht selbst die für die Durchsetzung seines Anspruches erforderlichen Beweismittel benennen und in das Verfahren einführen muss, sondern sich hierbei grundsätzlich auf die Aktivität des Strafgerichtes verlassen kann.


Die Geltendmachung des Anspruches steht einem Zivilprozess in seiner Komplexität jedoch wenig nach. Der Autor hat dabei in zahlreichen Verfahren erleben müssen, dass hierüber bei den Verletzten erhebliche Fehlvorstellungen bestanden haben. So ist ein Zettel mit der Aufschrift: „Ich beantrage, den Beschuldigten zu einer Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 2000 EUR zu verurteilen“, leider ungeeignet, den gewünschten Erfolg herbeizuführen.


Gerade für Polizeibeamte, die im Einsatz durch einen Angeklagten verletzt worden sind, bietet das Adhäsionsverfahren jedoch eine gute Möglichkeit, etwaige Ansprüche schnell und kostengünstig geltend zu machen. Daher wird dieser Beitrag einen Überblick bezüglich der Voraussetzungen und Besonderheiten geben. Hierbei soll bereits jetzt ausdrücklich Erwähnung finden, dass aufgrund des Umfangs und der potentiellen Problemstellungen der Thematik eine detailliertere Darstellung den gegebenen Rahmen bei Weitem sprengen würde. Der Autor möchte vielmehr dem geneigten Polizeibeamten eine grundsätzliche Vorstellung vom Ablauf des Adhäsionsverfahrens vermitteln, damit dieser in einfach gelagerten Fällen (zunächst) ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes über die Geltendmachung eines Anspruches entscheiden kann.

 

2 Voraussetzungen der Geltendmachung eines Anspruches im Adhäsionsverfahren


Gemäß § 403 StPO kann der Verletzte oder sein Erbe gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, im Strafverfahren geltend machen. Bezüglich der Ansprüche, welche üblicherweise aus Widerstands- oder Körperverletzungshandlungen der Beschuldigten gegen Polizeibeamte resultieren, sind die genannten Voraussetzungen grundsätzlich unproblematisch gegeben. Lediglich der Begriff des Strafverfahrens ist näher zu beleuchten. So kann gemäß § 81 JGG ein entsprechender Anspruch nicht gegen einen Jugendlichen geltend gemacht werden; also gemäß § 1 Abs. 2 JGG eine Person, die zur Tatzeit 14 aber noch nicht 18 Jahre alt ist. Bezüglich Personen, welche zur Tatzeit bereits 18 jedoch noch nicht 21 Jahre alt sind (Heranwachsende i.S.d. § 1 Abs. 2 JGG), ist dies hingegen möglich, auch falls das Gericht auf diese Jugendrecht anwenden sollte.4 Ferner ist im Sicherungsverfahren gemäß §§ 413ff. StPO die Geltendmachung eines Anspruches ebenfalls nicht möglich.5 Dieses Verfahren wird bezüglich Beschuldigten betrieben, gegen welche aufgrund einer offensichtlichen Schuldunfähigkeit i.S.d. § 20 StGB lediglich die Anordnung einer Maßregel des Besserung und Sicherung in Betracht kommt. Auch ein Strafbefehl i.S.d. § 407 StPO schließt das Betreiben des Adhäsionsverfahrens aus.6 Dies gilt ebenfalls, wenn nach Erhebung der öffentlichen Klage ein Strafbefehl gemäß § 408a StPO erst aufgrund des Fernbleibens des Beschuldigten von der Hauptverhandlung erlassen wird. Ist jedoch wegen eines Einspruches des Beschuldigten gegen den Strafbefehl eine Hauptverhandlung anberaumt worden, kann ein Antrag noch gestellt werden bzw. wird ein zuvor gestellter Antrag „wirksam“.


Ein entsprechender Antrag ist gemäß § 404 Abs. 1 StPO schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlussvorträge zu stellen. Dieser muss den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Diese Regelungen mögen harmlos klingen, was jedoch leider täuscht. Zunächst ist anzumerken, dass es sich aus noch zu erläuternden Gründen anbietet, den Antrag schriftlich vor Beginn der Hauptverhandlung zu den Akten zu reichen. An den Inhalt stellt die höchstrichterliche Rechtsprechung grundsätzlich erhebliche Anforderungen, da sie Parallelen zu einer zivilprozessualen Klageschrift i.S.d. § 253 ZPO zieht.7 Insofern wird die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie ein bestimmter Antrag verlangt. Bezugnahmen auf die Anklageschrift sollten daher vermieden werden. Vielmehr bietet es sich an, das tatsächliche Geschehen zu erläutern und die hierfür relevanten Beweismittel aufzuzählen. Sollte es sich dabei um Unterlagen handeln, welche sich nicht bei den Akten befinden, sind diese der Antragsschrift beizufügen. Auch bei einer begehrten Verurteilung des Beschuldigten zu einer Schmerzensgeldzahlung sollte aus den bezeichneten Gründen eine bestimmte Summe genannt werden. Da jedoch auch § 308 ZPO gilt8, also das Gericht nicht mehr zusprechen darf, als beantragt, ist es unbedingt erforderlich, kenntlich zu machen, dass der genannte Betrag die Mindestsumme darstellt.9 Insofern warnt der Autor ausdrücklich davor, sich allein auf etwaige Formulare der Polizei- und Justizverwaltungen für das Adhäsionsverfahren zu verlassen. Diese mögen eine Formulierungshilfe darstellen, können aufgrund ihres allgemeinen Charakters den genannten Anforderungen bezüglich des zu schildernden Sachverhaltes und der Beweismittel des konkreten Falls aber nicht genügen. Sollte das Gericht den Antrag nicht als ausreichend erachten, hat es den Antragsteller in entsprechender Anwendung des § 139 ZPO hierauf hinzuweisen und ihm die Möglichkeit zur Ergänzung zu gewähren.10 Wird der Antrag erst in der Hauptverhandlung gestellt, kann dies sogar mündlich geschehen. Insofern ist eine Aufnahme des Antrages in das Hauptverhandlungsprotokoll erforderlich. Im eigenen Interesse sollte der Antragsteller jedoch auch in der Hauptverhandlung einen schriftlichen Antrag mit genügenden Ausfertigungen einreichen, damit alle Verfahrensbeteiligten diesen einsehen können und er als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommen werden kann. Hinsichtlich des vor der Hauptverhandlung gestellten Antrages ist darauf hinzuweisen, dass dieser gemäß § 404 Abs. 1 S. 3 StPO durch das Gericht zuzustellen ist. Die Zustellung ist dabei Voraussetzung für eine Wirksamkeit des Antrages. Unterbleibt eine solche, wird der Antrag als nichtexistent behandelt, kann also insbesondere keine drohende Verjährung hemmen.11 Insofern sollte der Antragsteller bei Gelegenheit höflich bei Gericht anfragen, ob eine Zustellung stattgefunden hat.


Lediglich der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Antragsteller auch gemäß § 404 Abs. 5 StPO nach den Grundsätzen der Zivilprozessordnung für den Fall seiner Bedürftigkeit Prozesskostenhilfe beanspruchen kann. Die Besoldung von Polizeibeamten bietet sicherlich kaum noch zählbare Ansätze zur Kritik; das erforderlich niedrige Niveau für eine solche Prozesskostenhilfe dürfte sie jedoch grundsätzlich nicht erreichen.

 

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