Editorial

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

 

in der Ausgabe 2/2022 unserer Fachzeitschrift „Die Kriminalpolizei“ widmen wir uns zunächst dem Themenfeld „Identitätsdiebstahl und -missbrauch im Internet“.


Kaum eine Entwicklung hat unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten so nachhaltig verändert wie die Digitalisierung. Damit gewinnt aber auch das Tatmittel „Internet“ in nahezu allen Deliktsbereichen zunehmend an Bedeutung. Im „Bundeslagebild 2020 – Cybercrime“ wird durch das Bundeskriminalamt auf eine deutliche Steigerung der in diesem Kontext erfassten Straftaten um 7,9% hingewiesen. Es wird herausgestellt, dass der Fokus von Cyberkriminellen vermehrt im Bereich „Big Game Hunting“ liegt, sie häufig global vernetzt sind, zunehmend professioneller agieren und die auf finanziellen Profit ausgerichtete Underground Economy als kriminelle Parallelwirtschaft besorgniserregend wächst. Die Anzahl der DDoS-Angriffe steigt an und Ransomware zählt zu den primären Bedrohungen für öffentliche Einrichtungen und Wirtschaftsunternehmen. Erfolgreiche Attacken können hier drastische Folgen nach sich ziehen und dies gilt nicht allein für die finanzielle Dimension. Unübersehbar sind in diesem Zusammenhang auch die Einflüsse der anhaltenden Corona-Pandemie als Beschleunigungsfaktoren, da die Gesellschaft vermehrt auf digitale Angebote zurückgreift. Streaming- und Messenger-Dienste verzeichnen ebenso einen starken Anstieg der Nutzerzahlen wie die zahlreichen Online-Shops. Für Kriminelle geht damit naturgemäß eine erhöhte Bandbreite an Tatgelegenheiten einher, die sie für ihre Zwecke ausnutzen können. Seit wenigen Tagen liegt nun bereits das „Bundeslagebild 2021 – Cybercrime“ vor, das über die Homepage des Bundeskriminalamtes abrufbar ist und weitergehende Erkenntnisse enthält. Unter anderem wird eine erneute Steigerung erfasster Cyberstraftaten um über 12% bei Schäden in Milliardenhöhe und einer sinkenden Aufklärungsquote festgestellt.


Auf dieser Grundlage setzt sich der Leitende Kriminaldirektor a.D., Hochschullehrer, Redakteur und Fachautor Ralph Berthel einführend mit den aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen zum Identitätsdiebstahl und -missbrauch im Internet auseinander. Neben der Erläuterung verschiedener Fachtermini stellt er ausgewählte Erkenntnisse zur Lage und zum Gefahrenpotenzial von Cyberangriffen einschließlich der damit verbundenen Ängste dar und geht auf Herausforderungen und Konsequenzen ein. In diesem Rahmen nimmt Ralph Berthel auch auf die Ergebnisse einer durch das Landeskriminalamt und die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam mit der Universität Greifswald durchgeführten Dunkelfelduntersuchung Bezug. Im Ergebnis fordert er eine deutlich verstärkte Internetpräsenz der Polizeien des Bundes und der Länder, die inzwischen auch auf den verschiedenen politischen Ebenen weitgehend anerkannt worden ist.


Prof. Dr. Anja Schiemann erläutert die Strafbarkeit des Identitätsdiebstahls hinsichtlich der Datenbeschaffung, Datenverwendung sowie Anwerbung von Finanzkurieren und geht in diesem Zusammenhang auf die Begehungsformen des sog. Phishing, Pharming und IP-Spoofing ein. Nach Darlegung der Lehrstuhlinhaberin für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität zu Köln sowie zugleich Gastprofessorin an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster bietet das geltende Strafrecht ausreichenden Schutz gegen die Formen und Unterformen des Identitätsdiebstahls, wenngleich der Gesetzgeber stets neuere Tatmodalitäten im Blick haben müsse. Dadurch könne mit einer Nachjustierung der strafrechtlichen Vorschriften jederzeit angemessen auf kriminelles Verhalten reagiert werden.


Da Cybercrime auch künftig weiter an Relevanz gewinnen dürfte, ist eine besondere Sensibilisierung für die Gefahren im digitalen Raum geboten. Der ehemalige Leiter des Kriminalkommissariats für Kriminalprävention und Opferschutz beim Polizeipräsidium Duisburg und Erste Kriminalhauptkommissar a.D. Klaus Kemper geht auf mögliche präventive Ansätze zur Bekämpfung der verschiedenen Formen der Computerkriminalität und dabei unter anderem auch auf die besonders schutzbedürftige Gruppe der Kinder und Jugendlichen ein.


Die Herausforderungen der Cyberkriminologie werden durch Dr. Thomas-Gabriel Rüdiger thematisiert. Der Akademische Oberrat und Leiter des Instituts für Cyberkriminologie der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg hält eine überzeugende digitale Polizeistrategie für dringend geboten. Er begründet dies mit einer Überforderung der Kapazitäten der Sicherheitsbehörden gerade bei kinderpornographischen Inhalten und spricht von einem „eigenständigen polizeilichen Einsatzraum“, der ständig an Bedeutung gewinnt.


Weitere Fachbeiträge beschäftigen sich mit der Jahrhundert-Katastrophe im Ahrtal aus Sicht der betroffenen Polizeidirektion Mayen, den sehr repressiv ausgerichteten Ahndungsbestimmungen des neuen VersG NRW, der RAF-Propaganda zwischen Wahn und Wirklichkeit sowie praktischen Aspekten der Kriminalprävention. Mit diesen Themen setzen sich unter anderem Thorsten Runkel, Dr. Harald Bergsdorf, Rudi Heimann und Dr. Jürgen Fritzsche auseinander.


Eine strafrechtliche Rechtsprechungsübersicht, Aktuelles aus dem Netz, eine Buchbesprechung und gewerkschaftspolitische Nachrichten runden unsere Zeitschrift schließlich wie gewohnt ab.


Liebe Leserinnen und Leser, wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und freuen uns auf Ihre Rückmeldungen.


Für das Redaktionsteam


Ihr


Hartmut Brenneisen



Foto: H. Immel/GdP.