Recht und Justiz

„Ein Freund, ein guter Freund“

Von den Besonderheiten des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen (Teil 1)

Von Oberstaatsanwalt Dr. Sören Pansa und Staatsanwalt Dr. Marius Heller, Schleswig/Kiel

 

1 Hintergründe

 

Verdeckte Ermittlungsmethoden gehören, insbesondere im Bereich der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, aktuell oftmals zum Alltag polizeilicher und staatsanwaltschaftlicher Tätigkeit. Dies resultiert aus dem typischerweise konspirativen Vorgehen der Zielpersonen, welches andere Ermittlungsmaßnahmen wenig erfolgversprechend erscheinen lässt. Primär in der jüngeren Vergangenheit hat der Gesetzgeber dem Rechnung getragen. So ist auf die zunehmende Nutzung sog. Messenger-Dienste am 17. August 2017 durch die Schaffung der „Online-Durchsuchung“ i.S.d. § 100b StPO und der „Quellen-Telekommunikationsüberwachung“ i.S.d. § 100a Abs. 1 S. 2 StPO reagiert worden.2 Nachdem es französischen Ermittlungsbehörden gelang, auf die Kommunikationsinhalte bisher als überwachungssicher geltender, sog. „Encrochat-Krypto-Handys“ zuzugreifen, ist jedoch erneut deutlich geworden, wie bereitwillig und massiv, kriminelle Strukturen technische Innovationen zu nutzen bereit sind. Lediglich am Rande sei hier erwähnt, dass deutsche Ermittlungsbehörden die diesbezüglich gewonnen Erkenntnisse zur Aufklärung erheblicher Straftaten vollumfänglich verwenden dürfen.3


Erfahrungsgemäß stoßen jedoch technische Überwachungsmaßnahmen dann an ihre Grenzen, wenn technische Geräte durch die Zielpersonen aufgrund befürchteter Überwachung selten genutzt und eine tatrelevante Kommunikation nur bei persönlichen Treffen im streng reglementierten Personenkreis stattfindet. In diesen schwierigen Konstellationen können durch die Nutzung „menschlicher“ Ermittlungswerkzeuge dennoch Erfolge erzielt werden. Jedoch bergen derartige Ermittlungstaktiken auch zahlreiche Untiefen. So bestehen lediglich bezüglich des Einsatzes Verdeckter Ermittler (VE) mit den §§ 110a ff. StPO gesetzliche Regelungen. Hinsichtlich Vertrauenspersonen (V-Personen), Informanten und nicht offen ermittelnder Polizeibeamter (noeP) existieren derartige Gesetzesvorschriften hingegen nicht. Diesbezügliche Regelungen finden sich lediglich in Anlage D der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) bzw. in ministeriellen Erlassen auf Landesebene.4 Die RiStBV und entsprechende Erlasse stellen indes schon aufgrund ihrer Rechtsnatur als interne Verwaltungsvorschriften bzw. innerdienstliche Weisungen im Sinne des § 146 GVG keine tragfähige Rechtsgrundlage für Grundrechtseingriffe dar.5 Insofern stellen sich in diesem Bereich zahlreiche bisher ungeklärte Fragen, welche auch die Verwertbarkeit erlangter Ermittlungsergebnisse beeinflussen können. So beschäftigt sich etwa seit dem 23. Februar 2018 ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtages unter anderem mit der Frage, in welchen Konstellationen verfahrensrelevante Angaben einer V-Person zwingend Eingang in die Ermittlungsakten finden müssen.6 In diesem Beitrag wird deshalb zunächst ein einführender Überblick bezüglich etwaiger Probleme hinsichtlich noeP, Informanten, V-Personen und VE gegeben. Anschließend gilt es, ausführlich auf zwei aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofes bzw. des Landgerichts Berlin einzugehen, die zentrale Aspekte des Einsatzes von V-Personen und der Verwertbarkeit seitens Verdeckter Ermittler sowie V-Personen generierter Geständnisse

 

2 Überblick bezüglich der verschiedenen personalen Ermittlungsmöglichkeiten


Den Ermittlungsbehörden stehen mit dem Verdeckten Ermittler, der Vertrauensperson, dem nicht offen ermittelnden Polizeibe-amten und dem Informanten verschiedene Möglichkeiten der Informationsgewinnung zur Verfügung. Deren jeweilige Nutzung unterliegt jedoch unterschiedlichen Voraussetzungen und es sind Besonderheiten des Einsatzes zu berücksichtigen. Im Folgenden werden die verschiedenen Begriffe definiert, etwaige rechtliche Probleme angesprochen und potentielle Folgen für den Fortgang des Ermittlungsverfahrens aufgezeigt.

2.1 Der Verdeckte Ermittler (VE)

Gemäß § 110a Abs. 2 StPO sind Verdeckte Ermittler Beamte des Polizeidienstes, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln und unter der Legende auch am Rechtsverkehr teilnehmen dürfen. § 110a Abs. 3 StPO erlaubt für den Aufbau und die Aufrechterhaltung der Legende, die Herstellung, Änderung und den Gebrauch entsprechender Urkunden. Der Einsatz Verdeckter Ermittler ist gem. § 110a Abs. 1 StPO auf bestimmte Bereiche bedeutender Kriminalität, wie etwa Straftaten bezüglich des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, und Verbrechen aller Art beschränkt. Letztere sind aber nur dann relevant, wenn eine Widerholungsgefahr besteht. § 110b Abs. 1 StPO sieht vor, dass der Verdeckte Ermittler seine Tätigkeit ohne die schriftliche Zustimmung der Staatsanwaltschaft grundsätzlich nicht aufnehmen darf. Die diesbezüglichen Entscheidungen treffen der Behördenleiter der zuständigen Staatsanwaltschaft bzw. ein besonders bezeichneter Staatsanwalt und auf polizeilicher Seite die „Leitungsebene“ (vgl. RiStBV Anl. D, II. Nr. 2.4). Richtet sich der Einsatz des Verdeckten Ermittlers gegen einen bestimmten Beschuldigten oder soll eine nicht öffentlich zugängliche Wohnung betreten werden, so ist gemäß § 110b Abs. 2 S. 1 StPO grundsätzlich die schriftlich zu erteilende Zustimmung des Ermittlungsrichters einzuholen. Hierbei muss der Beschuldigte, gegen den ermittelt wird, namentlich nicht bekannt sein. Vielmehr ist die richterliche Zustimmung bereits erforderlich, wenn die Zielperson identifizierbar ist. Nach erfolgter Zustimmung sind die gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich ebenfalls hinsichtlich weiterer Zielpersonen verwertbar, auch wenn bezüglich diesen noch keine richterliche Zustimmung vorliegt.7 Anders ist die Zustimmung bezüglich des Betretens einer Wohnung ausgestaltet. Hier muss gerade nicht eine bestimmte Wohnung bezeichnet werden, sondern es wird faktisch durch die richterliche Zustimmung ein generelles Betretungsrecht konstituiert.8 Jedoch darf der Verdeckte Ermittler nicht nach seinem Belieben und ggf. heimlich fremde Wohnungen infiltrieren. Vielmehr sieht § 110c StPO vor, dass immer das Einverständnis des Berechtigten vorliegen muss. Dieses darf ferner nicht durch ein über die Nutzung der Legende hinausgehendes Vortäuschen eines Zutrittsrechts herbeigeführt werden.


Ein deutlich größeres Problem stellt für die Ermittlungsbehörden und den als Verdeckten Ermittler eingesetzten Polizeibeamten aber die rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen müssende Ausgestaltung der Ermittlungstätigkeit an sich dar. Denn der Polizeibeamte verkehrt hierbei dauerhaft in hochkriminellen Kreisen und hat sein Verhalten zwingend dementsprechend anzupassen. Hierbei stellt die RiStBV Anl. D, II. Nr. 2.2 S. 1 klar, dass allein das Handeln als Verdeckter Ermittler keine Befugnis zur Begehung von Straftaten darstellt. Aber etwaige begangene Straftaten können gemäß § 34 StGB gerechtfertigt oder gemäß § 35 StGB entschuldigt sein.9 Ferner soll gemäß RiStBV Anl. D, II. Nr. 2.6 der Verdeckte Ermittler vollumfänglich der „Strafverfolgungspflicht“ i.S.d. § 163 StPO unterliegen. Die uneingeschränkte Geltung dieses Grundsatzes würde die legendierte Ermittlungstätigkeit aber verständlicherweise stark erschweren. Denn der eingesetzte Polizeibeamte könnte an typischen Tagen im Milieu der Organisierten Kriminalität aufgrund der zahlreichen Verstöße gegen das BtMG, WaffG und § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG kaum noch seinem übergeordneten Auftrag, der Aufdeckung der Täterstrukturen auf „Führungsebene“, nachkommen. Deshalb ermöglicht RiStBV Anl. D, II. Nr. 2.6.1-3 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Zurückstellung von Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere, wenn diese ansonsten den eigentlichen Ermittlungsauftrag gefährden würden.


Weitere grundlegende Probleme bezüglich der Tätigkeit des Verdeckten Ermittlers stellen die Verwertbarkeit von gegenüber ihm abgegebenen Geständnissen sowie die Bewertung etwaiger durch ihn verwirklichter Tatprovokationen dar. Hierauf wird im Rahmen der Darstellung des Urteils des Landgerichts Berlin ausführlich eingegangen werden.

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