Kriminalität

Phänomenologische Betrachtung des Wohnungseinbruchs

Von KD Christoph Frings, Duisburg

 

Vorangestellt werden muss, dass eine vollumfängliche Betrachtung des Wohnungseinbruchs im Rahmen eines begrenzten Fachaufsatzes naturgemäß nicht möglich ist. Bei den nachfolgenden Ausführungen habe ich mich daher auf wesentliche phänomenologische Aspekte beschränkt sowie den Focus einmal auf den Themenbereich der Haftsachbearbeitung gerichtet.

Gerade die Verletzung der Privatsphäre durch die Anwesenheit von Einbrechern in der eigenen Wohnung wird von den Opfern als elementarer Angriff empfunden und schädigt das Sicherheitsempfinden der Opfer nachhaltig. Der Gesetzgeber hatte daher bereits mit dem 6. Strafrechtsreformgesetz 1998 die Mindeststrafe für den Wohnungseinbruchsdiebstahl von ehemals drei Monaten auf sechs Monate angehoben. Zuvor waren die Fallzahlen stark gestiegen und hatten sich bis 1995 auf hohem Niveau etabliert. Mit wieder deutlich steigenden Fallzahlen ab etwa 2009 wurde erneut eine deutliche Anhebung des Strafrahmens gefordert. Dieser Forderung ist der Gesetzgeber im Juli 2017 nachgekommen. Die bisherige Mindeststrafe von sechs Monaten ist, bei Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, auf ein Jahre Freiheitsstrafe verdoppelt worden.2Der Wohnungseinbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung ist im Grundstrafrahmen jetzt dem Raub gleichgestellt und als Verbrechen eingestuft.

 

 

1 Fallzahlen und Aufklärungsquote

 

Der Wohnungseinbruch wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) unter der Kennziffer 435.000 erfasst. Bei einer Begehung des Wohnungseinbruchs zwischen 06.00 und 21.00 Uhr wird von einem Tageswohnungseinbruch gesprochen, dieser wird in der PKS unter der Kennziffer 436.000 ausgewiesen.3Das Dunkelfeld im Bereich der registrierten Wohnungseinbrüche ist als gering einzustufen, da die meisten Hausratversicherungen eine Schadensregulierung von der Anzeigenerstattung bei der Polizei abhängig machen.

 


Abb. 1: Darstellung der Anzahl der Wohnungseinbrüche in den „alten Bundesländern“ von 1961 – 19914.

 


Abb. 2: Aufklärungsquote beim Wohnungseinbruch in den „alten Bundesländern“ von 1961 – 19915.

 


Abb. 3: Darstellung der Anzahl der Wohnungseinbrüche auf Bundesebene und in NRW von 1993 – 20186.

 


Abb. 4: Aufklärungsquote beim Wohnungseinbruch auf Bundesebene und in NRW von 1993 – 20187.


Bei langfristiger Betrachtung des Wohnungseinbruchs ist eine deutliche Schwankung der Fallzahlen feststellbar. Wenn man in die Betrachtung die Fallzahlentwicklung der „alten Bundesländer“ mit einbezieht, dann ist deutlich feststellbar, dass die Fallzahlen im Wohnungseinbruch von 25.298 Fällen im Jahr 1961 bis etwa Mitte der 1990er Jahre nur eine Richtung kannten, aufwärts. Die Jahre 1990 bis 1994/1995 waren durch einen deutlichen Anstieg der Fallzahlen und späteren Abschwung auf Bundesebene geprägt. Dieser Anstieg und der spätere Abschwung hatte sich in den Fallzahlen von NRW jedoch kaum niedergeschlagen. Betroffen waren seinerzeit, infolge des Mauerfalls, der Grenzöffnung und der Wiedervereinigung eher die östlichen Bundesländer. Anders gelagert ist der (deutliche) Anstieg der Fallzahlen, etwa ab 2009, bis ins Jahr 2015. Von diesem Anstieg war dann auch NRW deutlich betroffen. Ab 2016 ist dann wieder ein deutliches Absinken der Fallzahlen zu beobachten.

Bei den Fallzahlen sind Großstädte mit über 500.000 Einwohner stärker belastet als kleinere Gemeinden im eher ländlichen Umfeld. Ein Erklärungsansatz dafür ist sicherlich in einem (noch) intakten Nachbarschaftsgefüge in kleineren Orten zu sehen, so dass hier eine stärke informelle Sozialkontrolle durch potentielle Täter wahrgenommen wird.

Von den bundesweit über 5,5 Mio. Straftaten wurden über 57% lt. der PKS aufgeklärt. Verglichen damit kann man festhalten, dass die Aufklärungsquote beim Wohnungseinbruchsdiebstahl (WED), mit derzeit etwas über 18% als relativ gering angesehen werden kann.8Erschwerend für die polizeiliche Aufklärung der Tat ist natürlich, dass bei einer hohen Zahl der Fälle keine Täter-Opfer-Vorbeziehung vorliegt und das Opfer den Täter somit nicht direkt bei der Tatortaufnahme „mit liefert“. Gleichfalls tritt beim Wohnungseinbruch der Täter dem Opfer auch nicht, wie beim Raub, direkt gegenüber, so dass eine Personenbeschreibung, die Fahndungsansätze liefert, i.d.R. nicht vorliegt. Andererseits werden durch die Täter beim Eindringen in das Objekt vielfach Werkzeugspuren, Schuhspuren, körperzellenhaltige Spuren und auch heute noch Fingerspuren hinterlassen. Gleichfalls bietet die Diebesbeute vielfach Ermittlungsansätze. Hier ist ein breites Feld für die Ausermittlung von Spuren vorhanden. Insofern kann die Aufklärungsquote im Bereich des Wohnungseinbruchs, auch wenn sie derzeit leicht steigt, keinesfalls zufrieden stellen. Wenn nur etwa jeder sechste Wohnungseinbruch aufgeklärt wird, dies bedeutet ja keinesfalls auch die Aburteilung der Tat, dann ist das dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und dem Vertrauen in die Gewährleistung der Inneren Sicherheit durch den Staat abträglich.

 


Tatwerkzeug: Spachtel für „Türvierkant“ und Ziehfix.

 

 


Tatwerkzeug: Eigenbau.


Eine Untersuchung der kriminalistisch-kriminologischen Forschungsstelle des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen ergab, dass die Aufklärungsquote im Bereich des Wohnungseinbruchs mit zunehmender Schadenshöhe abnimmt. So betrug bei den ausgewerteten Fällen von 2008 bis 2011 bei einer Schadenssumme von unter 500 Ä die Aufklärungsquote 23,5%, bei einer Schadenssumme zwischen 501 und 1.500 Ä 17,7%, bei einer Schadenssumme zwischen 1.501 und 5.000 Ä 12,6% und bei einer Schadenssumme von über 5.000 Ä nur noch 10,2%.9Wenn man unterstellt, dass professionellere Täter auch höhere Beutesummen erlangen, werden deren Taten also weniger häufig aufgeklärt.

Beim Vergleich der Fallzahlentwicklung in den „alten Bundesländern“ von 1961 bis 1991 ist auffällig, dass der drastische Anstieg der Fallzahlen (Steigerung der Fallzahlen um über 600%) mit einer Halbierung der Aufklärungsquote einher ging. Es liegt die Vermutung nahe, dass dieser Anstieg der Fallzahlen keinesfalls mit einem parallelen Anstieg der in diesem Deliktsbereich eingesetzten Beamten einherging. Eine zunehmende Arbeitsbelastung der Sachbearbeiter führt zu einer entsprechend geringeren Bearbeitungszeit pro Ermittlungsvorgang und damit zur „Ökonomisierung“ der Sachbearbeitung, d.h. nicht mehr alle Spuren und Hinweise werden konsequent und kriminaltaktisch optimiert abgearbeitet.

Auch auf die heutige Zeit lässt sich dieser Aspekt übertragen. Steigende Fallzahlenentwicklung führt nicht direkt zum Einsatz von Personal in dem betroffenen Deliktsbereich. Vielfach steht ausgebildetes Personal auch gar nicht in der erforderlichen Zahl zur Verfügung, da die Ausbildungszahlen jahrelang hinter den Pensionierungszahlen zurückgeblieben sind. Erst wenn sich ein Fallzahlenanstieg verstetigt, werden personelle Verstärkungen oder Schwerpunktsetzungen vorgenommen. Entsprechende strategische und personelle Schwerpunktsetzungen mit hohem landesweiten Verfolgungsdruck im Bereich Wohnungseinbruchs- und Massenkriminalität durch polizeiliche „Maßnahmenpakete“, wie „Motiv“10in Nordrhein-Westfalen, zeigen dann auch entsprechende Wirkungen.

Der Anteil der versuchten Taten lag 1981 bei ca. 26% und ist bis heute nahezu kontinuierlich auf ca. 45% im Jahr 2018 gestiegen. Der Anstieg der Versuchstaten wird auch als ein Indikator für eine zunehmend bessere Objektsicherung angesehen. Da mit zunehmender Verweildauer der Täter am bzw. im Objekt das Entdeckungs- und Ergreifungsrisiko für die Täter steigt, könnte ein weiterer Grund auch sein, dass Täter(gruppen) ihr Arbeitsverhalten zunehmend professionalisieren, sich nur noch ein beschränktes Zeitfenster für das Öffnen und Eindringen ins Objekt setzen. Gelangen die Täter innerhalb dieses Zeitraumes nicht ins Objekt, wird der Tatversuch abgebrochen.

 

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