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Zeugenermittlung am Tatort; Dokumentation der Tatortarbeit
Von Prof. Dr. Holger Roll, Güstrow1
1 Ermittlungen im Wahrnehmbarkeitsbereich
Die Ermittlungen im Wahrnehmbarkeitsbereich als Bestandteil der Tatortarbeit haben zum Ziel, Hinweise auf den subjektiven Tatortbefund zu geben. Dieser wird bestimmt durch
- Personen, die sich bei Eintreffen der Ermittlungsbeamten in unmittelbarer Tatortnähe aufhalten (z.B. Auffindezeugen, Rettungskräfte, tatortberechtigte Personen) und
- Personen, die in einem gewissen Umfeld (Wahrnehmbarkeitsbereich) um den Tatort herum Wahrnehmungen zum zu untersuchenden Ereignis gemacht haben können.
Der Wahrnehmbarkeitsbereich ist ein territorialer Bereich um den Ereignisort, in dem Personen die Möglichkeit hatten, optische, akustische, odorologische oder andere Wahrnehmungen zum kriminalistisch relevanten Sachverhalt zu machen. Er ist meist größer als der eigentliche Tatort. Zum Wahrnehmbarkeitsbereich zählen auch die Zu- und Abgangsweg
![](/fileadmin/img/autoren/autor_roll_2018.jpg)
Darüber hinaus können auch Zeugen in einem territorialen Umfeld ermittelt werden, in dem der Täter Vorbereitungshandlungen (z.B. Beschaffen von Tatwerkzeugen und Tatmitteln; Auskundschaften des Ereignisortes; Planung der Tat; Absprachen mit Mittätern usw.) durchführte (Vortatphase). Ebenso sind Zeugen zu ermitteln, die nach der Tat, Tatverdächtige an Orten (z.B. Versteckorte von Diebesgut, Abstellorte von Fluchtfahrzeugen) beobachteten (Nachtatphase).
Nicht immer sind diese Orte bereits im Rahmen des Ersten Angriffs bekannt, sondern werden auch durch die weitere Ermittlungsführung festgestellt.
Die Festlegung der Grenzen des Wahrnehmbarkeitsbereiches im Rahmen der Tatortarbeit ist abhängig von den konkreten Umständen des Ereignisses, wie z.B.:
- der Art des Delikts,
- der Anzahl der handelnden Täter,
- der Wahrnehmungsart,
- der konkreten Begehungsweise (z.B. intensives oder unauffälliges Einwirken des Täters),
- dem Ort der Handlungen (z.B. Öffentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit),
- dem krimineller Charakter der Handlung (War die Handlung für Zeugen als kriminelle Verhaltensweise erkennbar oder nicht?),
- der Dauer der Handlung.
Es ist davon auszugehen, dass die Grenzen des Wahrnehmbarkeitsbereiches nur Wahrscheinlichkeitscharakter tragen und somit auch nicht als endgültig zu betrachten sind. Dies ergibt sich daraus, dass Wahrnehmungen immer personengebunden sind und dass die Wahrnehmung des kriminalistisch relevanten Ereignisses ohne Kenntnis der subjektiven Voraussetzungen unterstellt wird. Neben dem Feststellen von Zeugen im Wahrnehmbarkeitsbereich werden weitere Ziele verfolgt:
- Feststellung von Verdächtigen,
- Feststellen von Tatortberechtigten,
- Feststellen von weiteren Tatbeteiligten,
- Auffinden von weiteren Spuren, Gegenständen, Verstecken, Tatwerkzeugen, Tatmitteln,
- Feststellen von Transportmitteln,
- Feststellen möglicher Überwachungseinrichtungen, die Aufzeichnungen im Zusammenhang mit der Tat (z.B. Täter, Tathergang, weitere Zeugen) gespeichert haben könnten.
Die Festlegung des Wahrnehmbarkeitsbereiches erfolgt auf der Grundlage der Analyse der Begehungsweise. Als mögliche Ermittlungshandlungen für das Feststellen von Zeugen im Wahrnehmbarkeitsbereich gelten die informatorische Befragung/Vernehmung vor Ort, die Absuche des unmittelbaren Umfelds des Tatortes nach möglichen Zeugen, die Öffentlichkeitsarbeit, die Beobachtung an nächstfolgenden Tagen zur Tatzeit (Berufsverkehr, Pendler). Der Wahrnehmbarkeitsbereich kann personal, funktional und territorial2 bestimmt werden. Methodisch3 unterliegt die Zeugenermittlung im Wahrnehmbarkeitsbereich den Erfordernissen der operativen Ermittlungsführung. Operativität und Zeugenermittlung bedeuten das sofortige und sichere Reagieren auf sich plötzlich einstellende Veränderungen oder Wendungen der Ermittlungssituationen. Im Rahmen der Tatortarbeit wären beispielsweise folgende Situationen denkbar:
Eine Veränderung der Richtung des Vorgehens aufgrund aktueller Ermittlungsergebnisse (z.B. neue Erkenntnisse zur Fluchtrichtung des Täters).
Beim Feststellen von Personen im Wahrnehmbarkeitsbereich und deren Vernehmung wäre zum anderen auch eine Veränderung der Vernehmungstaktik erforderlich und zwar dann, wenn ursprünglich angenommen wurde, dass es sich bei der Person um einen Zeugen handelt, im Laufe der Vernehmung jedoch der Verdacht entsteht, dass es sich um einen Tatverdächtigen handeln könnte. In solchen Fällen ist die Zeugenvernehmung abzubrechen, eine Belehrung des Beschuldigten durchzuführen und die Beschuldigtenvernehmung zu beginnen. U.U. ist es auch denkbar, dass in derartigen Situationen andere operative Maßnahmen (z.B. vorläufige Festnahme oder Verhaftung) erfolgen müssen.
Das Prinzip der operativen Ermittlungsführung spielt auch dann eine Rolle, wenn festgestellt wird, dass die Zeugenaussage für das Vorgehen zur Spurensuche und -sicherung bedeutsam ist.
Folgende Einzelschritte sind bei Festlegen des und Ermittlungen im Wahrnehmbarkeitsbereich zu berücksichtigen:
1.1 Analyse der Begehungsweise
Grundlegende Erkenntnisse gewinnt der Ermittlungsbeamte aus der gedanklichen Rekonstruktion des Ereignisses und der Tatortuntersuchung. Die hier erhobenen Fakten und die darauf basierenden Versionen bilden die Grundlage für die Ableitung des Wahrnehmbarkeitsbereiches.
1.2 Festlegen der Ermittlungsbereiche
In Abhängigkeit von der territorialen Ausdehnung des Wahrnehmbarkeitsbereiches, kann ist es notwendig werden, bestimmte Ermittlungsbereiche festzulegen, insbesondere dann, wenn es sich um einen relativ großen und unübersichtlichen Wahrnehmbarkeitsbereich handelt. Diese Ermittlungsbereiche können
- funktional,
- personell oder
- territorial (z.B. nach baulichen Besonderheiten) festgelegt werden.
Sind die Bereiche bestimmt, erfolgt die Festlegung, welche Einsatzkräfte die Ermittlungen im Wahrnehmbarkeitsbereich führen.
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