Recht und Justiz

Bereicherungsabsicht bei Motivbündeln und Zwischenzielen

Von Prof. Dr. Dennis Bock, Kiel1

1 Problemstellung im Lichte aktueller  höchstrichterlicher Rechtsprechung

In seinem Urteil vom 24.3.2016 beschäftigt sich der zweite Strafsenat des BGH2

Die G hatte mit der P-GmbH einen Kooperationsvertrag abgeschlossen und erwarb infolge des Vertragsabschlusses mit den Kunden abredegemäß die Beamer von der P-GmbH. Der BGH beanstandete die Verurteilung des Angekl. wegen Betrugs u.a. zu Lasten der Leasingnehmer (zum – primären – Vorteil der G) nicht. Insbesondere bejahte der Senat3 das Vorliegen der Bereicherungsabsicht i.S.d. § 263 I StGB: „Auch die erforderliche Absicht rechtswidriger Bereicherung eines Dritten lag vor. Die Täuschung des Angeklagten zielte auf eine Bereicherung der G. ab. Der Erfüllung des Betrugstatbestands steht nicht entgegen, dass es dem Angeklagten primär darauf ankam, die G. nach Annahme des Leasingvertrags zur Zahlung des Kaufpreises an die von ihm geführte Firma P. GmbH zu veranlassen; denn hierfür war der Abschluss des Leasingvertrags notwendige Voraussetzung. Die Bereicherungsabsicht muss nicht das ausschließliche Motiv oder das letztendliche Ziel der Tathandlung sein; es genügt vielmehr, dass der Täter die Bereicherung (eines Dritten) als notwendigen Zwischenerfolg für einen dahinter liegenden weiteren Zweck erstrebt […].“ Aus dieser Urteilspassage ergeben sich zwei Aussagen: zunächst kommt es für § 263 StGB nicht darauf an, dass sich der zielgerichtete Wille des Täters ausschließlich auf die Bereicherung richtet (sogleich 2); darüber hinaus erfasst die Bereicherungsabsicht auch notwendige Zwischenerfolge (3).

2 Motivbündel

Ist also anerkannt, dass sich der zielgerichtete Wille des Täters nicht ausschließlich auf die Bereicherung richten muss, so eröffnet sich die Fragestellung, ob der Bereicherungsabsicht gegenüber anderen Motiven ein bestimmtes Gewicht zukommen muss. Die Problematik der sog. Motivbündel wird nicht nur i.R.d. § 263 StGB, sondern auch an anderer Stelle relevant; ist es doch so, dass „sich menschliches Handeln meist nicht auf einen einzigen Beweggrund zurückführen läßt“4, wie der BGH treffend feststellte. So wird etwa auch bei den subjektiven Rechtfertigungselementen diskutiert, wie stark der Rechtfertigungswille sein muss und auch im Besonderen Teil des StGB ist § 263 StGB nicht der einzige Straftatbestand, bei dem besondere Absichten und Motivlagen zu bewerten und zu gewichten sind.

Die Rechtsprechung fordert beim Zusammentreffen unterschiedlicher Motivationen i.d.R. eine hervorgehobene Stellung des betreffenden subjektiven Tatbestandselements. So müsse der Rettungs- bzw. Verteidigungswille zur Bejahung von Notstand und Notwehr gem. §§ 32, 34 StGB nicht das alleinige Motiv sein, dürfe jedoch nicht nebensächlich oder überlagert werden.5

Häufig findet sich in den Formulierungen der Rechtsprechung die Forderung nach Bewusstseinsdominanz: So müsse i.R.e. Motivbündels bei der Prüfung des Rücktritts in § 24 StGB die Freiwilligkeit das dominierende Motiv sein;6 in § 33 StGB müssten die sog. asthenischen Affekte über andere Motivationen dominieren.7 Dasselbe gilt bei Motivbündeln auch für die räuberische Absicht in § 316a StGB,8 sowie für die Mordmerkmale des § 211 StGB.9

Ließ vereinzelt schon das Reichsgericht bezüglich § 263 StGB einen „doppelte[r] Beweggrund“ ausreichen,10 ist sich die neuere Rechtsprechung heute einig, dass die Bereicherung eins von mehreren Zielen sein kann.11 In der Tat wird es weder auf die Anzahl der Motive noch auf ihre Relation zueinander ankommen können.

Denn kann bei zwei Motiven wohl noch gewichtet werden, welches vorherrschend und damit das dominierende ist, so fällt eine solche Einschätzung ungleich schwerer, sobald der Täter mit seiner Handlung nicht bloß zwei, sondern drei, vier oder zehn unterschiedliche Ziele verfolgt. Eine genaue Ermittlung, welcher Teil seines Strebens auf die Bereicherung gerichtet ist und in welchem prozentualen Verhältnis dieser zur restlichen Motivation steht, ist unmöglich. Auf die Anzahl der Motivationsgründe kann es mithin nicht ankommen. Maßgeblich muss vielmehr sein, dass der Täter überhaupt in der Absicht rechtswidriger Bereicherung gehandelt hat – dass diese folglich im subjektiven Tatbestand nachweisbar ist. § 263 I StGB fordert – wie bei allen Tatbestandsmerkmalen – allein das Vorliegen derselben; „ein bisschen vorliegen“ oder „zu wenig vorliegen“ kennt der Tatbestand hingegen nicht. Entscheidend muss daher sein, dass die Bereicherung im Bewusstsein des Täters überhaupt juristisch nachweisbar – also gleich der „juristischen Sekunde“ feststellbar – ist. Eine juristisch messbare „Mitmotivation“ muss folglich für die Absicht genügen.

3 Zwischenziele

Darüber hinaus enthält das Urteil die Aussage, dass die Bereicherungsabsicht des § 263 StGB auch notwendige Zwischenziele erfasst. Damit folgt das Gericht der vorherrschenden Linie der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung, wonach die Bereicherungsabsicht nicht erfordere, dass der Vermögensvorteil „Triebfeder bzw. Endziel, Beweggrund oder Motiv des Täters“ sei und wonach er weder „der einzige, der entscheidende, der überwiegende, noch der in erster Linie verfolgte Zweck“ sein müsse. Es genüge vielmehr, dass der Vorteil „neben anderen Zielen oder als notwendiges Mittel für einen dahinter liegenden weiteren Zweck erstrebt“ werde.12

Diese Linie steht im Gegensatz zu der – wohl älteren bzw. früher vereinzelt vertretenen – Rechtsprechung, die demgegenüber gerade voraussetzte, dass die Vorteilserlangung „Triebfeder“ des Täters war.13 Der Vermögensvorteil müsse danach mehr sein als bloß „Mittel für einen dahinterliegenden Endzweck“.14 Durch diese enge Grenzziehung würde die Bereicherungsabsicht nur das primär anvisierte Ziel der Handlung erfassen; in Konstellationen mit mehreren Handlungsmotiven wäre diese folglich bezüglich jeglicher Zwischenziele abzulehnen – eine gewiss trennscharfe Abgrenzung insbesondere zum bloßen Vorsatz.15

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