Editorial
Liebe Leserinnen, lieber Leser,
der islamistische Terrorismus hat auch in Deutschland seit geraumer Zeit seine blutige Spur hinterlassen und damit seine anhaltende Gefährlichkeit unter Beweis gestellt. Die hoch belasteten Sicherheitsbehörden haben eine Reihe von Vorbereitungshandlungen erkennen und damit weitere tödliche Aktionen verhindern können, zumeist in einem internationalen Zusammenspiel. Es ist zunehmend deutlich geworden, dass die fortlaufend mit großer Sorgfalt formulierten Gefährdungshinweise und Handlungsempfehlungen sehr ernst zu nehmen sind. Kritiker sind weitgehend verstummt, die allzu oft interessengeleitete amtliche Panikmache und überzogene Forderungen unterstellt haben. Mit dem perfiden Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt vor Wochen hat der islamistische Terrorismus in Deutschland einen weiteren traurigen Höhepunkt erreicht. Die raschen Ermittlungserfolge der Polizei, insbesondere durch die Identifizierung eines islamistisch motivierten Täters, konnten jedoch nicht über eine Fülle von Problemen in der Vortatphase hinwegtäuschen, die sich insbesondere bei der Zusammenarbeit der involvierten Sicherheitsbehörden gezeigt haben. Wenngleich die parlamentarische Aufarbeitung im Bund und in den betroffenen Ländern noch nicht abgeschlossen ist, sind bereits deutliche Defizite in der derzeitigen Sicherheitsarchitektur offenkundig geworden. Alleine die Anzahl der bislang bekannt gewordenen Akteure im so genannten Fall „Amri“ beim Bund und in den Ländern wirft die Frage auf, ob unsere grundsätzlich bewährte föderale Struktur die richtigen Antworten auf ein globales Kriminalitätsphänomen in der bekannt gewordenen Ausprägung bereit hält. Erste politische Forderungen, die beispielsweise eine weitere Zentralisierung von Zuständigkeiten zum Ziel haben, wurden bereits laut. Aktuell sind tagtäglich 16 Landeskriminalämter, 16 Verfassungsschutzbehörden, das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt, der Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst mit dem Phänomen befasst. Alle Organisationen beschaffen, verarbeiten und bewerten Informationen mit einem vergleichbaren taktischen und rechtlichen Instrumentarium. Dieses System bindet nicht nur erhebliche Ressourcen, auch durch zwangsläufige Redundanzen. Vor allem bei der notwendigen Zusammenarbeit zum Informationsaustausch sind nicht unerhebliche Schnittstellen zu überwinden. Die teilweise fehlende definitorischen Kompatibilität bei den jeweils praktizierten Systemen stellt die Akteure vor schwer lösbare Probleme. Das zwischenzeitlich bewährte Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin kann vor diesem Hintergrund den immensen Koordinationsaufwand zur Gewährleistung eines reibungslosen Informationsaustauschs und eine Abstimmung notwendiger Maßnahmen kaum leisten. Die Verantwortlichen beim Bund und in den Ländern werden sich angesichts des dringenden Handlungsbedarfs einer Diskussion über die notwendigen Konsequenzen kaum entziehen können. Dieser Prozess wird zweifellos auch auf europäischer Ebene mit Interesse begleitet.
Dr. Dorothee Dienstbühl knüpft mit einer kriminologischen Betrachtung unter dem Titel „Amok, Selbstmordattentat oder terroristischer Amoklauf?“ an die aktuellen Entwicklungen an und geht der Frage nach, welche Motivlagen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede die von ihr skizzierten aktuellen Ereignisse aufweisen. Medienberichte über psychisch kranke „lone actors“ und „Turboradikalisierung“ friedlicher Schutzsuchender in Deutschland suchen nach einfachen und allseits einleuchtenden Erklärung für diese Art krimineller Phänomene. Zuweilen geraten die Begriffe Amok und Terrorattentat durcheinander. Als Folge stellt sie fest, dass die Kriminalitätsfurcht in Deutschland Umfragen zufolge seit rund fünf Jahren steigt. Die Menschen in Deutschland haben Angst vor Terroranschlägen, vor Überfällen und Frauen vor allem auch vor Übergriffen. Bereits im Januar 2016 zeigte sich nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Allensbach eine steigende Angst in der Bevölkerung, Opfer von Kriminalität zu werden. Egal wie irrational die Angst vor einem Terroranschlag angesichts statistischer Werte sein mag: Es geht um die Verletzung des persönlichen Sicherheitsempfindens. Und das birgt angesichts populistischer Stimmungsmache in allen politischen Lagern durch Bestärken oder Verunglimpfen dieser Angst definitiv ein gesellschaftliches Gefährdungspotential. Sie gelangt zu dem Fazit, dass, unabhängig von der Form exzessiver Gewalt im öffentlichen Raum, ihnen allen der hinterlassene intensive Schrecken und die Unsicherheit in der Bevölkerung gemein ist. Taten, die mit dem Suizid der Täter enden, wie bei Selbstmordattentaten erzeugen zudem Ratlosigkeit.
Die Doktorandin Katharina Kärgel der Goethe-Universität Frankfurt hat für ihre Dissertation spannende Fragestellungen gewählt: Was bedeutet es Ihnen persönlich, als Kriminalpolizist/in zu arbeiten? Wie fühlt es sich an, als Polizist/in ohne Dienstuniform zu arbeiten? Was bedeutet Ihnen die Polizei als Arbeitgeber? Seit vielen Jahren fühlen wir uns nicht nur der wissenschaftlichen Forschung verbundenen, sondern sind auch sehr an dem Forschungsergebnis interessiert. Daher unterstützen wir gerne einen an unserer Leserinnen und Leser gerichteten Interviewwunsch von Frau Kärgel und würden uns über eine rege Teilnahme freuen.
Herbert Klein
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