Editorial

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Liebe Leserinnen, lieber Leser,

bitteres Elend, Hoffnung, Enttäuschung, Angst und Gewalt sind häufig die Stationen, die junge afrikanische Frauen durchleben, wenn sie in die Hände von Geschäftemachern aus dem Rotlichtmilieu gefallen sind. Die Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik können die Dimension des Phänomens und das damit verbundene menschliche Leid nur unzureichend wiedergeben, da sich das Dunkelfeld nach Auffassung von Experten und Hilfsorganisationen auf einem erschreckend hohen Niveau bewegt. Kriminaloberkommissar Bernhard Busch vom saarländischen Landeskriminalamt fasst in dem Beitrag „Mit Nigerianischem Voodoo-Zauber ans Bordell gefesselt“ seine langjährigen Erfahrungen als Ermittler in diesem Phänomenbereich zusammen.

Er berichtet vom harten Leben der „Verzauberten“ als Prostituierte in Deutschland, vom Profit der sie ausbeutenden „Madames“, von Menschenhändlern und Schleusern. Eher zufällig ergeben sich in einem Ermittlungsverfahren Erkenntnisse, die nach und nach zutage fördern, wie organisierte Gruppen zumeist minderjährige Mädchen unter dem Einfluss von Voodoo-Zauber von Nigeria nach Deutschland einschleusen und der Prostitution zuführen. Die katastrophalen Umstände im Heimatland, verbunden mit den europäischen Rahmenbedingungen, begünstigen die Akteure und sichern den kriminellen Strukturen einen enormen Profit. Teilweise noch minderjährige Mädchen werden mit großartigen Versprechungen angelockt und bereits vor der Abreise systematisch unter erheblichen psychischen Druck gesetzt, den man in Deutschland aufrecht erhält oder durch den Einsatz von Gewalt weiter verstärkt. Vernetzte und nigerianisch sprechende professionelle Täterstrukturen sind nur zwei Aspekte, die besondere Herausforderungen für die Strafverfolgungsbehörden darstellen. Berhard Busch stellt zusammenfassend fest, dass die langfristigen Auswirkungen des Phänomens nicht hinreichend bewertet und demzufolge die notwendigen Maßnahmen nicht ergriffen werden. Er plädiert unter anderem für eine konsequente Einbindung von Fachberatungsstellen für Menschenhandelsopfer in die Ermittlungsarbeit und die Wiedereinführung des Tatbestandes der „Förderung der Prostitution“ (auch als Katalogstraftat im § 100a Strafprozeßordnung). Die bereits im Jahr 2006 vom Präsidenten des baden-württembergischen Landeskriminalamtes anlässlich der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes formulierte These besitzt offenbar weiterhin Gültigkeit: „Die Bekämpfung des Menschenhandels als besonders menschenverachtende Form der Schleusungsfolgekriminalität verdient ... eine strategische Schwerpunktsetzung.“
Angesichts der aktuellen Entscheidungen muss allerdings davon ausgegangen werden, dass die wirksame Bekämpfung dieses Phänomens Opfer der breit angelegten Sparmaßnahmen in den öffentlich Haushalten von Bund und Ländern werden dürfte. In weiten Teilen zunehmend schwindende personelle und materielle Ressourcen für die Sicherheitsbehörden gefährden Schwerpunktsetzungen, die Nachhaltigkeit eingeleiteter Maßnahmen und letztlich auch Kernbereiche der von der Polizei zu verantwortenden Daseinsvorsorge.
Das „Deutsche Maritime Kompetenz Netz“ (DMKN) titelt in seiner Pressemitteilung vom Januar 2014 „Hartes Vorgehen gegen somalische Piraten sorgt für Rückgang bei Seepiraterie“. Die Seepiraterie ist demnach mit weltweit 264 Angriffen im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit sechs Jahren gefallen. Im Vergleich zum Jahr 2011, in dem aufgrund der hohen Anzahl von Angriffen vor den somalischen Küsten der höchste, je gemessene Stand vermeldet wurde, beträgt der Rückgang sogar 40 Prozent. Gleichwohl wurden weltweit 300 Menschen als Geiseln genommen und 21 Besatzungsmitglieder durch Schusswaffen oder Messer verletzt. Insgesamt wurden 12 Schiffe entführt, 202 geentert, 22 beschossen und weitere 28 Angriffe abgewehrt. Vor diesem Hintergrund setzt sich der Präsident eines Grenzschutzpräsidiums a.D. Bernd Walter aus Berlin in seinem Beitrag „Piratenjagd durch Private“ kritisch mit der zwischenzeitlich gesetzlich geregelten Zulassung privater Sicherheitsdienstleister zum Schutz deutscher Seeschiffe auseinander. In dieser Neuregelung durch den Gesetzgeber sieht er ein Präjudiz. Zwei Unterausschüsse der Innenministerkonferenz hatten im Jahr 2011 in ihrem Abschlussbericht „Zertifizierung von Unternehmen im privaten Sicherheitsgewerbe“ betont, dass die entwickelten Standards in den einschlägigen Rechtsvorschriften verbindlich geregelt werden müssen. In der aktuellen Entwicklung sieht Bernd Walter hingegen einen Tu?röffner zur weiteren Förderung der Privatisierung von Sicherheit, auch im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung. Angesichts personeller und finanzieller Engpässe wird gerade der Bereich der Inneren Sicherheit ein Experimentierfeld fu?r eine weitere Aufgabenprivatisierung, merkt er kritisch an. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die exklusive Überantwortung des Schutzes der deutschen Handelsschifffahrt an Private und das damit einhergehende Aufgeben einer Kernkompetenz des Staates.

Herbert Klein