Recht und Justiz

V-Leute im Recht

Von Regierungsdirektor Dr. jur. Jens Singer1

Der Einsatz von V-Leuten ist spätestens seit dem 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheiterten NPD-Verbot2 ein immer wieder kehrendes Thema der Inneren Sicherheit. Die Vorstellungen in der Öffentlichkeit von V-Leuten und ihrer Führung sind geprägt von einzelnen Vorfällen, von denen häufig verallgemeinernd auf das Instrument per se geschlossen wird. So werden regelmäßig V-Leute mit verdeckten Ermittlern verwechselt, absichtlich oder aus bloßer Unkenntnis. Die Zahlungen (von Steuergeldern) an V-Leuten werden skandalisiert oder die Tatsache, dass V-Leute häufig nicht aus ehrenwertesten Motiven heraus handeln. Es besteht mit unter die absurde Erwartungshaltung, dass V-Leute eine Verfassungstreue wie die deutsche Beamtenschaft aufweisen sollten oder nach objektiven Kriterien wie Eignung, Befähigung und fachliche Leistung ausgewählt würden. 

Wer je mit der hochkomplexen Aufgabe der Gewinnung von Quellen in bestimmten Szenen befasst war, steht regelmäßig fassungslos vor dieser Ignoranz. Vor allem, weil die Probleme bei der Rekrutierung von Quellen chronisch unterschätzt werden. In extremistischen Gruppierungen wimmeln eben nicht Personen, die täglich darauf warten, sensible Informationen über ihre Organisation Preis zu geben. Wer sich einer extremistischen Organisation anschließt, tut dies in der Regel nicht, um sie an die Sicherheitsbehörden zu verraten. Vielmehr teilt er deren politischen oder religiösen Vorstellungen. Die Motivation oder Geisteshaltung ist Vorraussetzung, um Anschluss an entsprechenden Gruppierungen zu erhalten und erst recht um in sie aufgenommen zu werden, schon weil sich diese abschotten. Wer bereit ist, Informationen aus der Organisation zu liefern, hat zumindest zu irgendeinem Zeitpunkt ihre Motive geteilt. Eine mit der Informationsweitergabe, dem Verrat an der Organisation, verbundene Abkehr muss sich nicht immer darin begründen, dass der Informant plötzlich die freiheitlich demokratische Grundordnung schätzen gelernt hat, sondern kann aus unterschiedlichsten Motiven, wie persönliche Enttäuschungen oder materielle Interessen erfolgen. Selbst Informationen von Personen, die sich trotz der Informationspreisgabe nach wie vor als Teil der Szene betrachten, können für die Sicherheitsbehörden von großem Wert sein. Will sagen, wenn Sicherheitsbehörden nur mit Informanten zusammenarbeiten, deren Leumund und Motivation über jeden Zweifel erhaben ist, wird das Informationsbild sehr schnell äußerst dürftig. Die Quellenlage ist selten befriedigend. Zudem haben es die Sicherheitsbehörden nicht nur mit schwarz und weiß zu tun, sondern fast immer mit Grautönen.
Wenn also mit solchen Personen aus Gründen des Informationsbedarfs zusammengearbeitet werden muss, dann nach klaren Regeln, entweder gesetzlich normiert oder zumindest als Dienstvorschriften geregelt. Doch auch unabhängig von diesen Bestimmungen bleiben grundsätzliche Fragen beim Einsatz von V-Leuten, die in der nachfolgenden Darstellung beantwortet werden sollen. 

1. V-Leute, V-Personen und verdeckte Ermittler? 


Zunächst stellt sich die Frage der Begrifflichkeit, denn nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die staatlichen Organe neigen dazu, durch die Verwendung von unterschiedlichen Termini mehr zu verschleiern als transparent zu machen. Dies ist problematisch, denn wer für ein und dieselbe Tätigkeit immer wieder neue oder andere Begriffe verwendet, darf sich über Unverständnis nicht wundern, dass in Misstrauen mündet. Vor allem fordert aber das Rechtsstaatsprinzip eine klare Bestimmtheit3
Bei V-Leuten4 handelt es sich um Privatpersonen, die als Informationsquelle heimlich mit einer Sicherheitsbehörde auf längere Zeit zusammenarbeiten, ohne ihr anzugehören5. Sie sind das klassische nachrichtendienstliche Mittel, denn V-Leute dienen der verdeckten Informationsgewinnung durch Geheim-/Nachrichtendienste6. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln zählen ferner auch Observationen, Bild- und Tonbandaufzeichnungen, die Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Artikel 10 – Gesetzes. 
Der Einsatz von V-Leuten liegt dann vor, wenn eine Sicherheitsbehörde mit Personen verdeckt zusammenarbeitet, die nicht Personal des Geheim-/Nachrichtendienstes bzw. des Polizeidienstes sind. Relevant ist dabei eine große Bandbreite von der gelegentlichen Entgegennahme von Tips bis hin zum systematischen Führen des V-Mannes in Organisationen oder generell der „Szene“7.
V-Leute sind keine verdeckten Ermittlern (VE), sondern von ihnen streng abzugrenzen. Nach der Legaldefinition des § 110 a Abs. 2 StPO sind VE Beamte des Polizeidienstes, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten veränderten Identität (Legende) ermitteln8.
Vertrauenspersonen im polizeilichen Bereich sollen sich von V-Leuten des Verfassungsschutzes dadurch unterscheiden, dass die Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten langfristig angelegt sei und regelmäßig darauf ziele, die V-Person im Laufe der Zeit in eine Postion zu steuern, die einen dauernden und möglichst optimalen Informationszugang ergebe9. Ob diese Differenzierung angesichts der zunehmenden Bedeutung von polizeilichen Ermittlungen im Vorfeld von Anfangsverdacht oder einer konkreten Gefahrenlage so noch vertreten werden kann, ist aber fraglich. Eine zweifelsfreie Grenzziehung allein aufgrund der zeitlichen Dauer der Zusammenarbeit ist nicht möglich. Es gibt jedenfalls keine juristische Sekunde, in der ein Mittel des Verfassungsschutzes zu einem polizeilichen wird. Sinnvoller erscheint allein darauf abzustellen, ob Polizei oder Nachrichtendienst die Quelle führt.
Der Einsatz von V-Leuten wird heute durchweg als zulässig angesehen. Es sei insofern hier lediglich angemerkt, dass grundsätzliche ethische Bedenken bestehen können, wenn der Staat sich den Vertrauensbruch einzelner Bürger zu Nutze macht, um an Informationen über Dritte zu gelangen10. Eine solche Vorgehensweise ist aber auch im demokratischen Rechtsstaat durch den Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter gerechtfertigt.

2. Die Rechtsgrundlagen für den Einsatz von V-Leuten


Der nachrichtendienstliche Verfassungsschutz findet seine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 73 Abs. 1, Nr. 10 b) und Art. 87 Abs. 1 Satz 2, 4. Var. GG. Die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz für den BND kann aus Art. 73 Nr. 1 GG und Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG hergeleitet werden, für den MAD wird Art. 87a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 73 Nr. 1 Var. 2 und Nr. 10 b) herangezogen11
Der Bund hat 1990 auf diesen verfassungsmäßigen Grundlagen Gesetze für seine drei Nachrichtendienste geschaffen, die neben Aufgaben auch die Befugnisse regeln. Für den Verfassungsschutz bestand bereits ein Vorläufer seit 1950. 
Die grundlegende Reform von 1990 war vor allem für die Befugnisse erforderlich, da nachrichtendienstliche Datenerhebung regelmäßig einen staatlichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen darstellt, insbesondere in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch hier gilt, dass die Befugnisse nicht ohne weiteres aus der Aufgabenzuweisung folgen. So ist auch der gezielte Einsatz von V-Leuten ein staatlicher Eingriff in das Recht zur informationellen Selbstbestimmung, wenn er über rein passive Informationserlangung hinaus geht12. Spätestens das Nachfragen der Quelle im Beobachtungsfeld stellt sich als eine heimliche Befragung und damit als eine Maßnahme dar, die jedenfalls ohne spezielle gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nicht zulässig ist13.
Der Staat hat grundsätzlich dem Bürger offen gegenüber zu treten, schon um die Rechtsweggarantie des Art. 19 Absatz 4 Grundgesetz nicht ins Leere laufen zu lassen14. Nur wer Maßnahmen des Staates erkennt, kann sich gegebenenfalls gegen diese wehren. Auch deshalb sind gerade im ND-Bereich besondere Anforderungen an Klarheit und Bestimmtheit der Rechtsgrundlagen zu stellen. Wenn der Bürger staatliche Eingriffe nicht erkennen kann, so muss zumindest aus dem Gesetz deutlich werden, dass solche Eingriffe möglich sind und er bei bestimmten Verhaltensweisen mit solchen Maßnahmen rechnen muss. 
Mithin bedarf es einer besonderen Ermächtigungsgrundlage für staatliche oder staatlich veranlasste Maßnahmen, wie die gesteuerte Informationserhebung durch den Einsatz von V-Leuten, die letztlich der klandestinen Informationsgewinnung dienen. 
Die Rechtsgrundlage für den Einsatz von V-Leuten ist für das Bundesamt für Verfassungsschutz mit § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG i.V.m. der Dienstvorschrift ND-Mittel gegeben15. Durch die Verweisungen in § 3 Abs. 1 Satz 2 BNDG16 und § 4 Abs. 1 Satz 3 MADG17 findet diese Rechtsgrundlage entsprechend auch Anwendung auf den BND und MAD. Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 BVerfSchG und § 4 Abs. 1 Satz 3 MADG sind zumindest für BfV und MAD auch Dienstvorschriften notwendig, in denen der Einsatz von V-Leuten zu benennen ist und die Zuständigkeit für die Anordnung geregelt wird. Die Bundesregierung hat das PKGr über die Dienstvorschriften zu unterrichten (§ 8 Abs. 2 Satz 3 BVerfSchG, § 4 Abs. 1 Satz 3 MADG).
§ 3 BNDG, der die besondere Form der Datenerhebung durch den BND regelt, verweist nur pauschal auf den § 8 Abs. 2 BVerfSchG. Danach darf der BND zur heimlichen Beschaffung von Informationen einschließlich personenbezogener Daten die Mittel gemäß § 8 Abs. 2 BVerfSchG anwenden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. 
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass für den Einsatz von V-Leuten durch die drei Nachrichtendienste des Bundes hinreichend spezifisch geregelte gesetzliche Rechtsgrundlagen bestehen. Hinsichtlich des BND und der Dienstvorschriften für den Einsatz von V-Leuten lässt sich eine klarstellende Regelung in § 3 BNDG erwägen, die sich an den Formulierungen des BVerfSchG und MADG orientiert. 

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